II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 84

1883 Mai 25

Bericht1 über die neunte Sitzung der VIII. Reichstagskommission

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[Beratung über die weitere Vorgehensweise, insbesondere mit dem Präjudizialantrag Hertling, positive Beschlußfassung über die §§ 1─4 der zweiten Unfallversicherungsvorlage]

Die Reichstagskommission zur Beratung des Arbeiterunfallversicherungsgesetzes hielt am 27. [recte: 25] d. M. eine Sitzung, in welcher es zu einem Zwiespalt zwischen zwei namhaften Mitgliedern des Zentrums kam, welchem allseitig eine größere Beachtung beigelegt wird. Die Kommission beschloß nämlich, auf die Fortsetzung der “informatorischen” Beratung der Prinzipien zu verzichten und in die erste Lesung der Vorlage einzutreten. Dies präjudizierte zwar nicht den Vorschlag, nach Durchberatung der prinzipiellen §§ 1─14, 33, 97, 98 einen Vorbericht an das Plenum zu erstatten. Die von dem Abgeordneten von Hertling beantragte Resolution, welche in erster Linie dahinging, der Reichstag wolle beschließen, auf

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eine vollständige Durchberatung des Gesetzentwurfs zu verzichten, wurde von dem Antragsteller daher nur vorläufig zurückgezogen, aber der Fraktionsgenosse desselben, Freiherr zu Franckenstein, hatte als Vorsitzender das Recht der Kommission, auf die Ausübung einer Pflicht zu “verzichten”, in Abrede gestellt. Frhr. v. Hertling hat infolgedessen nicht nur das Referat über die Vorlage abgegeben, sondern auch sein Mandat zur Kommission niedergelegt. Zum Referenten an seiner Stelle wird voraussichtlich Frhr. v. Maltzahn-Gültz bestellt werden.2 Es scheint, daß die oppositionelle Bedeutung, welche dem Antrag Hertlings allerseits beigelegt worden war, und das Mißfallen, welches derselbe bei der Regierung erregte, das Zentrum zu dem einlenkenden Verhalten bewog, das in dem Auftreten des Abgeordneten v. Franckenstein sich bekundete.3 Im Laufe der Debatte wurden sodann die Paragraphen 1─4 des Gesetzes unverändert in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen.

Registerinformationen

Personen

  • Franckenstein, Georg Arbogast Freiherr von und zu (1825─1890) Jurist und Gutsbesitzer, MdR (Zentrum), Vizepräsident des Reichstags
  • Lohmann, Theodor (1831─1905) Geheimer Oberregierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Wendt-Papenhausen, Karl Freiherr von (1832─1903) Rittergutsbesitzer, MdR (Zentrum)
  • Wyneken, Dr. Ernst Friedrich (1840─1905) Philosoph und Theologe, Freund Theodor Lohmanns
  • 1ZfV, 7. Jg. 1883, S. 266, Sitzungsprotokoll: BArchP 01.01 Nr. 3080, fol. 225─227 Rs. »
  • 2Laut Sitzungsprotokoll erklärte v. Hertling, daß er als Referent (des Kommissionsberichtes) nicht mehr funktionieren könne, da ihn seine Berufsgeschäfte daran hindern; tatsächlich wurde es Karl Freiherr v. Wendt-Papenhausen, vgl. Nr. 94 Anm. 3. »
  • 3Aus dem Gespräch zwischen Bismarck und v. Hertling (vgl. Nr. 77 Anm. 2) geht hervor, daß Bismarck gewöhnlich mit Frhr. v. Franckenstein über die parlamentarische Lage redete, für eine direkte Intervention Bismarcks geben die Akten keinen Anhalt. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 84, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.02.01.0084

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