II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 147

1884 März [9]

Ausarbeitung1 des Geheimen expedierenden Sekretärs und Kalkulators Gustav Behm2 für den Geheimen Regierungsrat Tonio Bödiker

Abschrift

[Innerhalb einer Zeitspanne von 75 Jahren ist die von der Industrie für die Aufbringung der Unfallast zu bezahlende Summe der Leistungen (Gesamtwert) ungefähr gleich ─ unabhängig von Umlageverfahren oder Kapitaldeckungsverfahren; zu Anfang aber ist - je nach der Gestaltung des Reservefonds ─ das “Opfer, welches die Industrie zu tragen hat, nach dem Umlageverfahren erheblich geringer als nach dem Anlageverfahren”, ersteres erfordert zunächst nur 5─10 v. H. des letzteren, sofern man den Reservefonds nicht berücksichtigt bzw. entsprechend niedrig hält]

Die Leistungen der Industrie zur Aufbringung der Unfallast werden ihrem Werte nach durch die Verschiedenheit des Erhebungsverfahrens3 nicht berührt. Der Wert der Gesamtleistung kann nur bemessen werden, wenn die Vergleichung von dem Zeitpunkt der Eröffnung des Unternehmens ihren Ausgangspunkt nimmt.

Nach dem Umlageverfahren hat die Industrie, wie die Berechnung nach den früher gegebenen Zahlen der Steigerung der Einzahlungen ergibt, eine Leistung zu übernehmen, welche für den Zeitpunkt der Eröffnung des Unternehmens einen Kapitalwert repräsentiert von 351 148 000 M (Berechnet für 1 615 253 männliche Arbeiter.)

Würde dieses Kapital bar eingezahlt, so brauchte das Umlageverfahren nicht stattzufinden.

Werden Deckungskapitalien mit jährlich 13 510 564 M (für den Anfang jeden Jahres geltend) erhoben, so repräsentiert diese Gesamtleistung einen Kapitalwert von 13 510 564 x 26 = 351 275 000 M.

(Die bedeutungslose Differenz originiert aus den grundverschiedenen Wegen, auf welchen bei Berechnung der Deckungskapitalien und der Umlagebeträge vorgegangen ist.)

Anfänglich ist das Opfer, welches die Industrie zu tragen hat, nach dem Umlageverfahren erheblich geringer als nach dem Anlageverfahren. Bis zum Ablauf des xten Jahres sind unter Anrechnung von Zinsen und Zinseszinsen gezahlt:

[ Druckseite 534 ]
Jahr nach dem Umlage- verfahren nach dem Anlage- verfahren Differenz (Reserve- fonds)
am Schluß des M M M

1. Jahres

710 000

14 050 000

13 340 000

2. Jahres

2 520 000

28 660 000

26 140 000

3. Jahres

5 480 000

43 860 000

38 380 000

4. Jahres

9 610 000

59 670 000

50 060 000

5. Jahres

14 910 000

76 100 000

61 190 000

6. Jahres

21 250 000

93 200 000

71 950 000

7. Jahres

28 920 000

110 980 000

82 060 000

8. Jahres

37 790 000

129 470 000

91 680 000

9. Jahres

47 860 000

148 700 000

100 840 000

10. Jahres

59 140 000

168 700 000

109 560 000

15. Jahres

134 240 000

281 360 000

147 120 000

17. Jahres

173 300 000

332 980 000

159 680 000

20. Jahres

242 200 000

418 420 000

176 220 000

25. Jahres

387 160 000

585 170 000

198 010 000

30. Jahres

574 540 000

788 060 000

213 520 000

35. Jahres

811 070 000

1 034 880 000

223 810 000

40. Jahres

1 105 370 000

1 337 310 000

232 360 000

45. Jahres

1 467 610 000

1 700 590 000

232 980 000

50. Jahres

1 911 380 000

2 145 160 000

233 780 000

75. Jahres

6 060 810 000

6 303 770 000

242 960 000

Die Differenzen (Zahlen in der 4. Spalte) geben den Reservefonds nicht ganz genau an, weil dieselben voraussetzen, daß die Zahlung der Unfallkompetenzen jedes Jahres erst mit Beginn des nächstfolgenden stattfinde.)

Von den 6 060 810 000 M, welche mit Zinseszins in dem Zeitraum von 75 Jahren nach dem Umlageverfahren geleistet werden, originieren

2 671 350 000 M aus den ersten 17 Jahren und 3 389 460 000 M aus den letzten 58 Jahren. Von den 6 303 770 000 M, welche in dem Zeitraum von 75 Jahren nach dem Modus der Deckungskapitalien zu leisten sind, entstammen 3 238 550 000 M aus den ersten 17 Jahren und 3 165 220 000 M aus den letzten 58 Jahren. Während der ersten 17 Jahre werden geleistet:

Nach Deckungskapitalien:

332 980 000 M

nach dem Umlageverfahren:

173 300 000 M

nach Deckungskapitalien mehr:

159 680 000 M

Während der letzten 58 Jahre (für den Schluß desselben gerechnet) werden mit Zinseszins geleistet:

Nach Deckungskapitalien:

3 165 220 000 M

nach dem Umlageverfahren:

3 389 460 000 M

Nach Deckungskapitalien weniger:

224 240 000 M

[ Druckseite 535 ]

Registerinformationen

Personen

  • Bamberger, Ludwig (1823─1899) Politiker und Schriftsteller, MdR (nationalliberal/Liberale Vereinigung)
  • Boetticher, Karl Heinrich von (1833─1907) Staatssekretär des Innern
  • Vollmar, Georg von (1850─1922) bayer. Offizier a.D. und Redakteur, MdR (Sozialdemokrat)
  • 1BArchP 15.01 Nr. 389, fol. 173─174 Rs. Der Bericht ist eine Anlage zu einer internen Stellungnahme Tonio Bödikers vom 11.3.84 (ebd., fol. 171─172 Rs.) auf die Einwände der Zeitschrift “Die Nation” zum Unfallversicherungsgesetzentwurf (Artikelserie “Die ‘Grundzüge’ zum dritten Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes”: 1. Jg. 1884, Nr. 16, S. 222 f., Nr. 17, S. 237 ff., Nr. 19, S. 270 ff., Nr. 20, S. 382 ff., Nr. 91, S. 294ff., Nr. 22, S. 309 ff., Nr. 23, S. 321 ff., Nr. 25, S. 356 ff.); danach erfolgte die von den Bearbeitern vorgenommene Datierung. Auf den Zahlenangaben dieser Ausarbeitung beruht auch der offiziöse Artikel in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung (Nr. 171) v. 10.4.1884 über die Unfallvorlage in der Reichskommission. Die Motive der dritten Unfallversicherungsvorlage. »
  • 2Vgl. Nr. 1 Anm. 12. »
  • 3Umlage- oder Anlage- bzw. Kapitaldeckungsverfahren. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 147, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.02.01.0147

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