II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 102

1883 August 18

Brief1 des Legationsrates Kuno Graf zu Rantzau2 an seinen Schwager, den Legationsrat Herbert Graf von Bismarck3

Eigenhändige Ausfertigung, Teildruck

[Mitarbeiter Bismarcks haben diesem die “höchst unpraktischen Ideen” Lohmanns nicht übermittelt]

[...] Ich wollte so sehr gern, daß Ihr noch nach Gastein ginget und glaube, daß der Papa sich wegen der sozialpolitischen Gesetze unnötige Sorgen macht.4 Der Kollege, dessen Widerhaarigkeit er furchtet, ist Lohmann. Der hat nun allerdings mannigfache höchst unpraktische Ideen, von denen wir dem Papa nie gesprochen haben, aber Rottenburg hat vor seiner Abreise5 sehr ernst mit ihm und Bosse gesprochen, und Rottenburg und ich haben Boetticher beschworen, daß die Entwürfe absolut in der von Papa gegebenen Direktive gemacht werden, was Boetticher sicher versprochen hat. Lohmann weiß, daß er nachgeben muß und wird sich wohl hüten, Schwierigkeiten zu machen. Er ist doch auch einerlei, ob die Gesetze 4 Wochen später fertig werden, wenn durch die Verzögerung die Gesundheit der Eltern Nutzen hat.

Ich hatte eigentlich wieder zur Hühnerjagd zu Ohlen6 gewollt, aber er schreibt mir, daß seine Hühner zum großen Teil ersoffen sind, und da will ich ihm den Rest nicht totschießen und spare auf diese Weise die langweilige Reise und das Geld, welches sie kosten würde. Statt dessen hoffe, ich zur Brunftzeit einen Hirsch schießen zu können, den mir Lucius7 bei Stettin hat anweisen lassen. [...]

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Registerinformationen

Personen

  • Bödiker, Tonio (1843─1907) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Oechelhäuser, Wilhelm (1820─1902) Industrieller, MdR (nationaliberal)
  • 1Bism.Arch. Friedrichsruh, D 25, n.fol. »
  • 2Kuno Graf zu Rantzau (1843─1917), Legationsrat im Auswärtigen Amt, Schwiegersohn Bismarcks. »
  • 3Vgl. Nr. 15 Anm. 4; Herbert von Bismarck war seit November 1882 als Erster Botschaftssekretär in London, daneben aber zwischenzeitlich weiter als Privatsekretär seines Vaters tätig. »
  • 4In seinem Brief vom 15.8.1883 hatte Herbert Graf von Bismarck an seinen Schwager geschrieben: Er sprach heut davon (seinen Kissinger Urlaub durch einen in Gastein fortzusetzen), hat aber sehr wenig Lust dazu, hauptsächlich, weil er meint, er müsse in 3─4 Wochen schon viel für die Reichstagsvorlagen (soziale Gesetzgebung) arbeiten u. dabei könne Gastein ihm nicht gut tun. Ich sagte ihm “laß das Zeug noch einige Wochen warten”, er erwiderte jedoch, das würde nicht gehn, weil er mit verschiedenen seiner Kollegen, die zuviel nachgeben wollen (gemeint ist hier wohl das von ihm bei der Lektüre der Protokolle der Ausschußberatungen ─ vgl. Nr. 83, 88 u. 89 ─ bemerkte, liberalen Forderungen etwas entgegenkommende Verhalten Bosses und Lohmanns), sehr anderer Meinung sei. (Bism.Archiv Friedrichsruh D 25, n.fol.) »
  • 5Dieser Termin ist nicht bestimmbar, soweit damit die Abreise Bismarcks (und v. Rottenburgs!) von Berlin nach Friedrichsruh gemeint ist, dürfte es etwa der 1.7. gewesen sein. »
  • 6Dr. Kurt von Ohlen und Adlerscron (1846─1900), Gutsbesitzer im Kreis Grottkau, ehem. (1879─1881) MdR (nationalliberal). »
  • 7Dr. Robert Lucius, vgl. Nr. 23 Anm. 2, konnte dieses wohl als preuß. Landwirtschaftsminister in den königlichen Forsten verfügen. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 102, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.02.01.0102

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