II. Abteilung, Band 1

Nr. 77

1888 Januar 6

Schreiben1 des Reichskanzlers Otto Fürst von Bismarck an den preußischen Prinzen Wilhelm

Abschrift der Reinschrift

Mahnende Ausführungen für den Thronfolger: Die Monarchie muß über den Parteien stehen, der „christliche Gedanke“ ist als Waffe der Krone gegen „Sozial- und andere Demokraten“ ungeeignet, der Thronfolger muß sich von der Inneren Mission fernhalten, in der meist Redner, Geistliche und Damen die Richtung angeben; dauerhafte Reformprozesse können nur durch den König bzw. die Gesetzgebung des Staates getragen werden, nicht durch freie Vereinigung, das Mißlingen von „Unternehmungen“ der Inneren Mission ist für einen Thronfolger, der sie protegiert, gefährlich

Ew. K[önigliche] H[oheit] wollen mir huldreich verzeihen, daß ich Höchstdero gnädige Schreiben vom 29. November2 und 21. Dezember3 nicht schon beantwortet [ Druckseite 309 ] habe. Ich bin von Schmerzen und Schlaflosigkeit so matt, daß ich nur schwer die täglichen Eingänge bewältige, und jede Arbeitsanstrengung steigert diese Schwäche. Ich kann Ew. auf diese Briefe nicht anders als eigenhändig antworten, und meine Hand leistet mir den Schreibedienst nicht mehr so leicht wie früher. Außerdem müßte ich, um gerade diese Briefe in einer befriedigenden Art zu beantworten, ein historisch-politisches Werk schreiben. Nach dem guten Sprichwort, daß das Beste des Guten Feind ist, will ich aber lieber jetzt insoweit antworten, wie meine Kräfte reichen, als länger in unehrerbietigem Schweigen bessere Kräfte abwarten. Ich hoffe, in kurzem in Berlin zu sein, und dann mündlich nachzuholen, was zu schreiben meine Leistungsfähigkeit überschreitet.

Die Anlage des Schreibens vom 29. November v. J. beehre ich mich Ew. hierbei untertänigst wieder vorzulegen und möchte ehrerbietig anheimgeben, sie ohne Aufschub zu verbrennen.4 Wenn ein Entwurf der Art vorzeitig bekannt würde, so würden nicht nur S[eine] M[ajestät] der Kaiser und Se. K[önigliche] H[oheit] der Kronprinz peinlich davon berührt sein; das Geheimnis ist aber heutzutage stets unsicher. Schon das einzige existierende Exemplar, welches ich hier sorgfältig unter Verschluß gehalten habe, kann in unrechte Hände fallen; wenn aber einige zwanzig Abschriften gefertigt und bei 7 Gesandtschaften deponiert würden, so vervielfältigen sich die Möglichkeiten böser Zufälle und unvorsichtiger Menschen. Auch wenn schließlich von den Dokumenten der beabsichtigte Gebrauch gemacht würde, so würde die dann kundwerdende Tatsache, daß sie vor dem Ableben regierender Herren redigiert und bereitgehalten wären, keinen guten Eindruck machen.

Ich habe mich herzlich gefreut, daß Ew., im Gegensatz zu den schärferen Auffassungen Ihres erlauchten Herrn Vaters, die politische Bedeutung erkennen, welche in dem freiwilligen Mitwirken der verbündeten Fürsten zu den Reichszwecken liegt. Wir wären in der Vergangenheit von nur 17 Jahren der Parlamentsherrschaft schon verfallen, wenn die Fürsten nicht fest zum Reich gestanden hätten, und freiwillig, weil sie selbst zufrieden sind, wenn sie behalten, was ihnen das Reich verbürgt; und noch mehr in Zukunft, wenn der Nimbus von 1870 verblaßt sein wird, liegt die Sicherheit des Reiches und seiner monarchischen Institutionen in der Einigkeit der Fürsten; letztere sind nicht Untertanen, sondern Bundesgenossen des Kaisers, und wird ihnen der Bundesvertrag nicht gehalten, so werden sie sich auch nicht dazu verpflichtet fühlen und Anlehnung suchen, wie früher bei Rußland, Österreich und Frankreich, sobald die Gelegenheit dazu günstig erscheint, wie immer national sie sich halten mögen, solange der Kaiser der stärkere ist. So war es seit 1000 Jahren, und so wird es sein, wenn die alte Eifersucht der Dynastien wieder gereizt wird! Acheronta movebunt5; auch die Opposition im Parlament würde eine ganz andere Kraft gewinnen, wenn die bisherige Geschlossenheit des Bundesrats aufhörte und [ Druckseite 310 ] Bayern und Sachsen mit Richter und Windthorst gemeinsame Sache machten. Es ist also eine sehr richtige Politik, die Ew. veranlaßt, sich in erster Linie an „die Herren Vettern“6 wenden zu wollen. Ich würde aber untertänigst anheimstellen, dies mit der Zusicherung zu tun, daß der neue Kaiser die „vertragsmäßigen Rechte der verbündeten Fürsten“ ebenso gewissenhaft achten und schützen werde wie seine Vorgänger. Es wird sich nicht empfehlen, dabei den „Ausbau“ und das „Einigen“ des Reiches als eine bevorstehende Arbeit besonders zu akzentuieren; denn darunter werden die Fürsten weitere „Zentralisation“ und Minderung der ihnen nach der Verfassung gebliebenen Rechte verstehen. Wenn Sachsen, Bayern, Württemberg stutzig würden, so wäre der Zauber der nationalen Einheit mit seiner mächtigen Wirkung auch in Preußens neuen Provinzen und besonders im Ausland gebrochen. Der nationale Gedanke ist auch den Sozial- und anderen Demokraten gegenüber, auf dem Lande vielleicht nicht, aber in den Städten, stärker als der christliche. Ich bedauere es, sehe aber die Dinge, wie sie sind. Die festeste Stütze der Monarchie suche ich aber in beiden nicht, sondern in einem Königtum, dessen Träger entschlossen ist, nicht nur in ruhigen Zeiten arbeitsam mitzuwirken an den Regierungsgeschäften des Landes, sondern auch in kritischen lieber mit dem Degen in der Faust auf den Stufen des Thrones für sein Recht kämpfend zu fallen, als zu weichen. Einen solchen Herrn läßt kein deutscher Soldat im Stich, und wahr bleibt das alte Wort von 1848: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“7. Priester können dabei viel verderben und wenig helfen; die priesterfrommsten Länder sind die revolutionärsten, und 1848 standen in dem gläubigen Pommerland alle Geistlichen zur Regierung, und doch wählte ganz Hinterpommern sozialistisch, lauter Tagelöhner, Krüger und Eieraufkäufer.8 Ich komme damit auf den Inhalt des gnädigen Schreibens vom 21. v. M. und beginne am liebsten mit dem Schluß desselben und dem Ausdruck des Bewußtseins, daß Friedrich der Große Ew. Ahnherr ist, und bitte Höchstdieselben, ihm nicht bloß als Feldherr, auch als Staatsmann zu folgen. Es lag nicht in der Art des großen Königs, sein Vertrauen auf Elemente wie das der inneren Mission zu setzen; die Zeiten sind heute freilich andere, aber die Erfolge, welche durch Reden und Vereine gewonnen werden, auch heute keine dauernden Unterlagen monarchischer Stellungen; für sie gilt das Wort „wie gewonnen, so zerronnen“. Beredsamkeit der Gegner, giftige Kritik, taktlose Mitarbeiter, deutsche Zanksucht und Mangel an Disziplin bereiten der besten und ehrlichsten Sache leicht einen betrübten Ausgang. Mit solchen Unternehmungen wie die „Innere Mission“, besonders in der Ausdehnung, wie sie beabsichtigt ist, sollte meines untertänigsten Dafürhaltens Ew. Name nicht in solche Verbindung treten, daß er von dem möglichen Mißerfolg mitbetroffen würde. Der Erfolg entzieht sich aber jeder Berechnung, wenn die Verbindung sich auf alle großen Städte ausdehnt und also die Elemente und Richtungen alle in sich aufnimmt, welche in den Lokalverbänden schon vorhanden sind oder in sie eindringen werden. In solchen [ Druckseite 311 ] Vereinen ist schließlich nicht der sachliche Zweck für das wirkliche Ergebnis maßgebend, sondern die darin leitenden Personen drücken ihnen Stempel und Richtung auf. Das werden Redner und Geistliche sein, vielfach auch Damen; lauter Elemente, die zu einer politischen Wirksamkeit im Staat nur mit Vorsicht verwendbar sind, und von deren Wohlverhalten und Takt ich die Meinung des Volkes über seinen künftigen König in keiner Weise abhängig wissen möchte. Jeder Fehler, jedes Ungeschick, jeder Übereifer in der Vereinstätigkeit wird den republikanischen Blättern Anlaß geben, den hohen Protektor des Vereins mit dessen Verirrungen zu identifizieren.

Ew. führen eine stattliche Zahl achtbarer Namen als einverstanden mit Höchstdero Beteiligung an.9 Unter denselben finde ich einmal keinen, dem ich die Verantwortung für die Zukunft des Landes isoliert zumuten möchte; dann aber fragt sich, wie viele von den Herren ein Interesse an der inneren Mission betätigen würden, wenn sie nicht wahrgenommen hätten, daß Ew. und die Frau Prinzessin10 der Sache Höchstihre Teilnahme zuwenden. Ich bin nicht bestrebt, Mißtrauen zu wecken, wo Vertrauen besteht; aber ein Monarch kann ohne einiges Mißtrauen erfahrungsmäßig nicht fertig werden, und Ew. stehen dem hohen Beruf zu nahe, um nicht jedes Entgegenkommen daraufhin zu prüfen, ob es der Sache gilt, um die es sich gerade handelt, oder dem künftigen Monarchen und dessen Gunst. Wer von Ew. Vertrauen in der Zukunft etwas begehren will, der wird heut schon streben, eine Beziehung, ein Band zwischen sich und dem künftigen Kaiser herzustellen; und wie viele sind ohne geheimen Wunsch und Ehrgeiz? Und auch für den, der es ist, bleibt in unsern monarchisch gesinnten Kreisen das Streben nicht ohne Wirkung, in irgendwelchem näheren Verhältnis zum Monarchen zu stehen. Das Rote Kreuz und andere Vereine würden ohne I[hre] M[ajestät] die Kaiserin11 so viele Teilnahme nicht finden; das Verlangen, zum Hofe in Beziehung zu stehen, kommt der Nächstenliebe zu Hilfe. Das ist auch erfreulich und schadet der Kaiserin nicht. Anders ist es mit dem Thronerben. Unter den Namen, die Ew. nennen, ist keiner ganz ohne politischen Beigeschmack, und der Bereitwilligkeit, den Wünschen des hohen Protektors zu dienen, liegt die Hoffnung zugrunde, sich oder der Fraktion, der man angehört, den Beistand des künftigen Königs zu gewinnen. Ew. werden nach der Thronbesteigung die Männer und die Parteien mit Vorsicht und mit wechselnden Treffen nach Höchsteigenem Ermessen benutzen müssen, ohne die Möglichkeit, äußerlich einer unserer Fraktionen sich hinzugeben. Es gibt Zeiten des Liberalismus und Zeiten der Reaktion, auch der Gewaltherrschaft. Um darin die nötige freie Hand zu behalten, muß verhütet werden, daß Ew. schon als Thronfolger von der öffentlichen Meinung zu einer Parteirichtung gerechnet werden. Das würde nicht ausbleiben, wenn Höchstdieselben zur inneren Mission in eine organische Verbindung treten als Protektor. Die Namen von Benda und Miquel sind für mich nur ornamentale Zutaten; beide Ministerkandidaten der Zukunft; auf dem Gebiet der Mission werden sie aber Stoecker und andern Geistlichen gegenüber das Rennen bald aufgeben. Schon in dem Namen „Mission“ liegt ein Prognostikon dafür, daß die Geistlichkeit dem Unternehmen die Signatur [ Druckseite 312 ] geben wird, selbst dann, wenn das arbeitende Mitglied des Komitees nicht ein Generalsuperintendent sein würde. Ich habe nichts gegen Stoecker; er hat für mich nur den einen Fehler als Politiker, daß er Priester ist, und als Priester, daß er Politik treibt. Ich habe meine Freude an seiner tapferen Energie und an seiner Beredsamkeit12, aber er hat keine glückliche Hand; die Erfolge, die er erreicht, bleiben momentan, er vermag sie nicht unter Dach zu bringen und zu erhalten; jeder gleich gute Redner, und deren gibt es, entreißt sie ihm;13 zu trennen von der inneren Mission wird er nicht sein, und seine Schlagfertigkeit sichert ihm den maßgebenden Einfluß darin auf seine Amtsbrüder und die Laien. Er hat sich bisher einen Ruf erworben, der die Aufgabe, ihn zu schützen und zu fördern, nicht erleichtert; jede Macht im Staat ist stärker ohne ihn als mit ihm, in der Arena des Parteikampfes aber ist er ein Simson14. Er steht an der Spitze von Elementen, die mit den Traditionen Friedrich d[es] Gr[oßen] in schroffem Widerspruch stehen und auf die eine Regierung des Deutschen Reiches sich nicht würde stützen können. Mir hat er mit seiner Presse15 und seiner kleinen Anzahl von Anhängern das Leben schwer und die große konservative Partei unsicher und zwiespältig gemacht. Die „innere Mission“ aber ist ein Boden, auf dem er wie der Riese Antäus16 stets neue Kräfte saugen und auf dem er unüberwindlich sein wird. Die Aufgabe Ew. und Höchstihrer dereinstigen Minister würde wesentlich erschwert werden, wenn sie die Vertretung der „inneren Mission“ und der Organe derselben in sich schließen sollte. Der evangelische Priester ist, sobald er sich stark genug dazu fühlt, zur Theokratie ebenso geneigt wie der katholische und dabei schwerer mit ihm fertig zu werden, weil er keinen Papst über sich hat. Ich bin ein gläubiger Christ, aber ich fürchte, daß ich in meinem Glauben irre werden könnte, wenn ich, wie der Katholik, auf priesterliche Vermittlung zu Gott beschränkt wäre.

Ew. sprechen in Höchtdero Schreiben vom 21. v. M. die Meinung aus, daß ich Anlaß gehabt hätte, schon früher bei Höchstdenselben über die vorliegende Frage Erkundigungen einzuziehen; ich bin aber erst durch Ew. jüngstes Schreiben von der Lage der Sache informiert worden, und meine Antwort hat keine andere Unterlage als den Inhalt besagten Schreibens. Was ich bis dahin wußte, genügte zwar, um mir einige Sorge über Preßangriffe auf Ew. zu wecken, aber ich hatte zu wenig Glauben [ Druckseite 313 ] an den Ernst der Sache, um mich direkt an Höchstdieselben zu wenden. Erst der Brief vom 21. überzeugte mich vom Gegenteil.

Ew. wollen die freimütige Offenheit, mit der ich meine Ansicht in vorstehendem ausspreche, mit Nachsicht aufnehmen. Das Vertrauen, mit dem Hochdieselben mich jederzeit beehrt haben, und die Gewißheit, welche Ew. in betreff meiner ehrerbietigen Anhänglichkeit haben, lassen mich auf diese Nachsicht rechnen. Ich bin alt und matt und habe keinen andern Ehrgeiz mehr, als mir die Gnade des Kaisers und seiner Nachfolger zu bewahren, wenn ich meinen Herrn überleben sollte. Mein Pflichtgefühl gebietet mir, dem K[aiser]haus und dem Land ehrlich zu dienen, solange ich kann, und zu diesem Dienst gehört es, daß ich Ew. in Antwort auf Höchstdero Schreiben dringlich abrate, sich vor der Thronbesteigung schon die Fessel irgendwelcher politischen oder kirchlichen Vereinsbeziehung aufzuerlegen. Alle Vereine, bei welchen der Eintritt und die Tätigkeit der einzelnen Mitglieder von diesen selbst abhängig ist und von ihrem guten Willen und persönlichen Ansichten, sind als Werkzeuge zum Angreifen und Zerstören des Bestehenden sehr wirksam zu verwenden, aber nicht zum Bauen und Erhalten. Jeder vergleichende Blick auf die Ergebnisse konservativer und revolutionärer Vereinstätigkeit überzeugt von dieser bedauerlichen Wahrheit. Zum positiven Schaffen und Erhalten lebensfähiger Reformen ist bei uns nur der König an der Spitze der Staatsgewalt auf dem Wege der Gesetzgebung befähigt. Die Kaiserliche Botschaft bezüglich sozialer Reformen17 wäre ein toter Buchstabe geblieben, wenn ihre Ausführung von der Tätigkeit freier Vereine erwartet worden wäre; die können wohl Kritik üben und über Schäden Klage führen, aber heilen können sie letztere nicht.18 Das sichere Mißlingen ihrer Unternehmungen können die Vereinsmitglieder um so leichter tragen, als jeder nachher den andern anklagt; einen Thronfolger als Protektor aber trifft es schwerer in der öffentlichen Meinung. Mit Ew. in einem Verein zu sein, ist für jedes andere Mitglied ehrenvoll und nützlich ohne jedes Risiko; nur für Ew. tritt das umgekehrte Verhältnis ein; jedes Mitglied fühlt sich gehoben und macht sich wichtig mit dem Vereinsverhältnis zum Thronerben, und letzterer hat allein als Gegenleistung für die Bedeutung, welcher er dem Verein verleiht, nichts als die Gefahr des Mißlingens durch anderer Schuld. Aus dem anliegenden Ausschnitt der Freisinnigen Zeitung19, der mir heut [ Druckseite 314 ] zugeht, wollen Ew. huldreich ersehen, wie schon heut die Demokratie bemüht ist, Hochdieselben mit der sogenannten christlich-sozialen Fraktion zu identifizieren. Sie druckt die Sätze gesperrt, durch welche Ew. und meine Beziehungen zu dieser Fraktion ins Publikum gebracht werden sollen. Das geschieht von der Freisinnigen Zeitung doch gewiß nicht aus Wohlwollen oder um der Regierung des Kaisers einen Dienst zu erweisen. „Religiöse und sittliche Bildung der Jugend“ ist an sich ein ehrenwerter Zweck, aber ich fürchte, daß hinter diesem Aushängeschild andere Ziele politischer und hierarchischer Richtung verfolgt werden. Die unwahre Insinuation des Pastors Seydel [recte: Seidel]20, daß ich ein Gesinnungsgenosse sei und ihn und seine Genossen vorzugsweise als Christen betrachtete, wird mich zur Widerlegung nötigen, und dann wird es offenbar werden, daß zwischen den Herren und mir das Verhältnis ziemlich dasselbe ist wie mit jeder anderen Opposition gegen die jetzige Regierung S[eine]r Majestät.

Ich laufe Gefahr, in der Tat doch ein Buch zu schreiben; ich habe seit 20 Jahren zuviel unter der Giftmischerei der Herren von der Kreuzzeitung und den evangelischen Windthorsten gelitten, um in Kürze von ihnen reden zu können. Ich schließe dieses überlange Schreiben mit meinem untertänigen und herzlichen Dank für die Gnade und das huldreiche Vertrauen, welches Ew. Schreiben mir bekunden.

[ Druckseite 315 ]

Registerinformationen

Regionen

  • Bayern, Königreich
  • Frankreich
  • Österreich
  • Pommern, Provinz
  • Preußen
  • Rußland
  • Sachsen, Königreich
  • Württemberg, Königreich

Orte

  • Berlin
  • Dresden
  • Paris

Personen

  • Ahlfeld, Friedrich (1810–1884) , ev. Pfarrer in Leipzig
  • Augusta (1811–1890) , Deutsche Kaiserin und Königin von , Preußen
  • Auguste Viktoria (1858–1921) , Ehefrau Wilhelm II.
  • Benda, Robert von (1816–1899) , Rittergutsbesitzer in Rudow (Kreis Tel- , tow), MdR (nationalliberal)
  • Bruckner, Bruno (1824–1905) , Propst an der Berliner St. Nikolai-Kirche, Generalsuperintendent in Berlin
  • Friedrich II., der Große (1712–1786) , König von Preußen
  • Friedrich Wilhelm (1831–1888) , preußischer Kronprinz; später als Friedrich III. deutscher Kaiser
  • Frommel, Emil (1828–1896) , ev. Garnisonpfarrer in Berlin, Hofprediger
  • Griesheim, Gustav von (1798–1854) , Oberstleutnant in Koblenz
  • Hahn, Oskar (1831–1898) , Oberverwaltungsgerichtsrat in Berlin, MdR (konservativ)
  • Luise (1838–1923) , Großherzogin von Baden
  • Miquel, Dr. Johannes (1828–1901) , Oberbürgermeister von Frankfurt/M., MdR (nationalliberal)
  • Most, Johann (1846–1906) , Buchbinder, Redakteur, MdR (Sozialdemokrat)
  • Richter, Eugen (1838–1906) , Regierungsassessor a. D., Schriftsteller in Berlin, liberaler Parteiführer, MdPrAbgH, MdR (Fortschritt)
  • Seidel, August Ludwig (1850–1914) , ev. Pfarrer, Vereinsgeistlicher für Innere Mission in Dresden
  • Stoecker, Adolf (1835–1909) , Hofprediger in Berlin, MdR (konservativ)
  • Wagner, Dr. Adolph (1835–1917) , Professor für Staatswissenschaften in Berlin
  • Weber, Ludwig (1846–1922) , Sozialreformer, ev. Pfarrer in Mönchengladbach
  • Wichern, Johann Hinrich (1808–1881) , ev. Theologe in Hamburg, Begründer der Inneren Mission
  • Wilhelm I. (1797–1888) , Deutscher Kaiser und König von Preußen
  • Windthorst, Dr. Ludwig (1812–1891) , hannoverscher Staatsminister und Kronoberanwalt a. D., MdR, Zentrumsführer

Sachindex

  • Bundesrat
  • Bundesregierungen
  • Christentum
  • Innere Mission, siehe auch Vereine und Verbände, Zentralausschuß
  • Juden
  • Kirche
  • Kirche – evangelische, siehe auch Innere Mission
  • Kronrat, preußischer
  • Liberalismus, siehe auch Parteien
  • Papst, Papsttum
  • Pariser Kommune
  • Parteien
  • Parteien – Christlich-soziale Partei
  • Parteien – Konservative
  • Parteien – Sozialdemokraten
  • Presse
  • Presse – Freisinnige Zeitung
  • Presse – Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung
  • Presse – Norddeutsche Allgemeine Zeitung
  • Presse – Reichsglocke
  • Presse – Der Staats-Socialist
  • Regierung, siehe auch Bundesregierungen
  • Regierung, siehe auch Bundesregierungen – Preußen
  • Reichsregierung
  • Reichstag
  • Reichsverfassung
  • Revolution
  • Revolution – 1848/49
  • Soldaten
  • Soziale Frage
  • Sozialismus, Sozialisten, siehe auch Parteien
  • Tagelöhner
  • Thronreden
  • Thronreden – 17.11.1881 (Kaiserliche Sozialbotschaft)
  • Vereine und Verbände
  • Vereine und Verbände – Rotes Kreuz
  • 1Abschrift der Reinschrift von der Hand Kuno Graf zu Rantzaus mit Abänderungen Bismarcks: Bismarck-Archiv Friedrichsruh B 130, fol. 40─52; die Abänderungen Bismarcks erfolgten vermutlich für die beabsichtigte Veröffentlichung in seinen Erinnerungen (Erstveröffentlichung): Otto von Bismarck, Erinnerung und Gedanke, Stuttgart/Berlin 1919, S. 14─22.Herbert Graf v. Bismarck kennzeichnete das Schreiben seines Vaters sogar als Staatsschrift (vgl. dessen Brief an Kuno Graf zu Rantzau vom 7.1.1888, Druck: Staatssekretär Graf Herbert von Bismarck, hg. von Walter Bußmann, Göttingen 1964, S. 497); zur Reaktion des Adressaten Prinz Wilhelm vgl. dessen Antwort vom 14.1.1888 (Bismarck-Archiv Friedrichsruh B 130, fol. 59─60; Abdruck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 15, S. 469 f.), vgl. auch John C. G. Röhl, Wilhelm II. Die Jugend des Kaisers 1859─1888, München 1993, S. 727 f. »
  • 2Ausfertigung: Bismarck-Archiv Friedrichsruh B 130, fol. 53─58; Abdruck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 15, Berlin 1932, S. 464 f. »
  • 3Vgl. Nr. 76. »
  • 4Dabei handelte es sich um einen von Prinz Wilhelm verfaßten Erlaßentwurf an die deutschen Reichsfürsten aus Anlaß des (von ihm antizipierten) Ablebens des Kaisers Wilhelm I. und seines Vaters Friedrich Wilhelm; sein politischer Gehalt läßt sich in etwa auch aus den nachstehenden Ausführungen erschließen. »
  • 5Anspielung auf die Sentenz von Vergil (Aeneis, VII, 312): „Flectere si nequeo superos, acheronta movebo“: Wenn mich der Himmel nicht hört, dann ruf ich zu Hilfe die Hölle. »
  • 6Die europäischen Dynastien waren untereinander vielfach verwandt und verschwägert. »
  • 7Die Urheberschaft dieses geflügelten Wortes ist nicht eindeutig, sie gebührt vermutlich Wilhelm v. Merkel, der sie als Schlußvers seines Gedichtes „Die fünfte Zunft“ im Sommer 1848 verwendet hat. Außerdem war das Wort der Titel einer 1848 in Berlin erschienenen populären Broschüre, die anonym erschien und dem Oberstleutnant Gustav v. Griesheim zugeschrieben wurde. »
  • 8Vgl. zu den Kandidaten der demokratischen Linken in Pommern: Herman von Petersdorff (Hg.), Kleist-Retzow. Ein Lebensbild, Stuttgart u. Berlin 1907, S. 140 ff. »
  • 9Vgl. Nr. 76. »
  • 10Auguste Viktoria. »
  • 11Augusta (1811─1890), deutsche Kaiserin und Königin von Preußen, sie war 1871 Gründerin (nachfolgend Protektorin) des Verbands der Deutschen Frauen-Hilfs- und Pflegevereine unter dem Roten Kreuz, ihre Tochter Luise hatte den Badischen Frauenverein des Roten Kreuzes gegründet. »
  • 12In der Kronratssitzung vom 23.3.1888, die der Disziplinierung Stoeckers galt, äußerte Bismarck sich zu dessen Gunsten: Er für seine Person könne nicht umhin, der furchtlosen Art, mit welcher Stoecker seine politische Tätigkeit betreibe, sein Interesse zuzuwenden (GStA Berlin I. HA Rep. 90 a B III 2 c Nr. 3 Bd. 4, fol. 98─99 [fol. 98 Rs.]) bzw. Der Stoecker macht mir Freude wie jeder tapfere Mann (Robert Bosse, 10 Jahre im Reichsamt des Innern: GStA Berlin VI. HA NL Bosse [M] Nr. 1, fol. 168), über seine Beredsamkeit äußerte er, Stoecker habe ein Maul wie ein Schwert (Bismarck-Erinnerungen des Staatsministers Freiherrn Lucius von Ballhausen, Stuttgart und Berlin 1920, S. 443). »
  • 13Wohl Anspielung auf die rhetorische Niederlage Stoeckers gegenüber dem sozialdemokratischen Agitator Johann Most in der Eiskellerversammlung vom 3.1.1878. »
  • 14Biblischer Held und Kraftmensch gegen die Philister, der durch Frauenlist zu Fall gebracht wurde. »
  • 15Stoecker bzw. seine Ideen unterstützte die „Reichsglocke“, der „Staats-Socialist“ und ein erheblicher Teil der konservativen Presse, u. a. die sogenannte Kreuzzeitung. »
  • 16Sagengestalt der griechischen Mythologie, er konnte durch die Berührung der (seiner) Mutter Erde immer neue Kraft erhalten und konnte so die Fremden besiegen und töten. »
  • 17Vgl. Nr. 9. »
  • 18Vgl. Nr. 63. »
  • 19Der Artikel über Das zehnjährige Stiftungsfest der christlich-sozialen Partei (am 3.1.1888 in der Berliner Tonhalle) lautete: Stoecker pries die Erfolge der christlich-sozialen Partei in Dresden und in Sachsen überhaupt. Die Geschichte der Partei sei dort eine glücklichere als in Berlin. Sie habe aber dort auch keine Juden gegen sich, wenigstens keine so mächtigen Juden und auch keine N(orddeutsche) A(llgemeine) Z(eitung), die von Zeit zu Zeit das schöne Wachstum hindere. (...) Abg(eordneter) Hahn versuchte, die Christlich-Sozialen mit dem Banner der kaiserlichen Botschaft zu decken. Pastor Seydel (recte: Seidel) in Dresden bezeichnete den Reichskanzler als geheimes Mitglied der chrstlichsozialen Partei, der sich gewiß auch offen als solches bekennen werde. (...) Prof. Wagner klagt, daß die Christlich-Sozialen in Geheimrats- und Geheimen Kommerzienratskreisen so wenig Freunde hätten. Die Unpopularität der christlichen-sozialen Bestrebungen und Personen bewiesen aber nichts; Bismarck sei bei der Inauguration seiner großen deutschen Politik auch unpopulär gewesen. (...) Während des Kommerses zirkulierte zur Unterschrift eine Adresse an den Prinzen Wilhelm, worin demselben der Dank für die Unterstützung eines Werkes der sittlichen und religiösen Erziehung und Bildung der Jugend ausgesprochen wird (Freisinnige Zeitung Nr. 4 vom 5.1.1888; die im Artikel gesperrt bzw. fett gedruckten Passagen sind hier durch Unterstreichungen hervorgehoben. Der Bericht selbst war in der Inhaltsübersicht in Fettdruck angekündigt mit Eine Vertrauensadresse für den Prinzen Wilhelm ─ Allerlei Stöckerei). Vgl. über die Feier zum 10jährigen Gründungsjubiläum der Christlichensozialen Partei auch die entsprechenden Artikel in der Neuen Preußischen Zeitung Nr. 4 vom 5.1.1888 und der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ Nr. 9 vom 5.1.1888. »
  • 20August Ludwig Seidel (1850─1914), seit 1878 Vereinsgeistlicher für Innere Mission in Dresden. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 1. Band, Nr. 77, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 1. Band: Grundfragen der Sozialpolitik. Die Diskussion der Arbeiterfrage auf Regierungsseite und in der Öffentlichkeit, bearbeitet von Wolfgang Ayass, Florian Tennstedt und Heidi Winter. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.01.00.0077

Nachnutzung: Digitale Quellensammlung und Forschungsdaten stehen unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International (CC-BY 4.0) Lizenz. Weiterverwendung unter Namensnennung und Angabe des Permalinks.