II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 57

1882 Mai 8

Endfassung1 der zweiten Unfallversicherungsvorlage

Druck, Teildruck2

[Zwangsversicherung unter Haftungsausschluß bis zur Grenze groben Verschuldens, Risikoverteilung auf der Grundlage von Gefahrenklassen auf Reichsebene, denen Industriebetriebe zugeordnet werden, mit anschließender Gliederung in Betriebsgenossenschaften und Betriebsverbände auf territorialer bzw. bezirklicher Ebene, auch Versicherung der Bauarbeiter, Versicherungspflichtgrenze bei 2000 M, 13wöchige Karenzzeit, Höchstjahresarbeitsverdienst 1200 M, Beiträge von Arbeitgebern mit Reichszuschuß in Höhe von 25 Prozent (Beitragsfreiheit für Arbeiter), Umlageprinzip, Unternehmerverwaltung mit Arbeiterausschuß, Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften durch die Genossenschaften]

Entwurf eines Gesetzes betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

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§ 1

Alle in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brüchen und Gruben, auf Werften, in Fabriken und Hüttenwerken beschäftigten Arbeiter und Betriebsbeamten, letztere, sofern ihr Jahresarbeitsverdienst an Lohn oder Gehalt zweitausend Mark nicht übersteigt, werden gegen die Folgen der beim Betriebe sich ereignenden Unfälle nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes versichert.

Dasselbe gilt von Arbeitern und Betriebsbeamten, welche von einem Gewerbtreibenden, dessen Gewerbebetrieb sich auf die Ausführung von Bauarbeiten erstreckt, in diesem Betriebe beschäftigt werden, sowie von sonstigen bei der Ausführung von Bauten beschäftigten Arbeitern und Betriebsbeamten, soweit dieselben nicht, ohne im Dienste eines Gewerbtreibenden der bezeichneten Art zu stehen, lediglich einzelne Reparaturarbeiten ausführen.

Den vorstehend aufgeführten gelten im Sinne dieses Gesetzes diejenigen Betriebe gleich, in welchen Dampfkessel oder durch elementare Kraft (Wind, Wasser, Dampf, Gas, heiße Luft usw.) bewegte Triebwerke zur Verwendung kommen, mit [ Druckseite 214 ] Ausnahme derjenigen Betriebe, für welche nur vorübergehend eine nicht zu der Betriebsanlage gehörende Kraftmaschine benutzt wird.

Auf Eisenbahn- und Schiffahrtsbetriebe finden die Bestimmungen dieses Gesetzes nur dann Anwendung, wenn sie als integrierende Bestandteile eines der vorbezeichneten Betriebe lediglich für diesen bestimmt sind.

Für die Betriebsarten, welche mit Unfallgefahr für die darin beschäftigten Personen nicht verknüpft sind, kann durch Beschluß des Bundesrats die Versicherungspflicht ausgeschlossen werden.

§ 2

Als Gehalt oder Lohn im Sinne dieses Gesetzes gelten auch Tantiemen und Naturalbezüge. Der Wert der letzteren ist nach Ortsdurchschnittspreisen in Ansatz zu bringen.

Als Jahresarbeitsverdienst gilt, soweit sich derselbe nicht aus mindestens wochenweise fixierten Beträgen zusammensetzt, das dreihundertfache des durchschnittlichen täglichen Arbeitsverdienstes. Für Arbeiter in Betrieben, in welchen die übliche Betriebsweise für den das ganze Jahr regelmäßig beschäftigten Arbeiter eine höhere oder niedrigere Anzahl von Arbeitstagen ergibt, wird diese Zahl statt der Zahl dreihundert der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes zugrunde gelegt.

§ 3

Auf Beamte, welche in Betriebsverwaltungen des Reichs, eines Bundesstaats oder eines Kommunalverbandes mit festem Gehalt und Pensionsberechtigung angestellt sind, findet dieses Gesetz keine Anwendung.

§ 4

Gegenstand der Versicherung ist der nach §§ 5 und 6 zu bemessende Ersatz des Schadens, welcher durch eine Körperverletzung oder durch Tötung entsteht.

§ 5

Der Schadensersatz soll im Falle der Verletzung bestehen

1. in den Kosten des Heilverfahrens, welche vom Beginn der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls3 an entstehen;

2. in einer dem Verletzten vom Beginn der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls an für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit zu gewährenden Rente.

Dieselbe ist nach Maßgabe desjenigen Arbeitsverdienstes zu berechnen, welchen der Verletzte während des letzten Jahres seiner Beschäftigung in dem Betriebe, wo der Unfall sich ereignete, an Gehalt oder Lohn durchschnittlich für den Arbeitstag bezogen hat (§ 2), soweit derselbe vier Mark nicht übersteigt.

War der Verletzte in dem Betriebe nicht ein volles Jahr, von dem Unfalle zurückgerechnet, beschäftigt, so ist der Betrag zugrunde zu legen, welchen während [ Druckseite 215 ] dieses Zeitraumes Arbeiter derselben Art in demselben Betriebe oder in benachbarten gleichartigen Betrieben durchschnittlich bezogen haben.

Die Rente beträgt:

a) im Falle völliger Erwerbsunfähigkeit und für die Dauer derselben sechsundsechzig zwei Drittel Prozent des Arbeitsverdienstes;

b) im Falle der teilweisen Erwerbsunfähigkeit und für die Dauer derselben einen Bruchteil der Rente unter a, welcher nach dem Maße der verbliebenen Erwerbsfähigkeit zu bemessen ist, jedoch nicht über fünfzig Prozent des Arbeitsverdienstes betragen darf.

§ 6

Im Falle der Tötung ist als Schadenersatz außerdem zu leisten:

1. Als Ersatz der Beerdigungskosten das Zwanzigfache des nach § 5 Nr. 2 Absatz 2, 3 für den Arbeitstag ermittelten Verdienstes.

2. Eine den Hinterbliebenen des Getöteten vom Todestage an zu gewährende Rente, welche nach der Vorschrift des § 5 Nr. 2 Absatz 2 und 3 zu berechnen ist.

Dieselbe beträgt:

a) für die Witwe des Getöteten bis zu deren Tode oder Wiederverheiratung zwanzig Prozent, für jedes hinterbliebene vaterlose Kind bis zu dessen zurückgelegten fünfzehnten Lebensjahr zehn Prozent und, wenn das Kind auch mutterlos ist oder wird, fünfzehn Prozent des Arbeitsverdienstes.

Die Renten der Witwen und der Kinder dürfen zusammen fünfzig Prozent des Arbeitsverdienstes nicht übersteigen; ergibt sich ein höherer Betrag, so werden die einzelnen Renten in gleichem Verhältnisse gekürzt.

Im Falle der Wiederverheiratung erhält die Witwe den dreifachen Betrag ihrer Jahresrente.

Der Anspruch der Witwe und der Kinder derselben ist ausgeschlossen, wenn die Ehe erst nach dem Unfalle geschlossen worden ist;

b) für Aszendenten des Verstorbenen, wenn dieser ihr einziger Ernährer war, für die Zeit bis zu ihrem Tode oder bis zum Wegfall der Bedürftigkeit zwanzig Prozent des Arbeitsverdienstes.

Wenn mehrere der unter b benannten Berechtigten vorhanden sind, so wird die Rente den Eltern vor den Großeltern gewährt.

Wenn die unter b bezeichneten mit den unter a bezeichneten Berechtigten konkurrieren, so haben die ersteren einen Anspruch nur, soweit für die letzteren der Höchstbetrag der Rente nicht in Anspruch genommen wird.

Die Hinterbliebenen eines Ausländers, welche zur Zeit des Unfalls nicht im Inlande wohnten, haben keinen Anspruch auf die Rente.

§ 7

Die Versicherung erfolgt durch die Unternehmer der unter § 1 fallenden Betriebe auf Gegenseitigkeit, und zwar in der Weise, daß die nach §§ 5, 6 zu leistenden Entschädigungen nach Abzug von fünfundzwanzig Prozent, welche vom Reiche gewährt werden4,

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1. mit sechzig Prozent der Gesamtheit aller Unternehmer derjenigen Gefahrenklasse (§ 10), welcher der von dem Unfalle betroffene Betrieb angehört,

2. mit fünfzehn Prozent der Betriebsgenossenschaft (§ 11), welcher, oder dem Betriebsverbande (§ 14), welchem der von dem Unfall betroffene Betrieb angehört,

zur Last fallen.

§ 8

Die Ansprüche, welche den Versicherten gegen eingeschriebene Hilfskassen, sowie gegen sonstige Kranken-, Sterbe-, Invaliden- und andere Unterstützungskassen zustehen, werden durch die den Versicherten in Gemäßheit der §§ 5, 6 zustehenden Ansprüche nicht berührt.

Die auf gesetzlicher Vorschrift beruhende Verpflichtung der bezeichneten Kassen, den durch Betriebesunfälle betroffenen Arbeitern und deren Hinterbliebenen Unterstützungen zu gewähren, wird insoweit aufgehoben, als die Versicherung nach Maßgabe dieses Gesetzes Platz greift.

Die auf gesetzlicher Vorschrift beruhende Verpflichtung von Gemeinden oder Armenverbänden zur Unterstützung hilfsbedürftiger Personen wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Soweit aufgrund dieser Verpflichtung Unterstützungen für einen Zeitraum geleistet sind, für welchen dem Unterstützten aufgrund dieses Gesetzes ein Entschädigungsanspruch zusteht, geht der letztere bis zum Betrage der geleisteten Unterstützung auf die Gemeinden oder die Armenverbände über, von welchen die Unterstützung geleistet ist.

Das gleiche gilt von den Betriebsunternehmern und Kassen, welche die den bezeichneten Gemeinden und Armenverbänden obliegende Verpflichtung zur Unterstützung aufgrund gesetzlicher Vorschrift erfüllt haben.

§ 9

Jeder Unternehmer eines unter den § 1 fallenden Betriebes muß für denselben einer Gefahrenklasse (§ 10) und entweder einer Betriebsgenossenschaft (§ 11) oder einem Betriebsverbande (§ 14) angehören.5

Als Betriebsunternehmer gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb erfolgt.

Für die in § 1 Absatz 2 bezeichneten Betriebe gilt als Betriebsunternehmer, soweit es sich um Arbeiter und Betriebsbeamte handelt, welche von einem Gewerbtreibenden beschäftigt werden, dieser, für sonstige bei der Ausführung eines Baues beschäftigte Personen derjenige, welcher die Ausführung eines Baues im ganzen als Unternehmer übernommen hat, sofern ein solcher nicht vorhanden, der Bauherr.

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Über die Ausführung dieser Bestimmung können nähere Vorschriften durch Beschluß des Bundesrats erlassen werden.

§ 10

Sämtliche im Reichsgebiete belegenen, nach § 1 versicherungspflichtigen Betriebe werden in Gefahrenklassen eingeteilt. Sämtliche Betriebe derjenigen Industriezweige und Betriebsarten, für welche eine durchschnittlich gleiche Unfallgefahr besteht, bilden zusammen eine Gefahrenklasse.6

Das Verhältnis, in welchem die Gefahrenklassen hinsichtlich des Durchschnittsmaßes ihrer Unfallgefahr zueinander stehen, wird ziffermäßig in der Weise festgestellt, daß das Durchschnittsmaß für die höchste Gefahrenklasse gleich 100 gesetzt und danach das Durchschnittsmaß aller übrigen Gefahrenklassen in Prozentsätzen bemessen wird.7

Die Einteilung in Gefahrenklassen und die Feststellung des Verhältnisses derselben zueinander erfolgen aufgrund der Ergebnisse der Unfallstatistik durch Beschluß des Bundesrats.

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Die Gefahrenklassen und das für dieselben festgestellte Verhältnis werden mit einem Verzeichnis der jeder Gefahrenklasse angehörenden Industriezweige und Betriebsarten vom Reichskanzler bekannt gemacht.

Die Einteilung in Gefahrenklassen und die Feststellung des Verhältnisses derselben zu einander sind längstens von fünf zu fünf Jahren einer Revision zu unterziehen.

Abänderungen der Gefahrenklassen, welche aufgrund einer Revision vom Bundesrat beschlossen werden, treten erst mit Beginn eines neuen Rechnungsjahres in Wirksamkeit.

Wird ein Industriezweig oder eine Betriebsart in eine andere Gefahrenklasse versetzt, so sind von dem Zeitpunkte ab, mit welchem die Abänderung in Wirksamkeit tritt, die Entschädigungsansprüche, welche gegen die Gesamtheit der der bisherigen Gefahrenklasse angehörenden Betriebsunternehmer aus den in Betrieben des ausscheidenden Industriezweiges oder der ausscheidenden Betriebsart eingetretenen Unfällen nach Maßgabe des § 7 Nr. 1 erwachsen sind, von der Gesamtheit der Betriebsunternehmer derjenigen Gefahrenklasse zu befriedigen, welcher der Industriezweig oder die Betriebsart nunmehr angehört.

§ 11

Die in dem Bezirke einer höheren Verwaltungsbehörde8 belegenen Betriebe, welche demselben Industriezweige oder derselben Betriebsart (§ 10 Absatz 4) angehören, werden, sofern die Gesamtzahl der in ihnen beschäftigten versicherten Personen die erforderliche Höhe erreicht, zu einer Betriebsgenossenschaft vereinigt.

Die Mindestzahl der versicherten Personen, welche zur Bildung einer Genossenschaft erforderlich ist, wird durch Beschluß des Bundesrats festgestellt.

Auf Antrag der Beteiligten kann eine Betriebsgenossenschaft für die Betriebe mehrerer derselben Gefahrenklasse angehörenden Industriezweige oder Betriebsarten gebildet werden.

Der Antrag muß binnen vier Wochen nach Ablauf der aufgrund des § 15 festgesetzten Frist schriftlich bei der höheren Verwaltungsbehörde eingebracht werden.

Dem Antrag ist Folge zu geben, wenn von den in den einzelnen beteiligten Industriezweigen und Betriebsarten beschäftigten versicherungspflichtigen Personen mehr als die Hälfte auf die Betriebe der dem betreffenden Industriezweige oder der betreffenden Betriebsart angehörenden Antragsteller entfällt.

§ 12

Die Zentralbehörden der Bundesstaaten können bestimmen, daß Betriebsgenossenschaften für andere Bezirke, als diejenigen der höheren Verwaltungsbehörden zu bilden sind.

Aufgrund gemeinsamer Bestimmung der Zentralbehörden können unter den in § 11 bestimmten Voraussetzungen die in benachbarten Bezirken, welche verschiedenen Bundesstaaten angehören, vorhandenen Betriebe zu einer Genossenschaft vereinigt werden.

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§ 13

Für Bergwerke und für Betriebe, in welchen explosive Stoffe hergestellt werden, sind die Bezirke der Genossenschaften, unabhängig von den Landesgrenzen, vom Dundesrat nach Benehmen mit den beteiligten Landesregierungen festzustellen.

Durch Beschluß des Bundesrats können den vorerwähnten Betrieben andere Betriebe gleichgestellt werden, für welche die Gefahr von Massenverunglückungen oder die Höhe der Unfallgefahr bei verhältnismäßig geringer Zahl der Versicherungspflichtigen eine von den Landesgrenzen unabhängige Genossenschaftsbildung zweckmäßig erscheinen lassen.

§ 14

Diejenigen im Bezirke einer höheren Verwaltungsbehörde belegenen Betriebe, welche einer Betriebsgenossenschaft nach Maßgabe des § 11 nicht zugewiesen werden, bilden zusammen einen Betriebsverband.

Wegen anderweiter Feststellung der Bezirke der Betriebsverbände finden die Vorschriften des § 12 Anwendung. [...]

§ 15

Jeder Unternehmer (§ 9) eines unter den § 1 fallenden Betriebes hat denselben binnen einer von der höheren Verwaltungsbehörde zu bestimmenden und öffentlich bekannt zu machenden Frist unter Angabe des Gegenstandes und der Art desselben, sowie der Zahl der durchschnittlich darin beschäftigten versicherungspflichtigen Personen bei der unteren Verwaltungsbehörde anzumelden.

Für die nicht angemeldeten Betriebe hat die untere Verwaltungsbehörde die Angaben nach ihrer Kenntnis der Verhältnisse zu ergänzen. Sie ist befugt, die Unternehmer nicht angemeldeter Betriebe zu einer Auskunft darüber innerhalb einer zu bestimmenden Frist durch Geldstrafen im Betrage bis zu einhundert Mark anzuhalten.

§ 16

Die untere Verwaltungsbehörde hat jeden in ihrem Bezirke belegenen Betrieb vorläufig in eine Gefahrenklasse einzureihen, und ein nach Gefahrenklassen und innerhalb derselben nach Industriezweigen und Betriebsarten geordnetes Verzeichnis aufzustellen, in welches sämtliche Betriebe, unter Angabe des Gegenstandes und der Art des Betriebes, sowie der Zahl der darin beschäftigten versicherten Personen aufzunehmen sind.

Das Verzeichnis ist der höheren Verwaltungsbehörde einzureichen.

§ 17

Die höhere Verwaltungsbehörde hat unter Zuziehung von mindestens je einem Betriebsunternehmer aus jeder Gefahrenklasse die eingereichten Verzeichnisse zu revidieren und erforderlichenfalls hinsichtlich der Einreihung der Betriebe in Gefahrenklassen zu berichtigen, und demnächst aufgrund der berichtigten Verzeichnisse unter Berücksichtigung der aufgrund des § 11 Absatz 3 eingebrachten Anträge festzustellen, für welche Industriezweige und Betriebsarten Betriebsgenossenschaften zu bilden sind.

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§ 18

Die zu bildenden Betriebsgenossenschaften sind unter Bezeichnung der Bezirke, sowie der Industriezweige und Betriebsarten, für welche sie gebildet werden, öffentlich bekannt zu machen.

In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, daß alle übrigen Industriezweige und Betriebsarten dem Betriebsverbande angehören.

§ 19

Für jede Betriebsgenossenschaft wird von der höheren Verwaltungsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung eine konstituierende Generalversammlung berufen.

Dieselbe besteht aus sämtlichen der Genossenschaft zugewiesenen angemeldeten (§ 15) Betriebsunternehmern, welche der öffentlich zu erlassenden Ladung Folge leisten. Jeder derselben fuhrt mindestens eine Stimme und, sofern er mehr als zwanzig versicherte Personen beschäftigt, bis zu zweihundert für je zwanzig, von da an für je hundert mehr beschäftigte Personen eine weitere Stimme.

§ 20

Die konstituierende Generalversammlung beschließt unter Leitung eines Beauftragten der höheren Verwaltungsbehörde über das von der letzteren im Entwurf vorzulegende Genossenschaftsstatut. Sie kann die Beschlußnahme einem von ihr gewählten Ausschusse übertragen.

Das Statut muß die Bezeichnung des Bezirks der Genossenschaft und derjenigen Industriezweige und Betriebsarten, für welche sie errichtet wird, enthalten und Bestimmung treffen:

1. über Namen und Sitz der Genossenschaft;

2. über die Bildung des Genossenschaftsvorstandes und über den Umfang seiner Befugnisse;

3. über die Zusammensetzung und Berufung der Generalversammlung, sowie über die Art ihrer Beschlußfassung;

4. über das Stimmrecht der Mitglieder der Genossenschaft;

5. über die Aufstellung, Prüfung und Abnahme der Jahresrechnung;

6. über die Ausübung der der Genossenschaft nach § 73 zustehenden Befugnisse;

7. über die Abänderung des Statuts.

Werden Abteilungen (§ 26) gebildet, so muß das Statut der Genossenschaft über Sitz und Bezirk der Abteilungen, über die Berufung der Abteilungsversammlung und über die Art ihrer Beschlußfassung, über die Bildung der Abteilungsvorstände und über den Umfang ihrer Befugnisse Bestimmung treffen.

§ 21

Das Statut bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde.

Gegen die Versagung findet binnen einer Frist von vier Wochen die Beschwerde an die Zentralbehörde statt.

Abänderungen des Statuts unterliegen denselben Bestimmungen.

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§ 22

Die Genossenschaft kann unter ihrem Namen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden.

§ 23

Mitglied der Genossenschaft ist jeder Unternehmer eines im Bezirke derselben belegenen Betriebes derjenigen Industriezweige oder derjenigen Betriebsarten, für welche die Genossenschaft errichtet ist. Stimmberechtigt sind nur diejenigen Mitglieder der Genossenschaft, welche sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden und ihrer Anmeldepflicht (§ 61) genügt haben.

Sämtliche stimmberechtigte Mitglieder haben gleiches Stimmrecht, sofern das Statut nicht über eine Abstufung des Stimmrechts nach Maßgabe der Zahl der in den Betrieben der Mitglieder beschäftigten versicherten Personen Bestimmung getroffen hat.

§ 24

Die Genossenschaft muß einen von ihrer Generalversammlung gewählten Vorstand haben, durch welchen sie gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird.

Dem Genossenschaftsvorstande liegt die gesamte Verwaltung der Genossenschaft ob, soweit nicht einzelne Angelegenheiten durch Gesetz oder Bestimmung des Statuts der Beschlußnahme der Generalversammlung vorbehalten oder den Organen der Abteilungen übertragen sind.

§ 25

Die Generalversammlung der Genossenschaft besteht aus Abgeordneten, welche, sofern Abteilungen gebildet werden, von den Generalversammlungen derselben (Abteilungsversammlungen), anderenfalls nach den im Statut zu treffenden Bestimmungen von den Mitgliedern der Genossenschaft gewählt werden.

Die Zahl der von jeder Abteilung zu wählenden Abgeordneten bestimmt das Statut.

In der Generalversammlung haben alle Abgeordneten gleiches Stimmrecht.

Der Beschlußnahme der Generalversammlung müssen vorbehalten werden:

1. die Prüfung und Abnahme der Jahresrechnung,

2. Abänderungen des Statuts.

Weiche Funktionen außerdem von der Generalversammlung wahrzunehmen sind, bestimmt das Statut.

§ 26

Das Statut kann eine Einteilung der Genossenschaft in Abteilungen vorschreiben. Wenn die Genossenschaft mehrere Industriezweige oder Betriebsarten umfaßt, so muß die Einteilung in Abteilungen stattfinden und für jeden Industriezweig oder jede Betriebsart mindestens eine Abteilung gebildet werden. Im übrigen sind die Abteilungen nach örtlichen Bezirken abzugrenzen.

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§ 27

Die Abteilungsversammlung besteht aus den stimmfähigen Mitgliedern der Genossenschaft (§ 23), welche der Abteilung angehören.

Soweit das Statut nicht abweichende Bestimmungen trifft, werden die Beschlüsse von den anwesenden Mitgliedern mit Stimmenmehrheit gefaßt, und entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden.

§ 28

Das Statut kann bestimmen, daß Betriebe, welche eine größere Zahl versicherter Personen beschäftigen, eine besondere Abteilung für sich bilden. In diesem Falle werden die Befugnisse und Obliegenheiten des Abteilungsvorstandes und der Abteilungsversammlung von dem Betriebsunternehmer wahrgenommen.

Findet eine Einteilung der Genossenschaft in Abteilungen nicht statt, so kann den Unternehmern von Betrieben der vorerwähnten Art die Ernennung eines Abgeordneten oder nach Verhältnis der Zahl der in ihren Betrieben beschäftigten versicherten Personen mehrerer Abgeordneter zur Generalversammmlung eingeräumt werden.

§ 29

Die von den Abteilungsversammlungen vorzunehmenden Wahlen werden von den Abteilungsvorständen, Wahlen zur Generalversammlung, welche nicht von Abteilungsversammlungen vorgenommen werden, sowie die Wahlen zum Genossenschaftsvorstande werden von diesem geleitet. Nur die erste Wahl der Genossenschafts- und Abteilungsvorstände sowie spätere Wahlen, bei welchen ein zur Leitung zuständiger Vorstand nicht vorhanden ist, werden von einem Vertreter der Aufsichtsbehörde geleitet.

Über jeden Wahlakt ist ein Protokoll aufzunehmen.

Der Genossenschaftsvorstand und die Abteilungsvorstände haben über jede Änderung in ihrer Zusammensetzung der Aufsichtsbehörde binnen einer Woche Anzeige zu erstatten, und zwar, sofern die Änderung auf einer Wahl beruht, unter Beifügung des Wahlprotokolls. Ist die Anzeige nicht erfolgt, so kann die Änderung dritten Personen nur dann entgegengesetzt werden, wenn bewiesen wird, daß sie letzteren bekannt war.

Zur Legitimation der Vorstände bei allen Rechtsgeschäften genügt die Bescheinigung der Aufsichtsbehörde, daß die darin bezeichneten Personen den Vorstand bilden.

§ 30

Durch die Geschäfte, welche der Vorstand der Genossenschaft und die Vorstände der Genossenschaftsabteilungen innerhalb der Grenzen ihrer gesetzlichen und statutarischen Vollmacht im Namen der Genossenschaft abschließen, wird die letztere berechtigt und verpflichtet.

Die Mitglieder der Vorstände haften der Genossenschaft für getreue Geschäftsverwaltung wie Vormünder ihren Mündeln.

Mitglieder der Vorstände, welche absichtlich zum Nachteil der Genossenschaft handeln, unterliegen der Strafbestimmung des § 266 des Strafgesetzbuchs.

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§ 31

Wählbar zu Mitgliedern der Vorstände und der Generalversammlung sind nur die stimmberechtigten Mitglieder der Genossenschaft, beziehungsweise deren gesetzliche Vertreter. Nicht wählbar ist, wer durch gerichtliche Anordnung in der Verfügung über sein Vermögen beschränkt ist.

Die Ablehnung der Wahl ist nur aus denselben Gründen zulässig, aus welchen das Amt eines Vormundes abgelehnt werden kann.

Genossenschaftsmitglieder, welche eine Wahl ohne solchen Grund ablehnen, können auf Beschluß der Generalversammlung für die Dauer der Wahlperiode zu erhöhten Beiträgen bis zum doppelten Betrage herangezogen werden.

§ 32

Die Mitglieder der Vorstände und der Generalversammlung verwalten ihr Amt als unentgeltliches Ehrenamt. Bare Auslagen werden ihnen ersetzt, und zwar, soweit sie in Reisekosten bestehen, nach festen, von der Generalversammlung zu bestimmenden Sätzen.

Für die Rechnungs- und Kassenführung wird eine von der Generalversammlung der Genossenschaft zu bestimmende Vergütung gezahlt.

§ 33

Die Mittel zur Deckung der von der Betriebsgenossenschaft nach § 7 Nr. 2 zu leistenden Entschädigungsbeträge und der Verwaltungskosten werden durch Beiträge aufgebracht, welche auf die Mitglieder nach Maßgabe der in ihren Betrieben von den Versicherten verdienten Löhne und Gehälter umgelegt werden.

Löhne und Gehälter, welche während der Beitragsperiode durchschnittlich den Betrag von vier Mark für den Arbeitstag übersteigen, kommen nur mit dem Betrag von vier Mark für den Arbeitstag in Anrechnung.

§ 34

Durch das Statut der Betriebsgenossenschaft kann die Ansammlung eines Reservefonds mittelst Erhebung von Zuschlägen zu den nach § 33 zu erhebenden Beiträgen angeordnet werden. Wenn dies der Fall ist, so ist in dem Statut zugleich Bestimmung darüber zu treffen, unter welchen Voraussetzungen die Renten des Reservefonds für die Deckung der der Betriebsgenossenschaft obliegenden Lasten zu verwenden sind, und zu diesem Zweck der Kapitalbestand des Reservefonds angegriffen werden darf.

§ 35

Zu anderen Zwecken als zur Deckung der von der Genossenschaft zu leistenden Entschädigungsbeträge und der Verwaltungskosten dürfen unbeschadet der Vorschrift des § 103 weder Beiträge von den Mitgliedern der Genossenschaft erhoben werden, noch Verwendungen aus dem Vermögen der Genossenschaft erfolgen.

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§ 36

Die Einnahmen und Ausgaben der Genossenschaft sind von allen den Zwecken der Genossenschaft fremden Vereinnahmungen und Verausgabungen gesondert festzustellen und zu verrechnen; ebenso sind Bestände gesondert zu verwahren.

Verfügbare Gelder dürfen nur in öffentlichen Sparkassen oder wie Gelder Bevormundeter angelegt werden.

§ 37

Die §§ 19 bis 36 finden auf die Betriebsverbände mit folgenden Abänderungen Anwendung:

1. Wird die Beschlußnahme über das Verbandsstatut von der konstituierenden Generalversammlung einem Ausschusse übertragen, so muß dem letzteren mindestens je ein Unternehmer von jeder im Verbande vertretenen Gefahrenklasse angehören;

2. der Verband muß in Abteilungen eingeteilt werden. Für jede Gefahrenklasse, welche im Verbande vertreten ist, muß mindestens eine Abteilung gebildet werden. Für die einer Gefahrenklasse angehörenden verschiedenen Industriezweige oder Betriebsarten können besondere Abteilungen gebildet werden;

3. jede Gefahrenklasse muß im Verbandsvorstande mindestens durch ein Mitglied vertreten sein;

4. zu den Beiträgen (§ 33) wird jedes Verbandsmitglied nach demjenigen Prozentsatze der in seinem Betriebe verdienten anrechnungsfähigen Löhne und Gehälter (§ 33 Absatz 2) herangezogen, welcher in Gemäßheit des § 10 Absatz 2 für die Gefahrenklasse, welcher der Betrieb angehört, als Durchschnittsmaß der Unfallgefahr festgesetzt ist. [...]

§ 54

Für jede Betriebsgenossenschaft und jeden Betriebsverband ist zur Wahrnehmung der in den §§ 73 Absatz 4und 86 Absatz 4 bezeichneten Obliegenheiten ein Arbeiterausschuß zu errichten.

Derselbe besteht aus Vertretern derjenigen Orts- und Fabrikkrankenkassen sowie derjenigen Knappschaftskassen, welchen die in den Betrieben der Genossenschaftsmitglieder oder Verbandsmitglieder beschäftigten versicherten Personen angehören.

Die Wahl erfolgt durch die Vorstände der Kassen unter Ausschuß der denselben angehörenden Vertreter der Arbeitgeber. [...]

§ 73

Die Betriebsgenossenschaften und Betriebsverbände sind befugt, Vorschriften

1. über die von den Mitgliedern zur Verhütung von Unfällen in ihrem Betriebe zu treffenden Einrichtungen unter Bedrohung der Zuwiderhandelnden mit Strafzuschlägen zu den Beiträgen,

2. über das in den Betrieben ihrer Mitglieder von den Versicherten zur Verhütung von Unfällen zu beobachtende Verhalten unter Bedrohung mit Geldstrafen bis zu sechs Mark zu erlassen.

Darüber, ob über den Erlaß solcher Vorschriften von der Generalversammlung oder von dem Vorstande oder von besonderen zu dem Ende zu bestellenden Ausschüssen [ Druckseite 225 ] zu beschließen ist, sowie darüber, ob vor der Beschlußnahme die Vorstände der beteiligten Abteilungen über die zu erlassenden Vorschriften zu hören sind, hat das Statut der Betriebsgenossenschaft oder des Betriebsverbandes Bestimmung zu treffen (§ 20 Nr. 7).

Die Vorschriften bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

Die Vorschriften ad 2 sind, bevor sie der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung eingereicht werden, dem zuständigen Arbeiterausschusse (§ 54) zur gutachtlichen Erklärung mitzuteilen. Die Erklärung ist von dem Arbeiterausschusse, oder sofern die Vorschriften sich auf die Betriebe einzelner Industriezweige oder Betriebsarten beschränken, von der zuständigen Sektion oder den zuständigen Sektionen des Ausschusses (§ 57) zu beschließen und binnen sechs Wochen nach erfolgter Mitteilung an den Vorstand der Betriebsgenossenschaft oder des Betriebsverbandes einzusenden. Die gutachtliche Erklärung des Arbeiterausschusses ist, sofern sie rechtliche Erklärung des Arbeiterausschusses ist, sofern sie rechtzeitig eingeht, dem Antrage auf Genehmigung der Vorschriften beizufügen.

Erstreckt sich der Bezirk der Betriebsgenossenschaft oder des Betriebsverbandes über die Bezirke mehrerer höherer Verwaltungsbehörden, so ist jeder der letzteren eine Abschrift der genehmigten Vorschriften einzureichen. [...]

§ 82

Dem Verletzten steht ein Anspruch in Gemäßheit dieses Gesetzes nicht zu, wenn er den Betriebsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Ansprüche der Hinterbliebenen werden hierdurch nicht berührt.

§ 83

Die Mitglieder der Betriebsgenossenschaften und Betriebsverbände sind verpflichtet, auf Erfordern des Vorstandes derselben binnen einer Woche diejenigen Nachweisungen über die Löhne und Gehälter der in ihren Betrieben beschäftigten Personen zu liefern, welche zur Feststellung des Durchschnittslohnes oder Gehaltes (§ 5 Nr. 2 Abs.2, 3) erforderlich sind.

§ 84

Über die Feststellung der Entschädigung hat der Vorstand, welcher dieselbe vorgenommen hat, dem Entschädigungsberechtigten einen schriftlichen, durch die untere Verwaltungsbehörde zuzustellenden Bescheid zu erteilen, aus welchem die Höhe der Entschädigung und die Art ihrer Berechnung zu ersehen ist. Bei Entschädigungen für erwerbsunfähig gewordene Verletzte ist namentlich anzugeben, in welchem Maße die Erwerbsunfähigkeit angenommen ist.

§ 85

Gegen den Bescheid der unteren Verwaltungsbehörde, durch welchen der Entschädigungsanspruch aus dem Grunde abgelehnt wird, weil der Betrieb, in welchem der Unfall sich ereignet hat, für nicht unter den § 1 fallend erklärt wird (§ 81 Abs.3), steht dem Verletzten und seinen Hinterbliebenen die Beschwerde zu, welche binnen vier Wochen nach der Zustellung bei der unteren Verwaltungsbehörde

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einzulegen ist. Über die Beschwerde entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde endgültig.

Gegen den Bescheid, durch welchen der Entschädigungsanspruch aus einem anderen als dem vorbezeichneten Grunde abgelehnt wird (§ 81 Abs.2), sowie gegen den Bescheid, durch welchen die Entschädigung festgestellt wird (§ 84), findet nur die Berufung auf schiedsrichterliche Entscheidung statt.

Die Berufung ist bei Vermeidung des Ausschlusses binnen vier Wochen nach der Zustellung des Bescheides bei dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu erheben.

§ 86

Für jede Betriebsgenossenschaft und für jeden Betriebsverband wird ein Schiedsgericht errichtet.

Das Schiedsgericht besteht aus einem ständigen Vorsitzenden und aus vier Beisitzern.

Der Vorsitzende wird aus der Zahl der öffentlichen Beamten von den Zentralbehörden der Bundesstaaten, im Falle des § 13 von dem Reichskanzler ernannt. Für den Vorsitzenden ist in gleicher Weise ein Stellvertreter zu ernennen, welcher ihn in Behinderungsfällen vertritt.

Die Beisitzer werden zur Hälfte von der Generalversammlung der Betriebsgenossenschaft oder des Betriebsverbandes aus den nicht dem Vorstande angehörenden Mitgliedern der Genossenschaft oder des Verbandes, zur Hälfte vom Arbeiterausschusse (§ 54) aus den Versicherten gewählt. Für jeden Beisitzer werden ein erster und ein zweiter Stellvertreter erwählt, welche ihn in Behinderungsfällen zu vertreten haben.

Die Beisitzer und Stellvertreter sind auf vier Jahre zu wählen. Scheidet ein Beisitzer oder ein Stellvertreter während der Wahlperiode aus, so findet für den Rest derselben eine Ergänzungwahl statt, welche, wenn der Ausscheidende Arbeitgeber ist, von dem Vorstande der Betriebsgenossenshaft oder des Betriebsverbandes vorgenommen wird. [...]

§ 97

Die Auszahlung der aufgrund dieses Gesetzes zu leistenden Entschädigungen wird vorschußweise durch die Postverwaltungen, und zwar in der Regel durch dasjenige Postamt, in dessen Bezirk der Entschädigungsberechtigte zur Zeit des Unfalls seinen Wohnsitz hatte, bewirkt.

Verlegt der Entschädigungsberechtigte seinen Wohnsitz, so hat er die Überweisung der Auszahlung der ihm zustehenden Rente an das Postamt seines neuen Wohnorts bei dem Genossenschafts- oder Verbandsvorstande, von denen die Zahlungsanweisung ausgegangen ist, zu beantragen.

Die Auszahlungen erfolgen auf Anweisung des für die Feststellung der Entschädigung zuständigen Vorstandes.

In der Anweisung muß die Gefahrenklasse, der Industriezweig oder die Betriebsart, und die Betriebsgenossenschaft oder der Betriebsverband bezeichnet werden, welchen der Betrieb, in dem der Unfall sich ereignet hat, angehört.

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§ 98

Die Erstattung der von den Postverwaltungen geleisteten Vorschüsse durch die nach § 7 zur Leistung der Entschädigungen Verpflichteten erfolgt auf Anweisung der Reichszentralstelle.

Dieselbe besteht aus einem vom Kaiser auf Vorschlag des Bundesrats zu ernennenden Direktor und der zur Erledigung der Geschäfte erforderlichen Anzahl von Beamten.

Sie steht unter der Aufsicht des Reichskanzlers und hat ihren Sitz in Berlin.

Die Kosten der Reichszentralstelle und ihrer Verwaltung werden auf die Unternehmer der unter den § 1 fallenden Betriebe nach Maßgabe der in denselben von den Versicherten verdienten anrechnungsfähigen Löhne und Gehälter (§ 33 Abs.2) umgelegt. [...]

§ 105

Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vorständen der Betriebsgenossenschaften oder Betriebsverbände einerseits und der Reichszentralstelle andererseits über die von der letzteren festgestellten Berechnungen werden von dem Reichskanzler entschieden.

Erfolgt durch den Reichskanzler eine anderweitige Feststellung der Berechnung, so sind die hieraus sich ergebenden Abänderungen bei dem Umlageverfahren des nächsten Rechnungshalbjahres zur Ausgleichung zu bringen. [...]

§ 116

Die nach Maßgabe dieses Gesetzes versicherten Personen und deren Hinterbliebene können gegen den Betriebsunternehmer, in dessen Betrieb die ersteren beschäftigt waren, einen Anspruch auf Ersatz des infolge eines Unfalls erlittenen Schadens nur dann geltend machen, wenn derselbe den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. In diesem Falle beschränkt sich der Anspruch auf den Betrag, um welchen die den Berechtigten nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften gebührende Entschädigung die ihnen nach diesem Gesetze zustehende übersteigt.

Der Anspruch verjährt in achtzehn Monaten vom Tage des Unfalls an gerechnet.

§ 117

Der Betriebsunternehmer ist verpflichtet, alle Aufwendungen zu erstatten, welche infolge des Unfalls aufgrund dieses Gesetzes von den Verpflichteten (§ 7) zu machen sind, wenn er, oder im Falle seiner Handlungsunfähigkeit sein gesetzlicher Vertreter, den Unfall vorsätzlich oder durch grobes Verschulden herbeigeführt hat.

In gleicher Weise haftet eine Aktiengesellschaft, eine Innung oder eingetragene Genossenschaft, wenn ein Mitglied ihres Vorstandes, sowie eine Handelsgesellschaft, eine Innung oder eingetragene Genossenschaft, wenn einer der Liquidatoren den Unfall vorsätzlich oder durch grobes Verschulden verursacht hat.

Als Ersatz für die Rente kann in den vorstehend bezeichneten Fällen deren Kapitalwert gefordert werden.

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Der Ersatzanspruch kann in seinem vollen Umfange von der Reichszentralstelle, oder von dem Vorstande der beteiligten Betriebsgenossenschaft oder des beteiligten Betriebsverbandes geltend gemacht werden.

Der Anspruch verjährt in achtzehn Monaten vom Tage des Unfalls an gerechnet.

Der geleistete Ersatz wird auf die beim nächsten Rechnungsabschluß festgestellten Leistungen (§ 100) den Verpflichteten nach dem in § 7 vorgesehenen Verhältnis durch die Reichszentralstelle in Anrechnung gebracht.

§ 118

Die Haftung eines Dritten, welcher den Unfall vorsätzlich herbeigeführt oder durch Verschulden verursacht hat, bestimmt sich nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Jedoch geht die Forderung der Entschädigungsberechtigten an den Dritten auf die nach § 7 Verpflichteten insoweit über, als die Verpflichtung der letzteren zur Entschädigung nach diesem Gesetze begründet ist. Wegen Geltendmachung dieses Teils der Forderung und Verwendung des zur Befriedigung desselben Geleisteten finden die Vorschriften des § 117 Absatz 4 und 6 Anwendung. [...]

§ 124

Die Bestimmungen dieses Gesetzes, welche die Bildung der Betriebsgenossenschaften und Betriebsverbände betreffen, treten mit dem Tage der nach Vorschrift des § 10 Absatz 4 vom Reichskanzler zu erlassenden Bekanntmachung in Kraft.

Im übrigen wird der Zeitpunkt, mit welchem das Gesetz in Kraft tritt, mit Zustimmung des Bundesrats durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.

[Anhang]

Anlage zu der Begründung des Gesetzentwurfs, betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter9

Denkschrift betreffend die Gefahrenklassen und das Gefahrenverhältnis zwischen den verschiedenen Gefahrenklassen.10

Für die Bildung der Gefahrenklassen, in welche die versicherungspflichtigen Betriebe einzuteilen sind, kommt es darauf an, zu wissen:

a) wie viele Unfälle und welche Art von Unfällen (Todesfälle, Invaliditätsfälle etc.) in den einzelnen Betriebszweigen im Vergleich mit der Zahl der in denselben beschäftigten Arbeiter vorkommen;

b) welche Kompetenzen dem Unfallverletzten resp. seinen Hinterbliebenen zustehen, und endlich [ Druckseite 229 ] c) in welchem Verhältnis durch die Unfälle eine Belastung herbeigeführt wird, je nachdem dieselben den Tod, die Invalidität, oder bloß eine vorübergehende (13 Wochen übersteigende) Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben.

Der einzig sichere Faktor ist hierbei die durch das Gesetz bestimmte Höhe der Kompetenzen; die Zahl der vorgekommenen Unfälle hat nur für einen vergangenen kurzen Zeitraum ermittelt werden können, und die anzustellende Berechnung jenes voraussichtlichen Belastungsverhältnisses hat es der Natur der Sache nach mit einer Reihe unbestimmter Größen zu tun: mit der wahrscheinlichen Lebensdauer der durch Unfall dauernd erwerbsunfähig gewordenen, mit der Wahrscheinlichkeit der Hinterlassung von Witwen, Kindern oder Aszendenten bei den durch Unfall Getöteten, und mit dem wahrscheinlichen Alter bzw. der wahrscheinlichen Lebensdauer dieser Witwen, Kinder und Aszendenten.

Bei dieser Wahrscheinlichkeitsberechnung werden die Werte der durch Unfall herbeigeführten Todesfälle, Invaliditätsfälle und Fälle einer über 13 Wochen hinausgehenden Erwerbsunfähigkeit als für alle Betriebszweige unter sich in gleichem Verhältnis stehend angenommen werden dürfen. Unter dieser Voraussetzung gelangt man dazu, daß die Zahl und Art der Unfälle der ausschlaggebende Faktor für die Bildung der Gefahrenklassen ist. Die Voraussetzung selbst kann freilich Anspruch auf absolute Richtigkeit nicht machen. Sie ist eine Hypothese und als solche nicht einwandfrei.

Wenn, wie es weiter unten geschehen wird, im Wege der Berechnung aufgrund verschiedener Annahmen ermittelt wird, daß ein dauernd erwerbsunfähig gewordener Arbeiter eine annähernd dreimal größere Belastung hervorruft, als ein tödlich verunglückter, weil der Barwert der den Hinterbliebenen des letzteren zu zahlenden Kompetenzen nebst dem Sterbegelde nur zu etwa einem Drittel des Barwerts der Invalidenrente anzunehmen ist, so würde ein Betrieb, der drei tödliche Unfälle aufweist, in dieselbe Gefahrenklasse zu versetzen sein mit einem Betrieb, der nur einen Invaliditätsfall zu verzeichnen hat. Würde dagegen die Berechnung aufgrund ihrer Voraussetzungen dahin gelangen, daß eine tödliche Verletzung die gleiche Belastung hervorruft wie ein Fall dauernder Erwerbsunfähigkeit, so wäre jener erste Betrieb dreimal gefährlicher als der zweite.

Hieraus erhellt, daß die Gefahrenklassenbildung von einer ganzen Reihe zweifelhafter Momente abhängt, und daß namentlich der erste Versuch einer Aufstellung derselben nicht mit dem Anspruche auftreten kann, von vornherein überall das absolut Richtige getroffen zu haben.

Der Gesetzentwurf sieht darum ausdrücklich eine Revision der Gefahrenklassenbildung vor, welche sich vielleicht schon nach wenigen Jahren als notwendig erweisen kann. [...]

Wie sich die Gefahrenklassen aus verschiedenen Betriebszweigen zusammensetzen, zeigt deren hierunter folgende Zusammenstellung. Das Gefahrenverhältnis, in welchem die Gefahrenklassen zueinander stehen, ist in der letzten Spalte der Zusammenstellung gemäß § 10 des Gesetzentwurfs ziffernmäßig ersichtlich gemacht. Daß hierbei die heterogensten Betriebe sich in einer Gefahrenklasse zusammenfinden, darf nicht Wunder nehmen; finden sich doch dieselben Gefahrenursachen (Dampfkessel, Transmissionen, Zahnräder, Zentrifugen) in den allerverschiedensten Betrieben. Es muß nur beachtet werden, daß es sich hier nicht um den eigentlich [ Druckseite 230 ] handwerksmäßigen, hausindustriellen Betrieb, sondern lediglich um die unter das Gesetz fallenden fabrikmäßigen (mit Motoren etc. arbeitenden) Betriebe handelt. Nur auf diese bezogen sich die statistischen Erhebungen, welche die Grundlage der unten folgenden Gefahrenklassengruppierung bilden. So ist es erklärlich, daß eben wegen der in den Betrieben zur Verwendung gelangenden Motoren und sonstigen Arbeitsmittel anscheinend ganz verschiedenartige und, wie man ohne nähere Prüfung glauben sollte, verschieden gefährliche Betriebe zusammen eine Gefahrenklasse bilden. Auf die Bildung der Betriebsgenossenschaften, welche stets nur für homogene Betriebe erfolgen soll (§ 11 des Gesetzentwurfs), ist dieser Umstand von keinem Einfluß.

In der Zusammenstellung der Gefahrenklassen und Gefahrenverhältniszahlen ist ebenso wie in den grundlegenden unfallstatistischen Tabellen die für den vorliegenden Zweck nicht immer vollkommen passende Nomenklatur der Reichsgewerbestatistik beibehalten worden. Es erschien nicht ratsam, auf diesem Gebiete andere Bezeichnungen zu wählen, da die Gefahr kaum zu vermeiden gewesen wäre, daß durch solche neuen Bezeichnungen, deren Auswahl an sich schon erhebliche Schwierigkeiten bietet, Anlaß zu Verwirrung gegeben würde. Die weitere Ausführung wird die Sache des Bundesrats sein.

Zusammenstellung der Gefahrenklassen und Gefahrenverhältniszahlen

Gefahren- klasse Enthaltend die Betriebszweige [...]11 Gefahren- verhält- niszahlen
Klasse I 1. Holzzurichtung und Konservierung (Sägemühlen, Imprägnieranstalten etc.)2. Bauklempnerei, Dachdeckerei und Blitzableiterverfertiger3. Betriebsstätten für Explosivstoffe und Zündwaren

100

Klasse II 1. Steinkohlenbergwerke und Verkokungsanstaltungen, Braunkohlenbergwerke und Braunkohlenbrikettfabriken sowie Betriebsstätten für Asphalt2. Marmor-, Stein- und Schieferbrüche und Betriebsstätten für grobe Marmor-, Stein- und Schieferwaren, Kalk, Zement und Traß

66

Klasse III 1. Bauunternehmer, Maurer, Zimmerleute, Stukkateure, Anstreicher und Brunnenmacher

56

Klasse IV 1. Brauereien mit und ohne Mälzereien2. Zuckerfabriken und Raffinerien

55

[ Druckseite 231 ]
Klasse V 1. Papier- und Pappe-, Stein- und Dachpappefabriken, Lohmühlen und Lohextraktfabriken, Betriebsstätten für Ölpapier, Schleifpapier usw., Betriebsstätten für Buntund Luxuspapier2. Schiffbau3. Nudel- und Makkaronifabriken, Stärke- und Stärkesirupfabriken, Kakao- und Schokoladenfabriken, Fabriken für Kaffeesurrogate, Fabriken für komprimierte Gemüse und Konserven sowie Branntweinbrennereien4. Hochöfen und Stahlhütten, Eisen-, Stahl-, Frisch- und Streckwerke sowie Salinen5. Parkettfabriken, Tischlereien, Böttchereien, Drehund Schnitzwarenfabriken

48

Klasse VI 1. Mühlen und Reisschälmühlen2. Streichgarn- und Sigognespinnereien und -webereien; Kammgarnspinnereien, Mungo- und Schoddyfabriken

40

Klasse VII 1. Chemische Großindustrie, chemische, pharmazeutische und photographische Präparate, Apotheken, Farbenmaterialien, Steinkohlenteer- und Kohlenteerderivate, Abfuhr- und Desinfektionsanstalten, Betriebsstätten für künstliche Düngestoffe, Knochenmehl sowie Abdeckereien2. Erzbergwerke3. Maschinen- und Wagenbau, Fabrikation von Werkzeugen, Apparaten und Schutzwaffen4. Gasbeleuchtungsanstalten und Betriebsstätten für Harze und Firnisse, Kohlenteerschwelereien, Betriebsstätten für Mineralöle, Gasäther, Paraffinkerzen, Erdöle, Petroleumraffinerien

32

Klasse VIII 1. Köhlereien, Holzteerschwelereien, Holzzerkleinerung, Talgsiedereien, Talgkerzenfabriken, Seifensiedereien, Glyzerinfabriken, Stearin- und Wachskerzenfabriken, Tranbrennereien, Fabriken für Leder- und Wagenschmiere, Ölmühlen, Fabriken für ätherische Öle und Parfüms2. Gips und Schwerspat, Lehm- und Tongruben; Ziegeleien; Kies und Sand; Torfgräbereien und Torfpreß- und Trocknungsanstalten; Bernsteingewinnung; Betriebsstätten für feine Steinwaren, Töpfereien; Fabriken für feine und feuerfeste Tonwaren, Steinzeug, Terralith und Siderolith, Kaolingruben und Kaolinschlämmereien, Steingut, Fayence und Porzellanfabriken und Veredelungsanstalten
[ Druckseite 232 ]
3. Schrot- und Bleikugelfabriken, feine Blei- und Zinnwaren- und Metallspielwarenfabriken, Zinkgießereien und Prägereien, Kupferschmieden, Betriebsstätten für Erzeugung und Verarbeitung von Metallegierungen aller Art, Eisengießereien und Eisenemaillierwerke, Schwarzund Weißblechwarenfabrikation; Klempnereien ausschließlich der Bauklempnereien; Betriebsstätten für Stifte und Nägel, Schrauben, Nieten, Ketten, Drahtseile, Hufschmieden, Schlossereien und Betriebsstätten für feuerfeste Geldschränke, Zeug-, Sensen- und Messerschmieden, Kurzwaren, Stahlfeder- und Nähnadelfabriken, Betriebsstätten für Nadler- und Drahtwaren einschließlich Drahtgewebe

22

Klasse IX 1. Silber-, Blei-, Kupfer,- Zinn-, Zink-, Nickel,- Kobalt-, Antimon-, Wismuth- und Arsenikhütten, Salzbergwerke2. Betriebsstätten für Zündholzruten, grobe Holzwaren; Web- und Flechtwaren aus Holz, Stroh, Bast und Binsen und Korbmacherwaren, Korkschneiderei, Kämme, Bürsten, Pinsel, Federposen, Stöcke, Regen- und Sonnenschirme; Holz- und Schnitzwarenveredelung3. Betriebsstätten für Tapeten und Rouleaus, Wachstuch-, Leder- und Treibriemenfabriken, Gummi- und Guttaperchawaren, Gerbereien, Buchbindereien und Kartonagefabriken; Riemer-, Sattler- und Tapezierarbeiten4. Sämtliche Zweige der Textilindustrie, soweit sie nicht in Klasse VI aufgeführt sind5. Bäckereien und Konditoreien, Fleischereien, Betriebsstätten für kondensierte Milch, Butterfabriken, Käsereien, Eisbereitungs-, Bewahrungs- und Versorgungsanstalten; Betriebsstätten für künstliche Mineralwässer, Mälzereien, sofern sie nicht in Verbindung mit Brauereien betrieben werden; Schaumweinfabriken und Betriebsstätten für Weinpflege; Essigfabriken und Betriebsstätten für Tabak

16

Klasse X 1. Weißnäherei, Schneiderei, Putzmacherei, Betriebsstätten für künstliche Blumen und Federschmuck; Hutund Mützenmacherei, Fabrikation von Filzwaren, Betriebsstätten für Pelzwarenzurichtung und Kürschnereien, Betriebsstätten für Handschuhe, Krawatten usw.; Korsett-, Krinolin- und Schnürleibfabrikation; Schuhmacherei; Wasch- und Badeanstalten2. Schriftschneidereien und Gießereien; Holzschnittateliers; Buch-, Stein-, Kupfer-, Stahl- und Zinkdrucke-
[ Druckseite 233 ]
reien und Linieranstalten; Stickmuster-, Bilderbogen-, Ölbilddruckanstalten etc., photographische Anstalten; Betriebsstätten für mathematische, physikalische, chemische und chirurgische Instrumente, für Telegraphenanlagen und Apparate, für anatomische und mikroskopische Präparate, für Zeitmeßinstrumente und Musikinstrumente, für Beleuchtungsapparate und Lampen; Formenfabrikanten, Gipsfigurenfabrikanten Medaillenfabrikanten usw.3. Betriebsstätten für Gold-, Silber- und Bijouteriewaren, Gold- und Silberschlägereien, Betriebsstätten für Gold- und Silberdrahtziehereien und für leonische Waren sowie Münzstätten

11

Registerinformationen

Personen

  • Bamberger, Ludwig (1823─1899) Politiker und Schriftsteller, MdR (nationalliberal/Liberale Vereinigung)
  • Beutner, George F. (1829─1893) Geschäftsführer des Zentralverbands deutscher Industrieller
  • Bödiker, Tonio (1843─1907) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Boetticher, Karl Heinrich von (1833─1907) Staatssekretär des Innern
  • Bosse, Robert (1832─1901) Direktor der II. Abteilung für wirtschaftliche Angelegenheiten im Reichsamt des Innern
  • Brigl, Bernhard (1831─1892) Verlagsbuchhändler in Berlin
  • Liepmann, Dr. Franz (?─1891) Jurist, Redakteur der “Tribüne”
  • Magdeburg, Eduard (1844─1932) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Wilhelm I. (1797─1888) Deutscher Kaiser und König von Preußen
  • Woedtke, Erich von (1847─1902) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • 1Sten.Ber.RT, 5.LP, II. Sess. 1882, Bd. 5, Aktenstück Nr. 19. Konzipient der zweiten Unfallversicherungsvorlage war der Referent Eduard Magdeburg, Theodor Lohmann Korreferent (vgl. Nr. 66); Magdeburg konzipierte zunächst (Ende März) anhand der “Grundzüge vom 28.2.1882 die zweite, intern wohl sehr strittige Fassung; dabei griff er auch auf die Erstfassung Theodor Lohmanns vom 5.12.1881 (sog. Urentwurf) zurück; teilweise überliefert: BArchP 90 Lo 2 Nr. 16, fol. 248─259 Rs.; nicht datiert. Dazu schrieb von Boetticher am 9.4.1882, einem Donnerstag, eigenhändig an Bismarck: Nicht unerhebliche Schwierigkeiten bietet die Feststellung des Entwurfs über die Unfallversicherung, ich hoffe indessen, bis zum Schluß der Woche auch diesen Entwurf vollendet zu sehen (BArchP 07.01 Nr. 1785, fol. 90). So wurde dann von Lohmann, der am 14.4.1882 über das fabrikmäßige Arbeitstempo schrieb: Ein Kanzlist sitzt bei mir im Arbeitszimmer, um jeden fertigen Paragraphen gleich mit metallogr. Tinte zu schreiben (Hans Rothfels, Theodor Lohmann und die Kampfjahre der staatlichen Sozialpolitik 1871─1905. Berlin 1927, S. 58 Anm. 2), eine weitere, (erheblich?) abgeänderte Fassung erarbeitet, die im Konzept nicht überliefert ist; von dieser ─ wir bezeichnen sie als dritte Fassung ─ liegt nur eine metallographierte Reinschrift vor, die auf den 15.4.1882 datiert ist (BArchP 15.01 Nr. 383, fol. 7─63 Rs. u. 73─130 Rs.). Am 17.4.1882 fand auf Veranlassung v. Boettichers unter dem Vorsitz Bosses eine Abteilungskonferenz behufs Vortrags des von H(err)n Geh. Oberregierungsr(at) Lohmann anderweit redigierten Entwurfes eines Unfallversicherungsgesetzes statt, an der neben Bosse und Lohmann auch Magdeburg, Bödiker und der Hilfsarbeiter v. Woedtke teilnahmen (ebd., fol. 6). Diese danach von Lohmann geringfügig (einzelne Paragraphen, wie §§ 5, 6, 12, 13, 18, 20, 25 etc.) abgeänderte dritte Fassung bezeichnen wir als vierte Fassung, sie ist überliefert: ebd., fol. 73─130 Rs., mit Paraphe Magdeburgs am Schluß mit Datum 18.4.), sie wurde dann Wilhelm I. (in Schönschrift verbessert) vorgelegt (fol. 145─201 Rs.) und diente außerdem als Druckvorlage für die BR-Drucksache Nr. 43 aus Session 1881/82 v. 21.4. 1882. Diese wurde den beiden zuständigen Ausschüssen vorgelegt, die zu dieser Gesetzesvorlage eine Subkommission bildeten. Am 23.4.1882 erklärte sich das preuß. Staatsministerium damit einverstanden (Protokollabschrift: ebd., fol. 233, Bismarck war abwesend). In seiner Plenarsitzung vom 8.5.1882 billigte der Bundesrat nach Maßgabe der Abänderungsanträge der Subkommission (ebd., fol. 239─243 [Vorfassung] und 244─ 249 Rs. [= Drucks. Nr. 58 v. 6.5.1882], Vorfassung: BArchP 90 Lo 2 Nr. 16, fol. 280─ 284) den Regierungsentwurf. In dieser Form (= fünfte Fassung bzw. Endfassung) wurde er durch v. Boetticher als Stellvertreter des Reichskanzlers dem Reichstag zugeleitet. ─ Die Begründung (Motive) wurde unter erheblichem Rückgriff auf die Motive der ersten Unfallversicherungsvorlage weitgehend durch Lohmann erarbeitet, vgl. das Konzept: BArchP 90 Lo 2 Nr. 16, fol. 260─278 Rs., und v. Boettichers Schreiben dazu (BArchP 07.01 Nr. 1785, fol. 93). »
  • 2Abgedruckt werden nur die Paragraphen von grundsätzlicher Bedeutung. »
  • 3Die Kosten für die erste bis dreizehnte Woche hatte nach der am 29.4.1882 eingebrachten Krankenversicherungsvorlage (Sten.Ber. RT, 5. LP, II. Sess. 1882/83. Bd. 5, Aktenstück Nr. 14) die Krankenversicherung zu tragen, an deren Finanzierung, soweit es sich um die gesetzlichen Krankenkassen (Gemeinde-, Orts, Betriebs- etc.) handelte, die Arbeitgeber zu einem Drittel beteiligt waren; bei den gemäß § 69 des Entwurfs (§ 75 des verabschiedeten Gesetzes) substitutiv zugelassenen eingeschriebenen und “freien” Hilfskassen ohne Beitrittszwang gab es keinen Arbeitgeberbeitrag. »
  • 4§ 7 der zweiten Fassung von der Hand Magdeburgs lautete: Die Versicherung erfolgt durch die nach Maßgabe der §§ ... zu bildenden Reichs-Betriebsgenossenschaften, Bezirks-Betriebsgenossenschaften und Bezirks-Betriebsverbände unter Beihilfe des Reichs in der Weise, daß die nach Maßgabe der §§ 5 und 6 zu leistenden Entschädigungen zu zwei Dritteilen von den Genossenschaften und Verbänden, zu einem Dritteil vom Reiche gewährt werden. »
  • 5Der Geschäftsführer des Zentralverbandes deutscher Industrieller George F. Beutner berechnete, daß dieses Prinzip, das zwischen Garantieträger (zentrale Gefahrenklassen auf Reichsebene, 60 % der Umlagekosten) und Verwaltung (15 % der Umlagekosten) unterschied, zu etwa 2325 eigenständigen Organisationen, d.h. 2250 Betriebsgenossenschaften gemäß § 11 des Entwurfs und (subsidiär) 75 Betriebsverbänden gemäß § 14 des Entwurfs hätte führen müssen; vgl. Nr. 69. »
  • 6§ 10 Abs.2 der Zweitfassung von der Hand Magdeburgs lautet: Die einer Gefahrenklasse angehörenden Betriebe bilden eine Reichsbetriebsgenossenschaft (BArchP 90 Lo 2 Nr. 16, fol. 249 Rs.). Die Entstehung der Endfassung, nach der die auf Reichsebene (statistisch) ermittelten Gefahrenklassen zwar die artifizielle Grundlage der ganzen Organisation sein sollten, aber auf dieser Ebene keine organisatorische Gliederung der Industrie in Berufsgenossenschaften erfolgen sollte, ist nicht mehr zu ermitteln. In den Motiven wird dazu ausgeführt: Für die Art der genossenschaftlichen Organisation, welche zur Durchführung der Unfallversicherung zu begründen ist, kommt vornehmlich in Betracht, daß einerseits die Höhe des Risikos eine Verteilung desselben auf möglichst breite Schultern fordert, und daß andererseits eine kräftige Entwicklung des genossenschaftlichen Lebens und eine erfolgreiche Verwaltung durch genossenschaftliche Organe nur zu erwarten ist, wenn die zu einer Genossenschaft Verbundenen sich sowohl örtlich, als auch nach ihrem Beruf nicht allzu fern stehen. Den hierin liegenden Anforderungen kann nur durch eine doppelte Organisation entsprochen werden. Um für das Risiko der Unfallversicherung die hinreichend kräftigen Träger zu gewinnen, muß dasselbe wenigstens zum größten Teile der Gesamtheit der Unternehmer aller im ganzen Umfange des Reichs belegenen Betriebe, welche vermöge gleicher Unfallsgefahr mit dem gleichen Risiko verbunden sind, auferlegt werden. Zu dem Ende werden sämtliche Betriebe in Gefahrenklassen einzuteilen sein, von denen jede die durchschnittlich mit gleicher Unfallsgefahr verbundenen Industriezweige und Betriebsarten in sich begreift. Um zu lebensfähigen Genossenschaften zu gelangen, müssen innerhalb der Gefahrenklassen die Betriebsunternehmer der einzelnen Industriezweige und Betriebsarten, und zwar für örtlich abgegrenzte Bezirke, zu solchen vereinigt werden. Damit aber den so gebildeten Genossenschaften die gesamte örtliche Verwaltung der Unfallversicherung und namentlich die Feststellung der Entschädigungen ohne Gefährdung des Interesses der Gesamtheit übertragen werden kann, muß Sorge dafür getragen werden, daß sie an einer tüchtigen und sparsamen Verwaltung neben dem allgemeinen, in ihrer Zugehörigkeit zu der Gefahrenklasse liegenden, auch noch ein besonderes unmittelbares Interesse haben. Dies kann nur dadurch erreicht werden, daß jede Genossenschaft einen Teil des Risikos, welches aus den innerhalb ihres Kreises eintretenden Unfällen erwächst, besonders für sich zu tragen hat, so daß nur der Rest des Risikos der Gesamtheit der zu einer Gefahrenklasse gehörenden Unternehmer zur Last fällt. (Sten.Ber.RT, 5.LP, II. Sess. 1882, Bd. 5, Aktenstück Nr. 19, S. 198) »
  • 7Vgl. dazu den Anhang zu diesem Gesetzentwurf, S. 228. »
  • 8In Preußen war das der Regierungsbezirk, in Sachsen die Amtshauptmannschaft. »
  • 9Dieser Anhang dürfte von Tonio Bödiker verfaßt sein, ein Konzept dazu konnte nicht ermittelt werden. »
  • 10Ergänzend wurde an alle Reichstagsmitglieder die Arbeit Tonio Bödikers: Die Unfall-Statistik des Deutschen Reichs nach der Aufnahme vom J. 1881 (Ergänzungsheft zu Bd. LIII der Statistik des Deutschen Reiches), Berlin 1882, verteilt; vgl. zur Entstehung dieser sehr kritisch diskutierten Statistik Nr. 2, 4 u. 49. »
  • 11Die Zusammenstellung enthält noch weitere Spalten mit Verhältniszahlen sowie Angaben zur Anzahl von tödlichen und dauernde Arbeitsunfähigkeit bewirkenden Unfällen etc. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 57, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

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