II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 168

1884 Mai 15

Bericht1 über die 18. Sitzung der VII. Kommission des Reichstags

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[Beratung über die Aufgaben der Reichspost als “Zahlstelle” der gesetzlichen Unfallversicherung]

In der Sitzung vom 15. beantragte Abg. Buhl Einschiebung eines § 67 a, wonach auf Antrag des Verletzten unter Zustimmung des zuständigen Armenverbandes für die ganze Rente oder einen Teil derselben eine Kapitalabfindung gewährt werden können sollte. Der Antrag wurde abgelehnt, dagegen bei Ausländern auf Antrag desselben Abgeordneten die Ablösung des Rentenanspruches durch Kapitalzahlung zugelassen. Zu § 69 (Auszahlung durch die Post) gab Abg. v. Hertling die aufsehenerregende Erklärung ab, daß der früher mit so großer Entschiedenheit vom Zentrum abgelehnten Zuziehung der Post zum Auszahlungsgeschäfte diese Partei sich “vorerst” nicht weiter widersetzen wolle, “um das Zustandekommen des Gesetzes nicht zu gefährden”. Von Deutsch-Freisinniger Seite wurden Bedenken gegen diese Form des Reichszuschusses geltend gemacht, u. a. wurde der Zinsverlust, welcher der Postverwaltung auf diese Weise erwachse, auf etwa eine Million Mark berechnet, wozu noch die kolossale Vermehrung der Arbeitslast für die Postbeamten komme. Es wurde zugleich darauf hingewiesen, daß der Gesamtheit der Steuerzahler damit Leistungen auferlegt würden, welche von Rechts wegen die Arbeitgeber zu tragen hätten. Die Regierungsvertreter, verstärkt durch Geh. Oberpostrat Kramm2, betonten, daß die Geschäftslast der Post durch die ihr in der Vorlage zugewiesenen Aufgaben nicht allzusehr erhöht werde, daß übrigens die unentgeltliche Tätigkeit und die zinsenfreie Geldvorlage der Post als ein Reichszuschuß gemeint sei und die Regierung von ihrer Überzeugung, daß ein solcher angemessen und notwendig sei, in keiner Weise abgehe. Die Kommission nahm darauf gegen die Stimmen der Deutsch-Freisinnigen Mitglieder die §§ 69 bis 74, welche die Auszahlung durch die Post regeln, mit unwesentlichen redaktionellen Änderungen an. Zu § 75 wurde ein Antrag des Abg. Dr. Buhl abgelehnt, gegen den auch sein Parteigenosse Oechelhäuser stimmte, wonach die Vorschüsse der Post durch die Berufsgenossenschaften verzinst werden sollten. Die §§ 75, 76 und 77, welche von der Abführung der Beiträge an die Postkassen und von der Rechnungsführung handeln, wurden somit ebenfalls unverändert angenommen; damit war der V. Abschnitt in erster Lesung erledigt.

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Registerinformationen

Personen

  • Bödiker, Tonio (1843─1907) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Boetticher, Karl Heinrich von (1833─1907) Staatssekretär des Innern
  • Bosse, Robert (1832─1901) Direktor der II. Abteilung für wirtschaftliche Angelegenheiten im Reichsamt des Innern
  • Gamp, Karl (1846─1918) Geh. Regierungsrat im preuß. Handelsministerium bzw. Reichsamt des Innern
  • Jencke, Johann Friedrich (1843─1910) Direktoriumsvorsitzender bei Krupp
  • Krupp, Alfred (1854─1902) Großindustrieller
  • 1ZfV, 8. Jg. 1884, S. 278, Sitzungsprotokoll: BArchP 01.01 Nr. 3081, fol. 261─263 Rs., Anträge: fol. 264─270. »
  • 2Nicht ermittelt. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 168, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.02.01.0168

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