II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 128

1883 November 26

Bericht1 des bayerischen Gesandten in Berlin Hugo Graf von und zu Lerchenfeld-Koefering an den bayerischen Staatsminister des königlichen Hauses und Außenminister Krafft Freiherr von Crailsheim

Ausfertigung

[Aufgrund der Pressemitteilungen über den Konflikt zwischen Bismarck und Lohmann ist letzterer nun endgültig persona non grata]

Der Reichskanzler, dessen Befinden sich seit den letzten Wochen fortwährend bessert, hat sich vor einigen Tagen die Grundzüge für die Unfallversicherung vorlegen lassen2 und wird nach Studium derselben mit Herrn von Boetticher darüber in Friedrichsruh konferieren.

Wie mir letzterer mitteilt, ist auch der betreffende Gesetzentwurf inzwischen fertiggestellt.

Geheimer Oberregierungsrat Lohmann hat sich an diesen Arbeiten nicht beteiligt und ist bei dem Reichskanzler endgültig in Ungnade gefallen. Nicht wenig haben dazu die Zeitungsartikel beigetragen, welche die Differenz zwischen dem Reichskanzler und diesem Vortragenden Rat behandelten und Geheimen Oberregierungsrat Lohmann zu einer selbständigen Potenz3 in der Sozialgesetzgebung erheben wollten. Einige Artikel in welfisch-hannoverischen Blättern scheinen den Reichskanzler besonders verstimmt zu haben, weil er ─ wenn auch wohl mit Unrecht ─ vermutete, daß Herr Lohmann, der Hannoveraner ist, diesen Stimmen vielleicht nicht ferne stünde.

Hierin dürfte die Veranlassung zu dem direkt gegen Lohmann gerichteten Entrefilet in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 24. November Nr. 551 liegen.4

[ Druckseite 443 ]

Registerinformationen

Personen

  • Bismarck, Wilhelm Graf von (1852─1901) Regierungsrat in der Reichskanzlei
  • Bödiker, Tonio (1843─1907) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Rantzau, Kuno Graf zu (1843─1917) Legationsrat im Auswärtigen Amt, Schwiegersohn Bismarcks
  • Spitzemberg, Hildegard Freifrau von (1843─1914) Freundin des Hauses Bismarck, Tochter Karl Frhr. v. Varnbühlers
  • 1BayHStA MA 77380, n.fol. »
  • 2Aus einem Randvermerk v. Boettichers auf dem Anschreiben Gamps vom 26.10.1883 (vgl. Nr. 125 Anm. 32) ergibt sich, daß dieses am 20.11.1883 geschah. »
  • 3In diesem Sinne schilderte auch Heinrich von Poschinger den Konflikt zwischen Bismarck und Theodor Lohmann nur als “Konflikt”. “Die Zeitungen haben sehr unrecht getan, hier von einem ‘Konflikt’ Bismarcks mit Lohmann zu sprechen. Der Reichskanzler kann doch höchstens in eine Meinungsverschiedenheit mit einem Rate seines Ministeriums gelangen, und wenn dieselbe nicht beglichen wird, so ergibt es sich von selbst, daß eine Referatsvertauschung eintritt, da doch keinem Beamten zugemutet werden kann, eine Vorlage gegen seine Überzeugung auszuarbeiten und zu vertreten”, was ─ so kann hinzugefügt werden ─ Lohmann bis dahin offiziell getan hatte. (Bismarck und der Bundesrat, Bd. 5, 1901, S. 64) »
  • 4Vgl. das Zitat in Nr. 127 [S. 440]. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 128, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.02.01.0128

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