II. Abteilung, Band 1

Nr. 26

1882 Januar 30

Tagebucheintragung1 des Kronprinzen Friedrich Wilhelm

Eigenhändige Aufzeichnung, Teildruck

Die schnelle Industrialisierung Deutschlands macht staatlichen Eingriff auf sozialem Gebiet notwendig

[...]

Hintzpeter [recte: Hinzpeter2] aß allein bei uns. Er ist der Meinung, daß in Deutschland mehr als in anderen zivilis[ierten] Ländern das ordnende Eingreifen der Staatsgewalt auf wirtschaftlichem Gebiet motiviert ist durch das plötzliche Überführen einer in fremden Ländern allmählich herangewachsenen Industrie in das deutsche Volksleben, wodurch eine größere Verwirrung der Ideen u[nd] Verhältnisse unvermeidlich ward. Die soziale Frage bezeichnet er als eine brennendere für Deutschland wie für irgendein anderes Land, weshalb sie bei uns mit Anwendung aller Mittel, selbst des Zwangs, mittels des Staats u. mit Einsetzung alles Vermögens, selbst des kostbarsten Kapitals der monarchischen Autorität, in Angriff genommen werden sollte.

Außerdem meint er, daß selbst in sozialist[ischen] Arbeiterkreisen immer mehr u. mehr sich die Überzeugung geltend macht, daß Revolution, u. Gewalt überhaupt, zur Lösung der sozialen Frage wenig geeignet seien.

[ Druckseite 107 ]

Registerinformationen

Personen

  • Auguste Viktoria (1858–1921) , Ehefrau Wilhelm II.
  • Bismarck, Otto Fürst von (1815–1898) , Reichskanzler, preußischer Ministerpräsident, preußischer Handelsminister
  • Wilhelm I. (1797–1888) , Deutscher Kaiser und König von Preußen

Sachindex

  • Christentum
  • Sozialreform
  • Staatssozialismus
  • 1GStA Berlin BPH Rep. 52 F 1 Nr. 7 v, fol. 30. »
  • 2Dr. Georg Hinzpeter (1827─1907), Philologe, Geheimer Regierungsrat, überwiegend als Hauslehrer tätig, von 1866 bis 1877 Erzieher des Sohns des Kronprinzen und späteren Kaisers Wilhelm II., lebte seit 1877 in Bielefeld. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 1. Band, Nr. 26, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 1. Band: Grundfragen der Sozialpolitik. Die Diskussion der Arbeiterfrage auf Regierungsseite und in der Öffentlichkeit, bearbeitet von Wolfgang Ayass, Florian Tennstedt und Heidi Winter. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.01.00.0026

Nachnutzung: Digitale Quellensammlung und Forschungsdaten stehen unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International (CC-BY 4.0) Lizenz. Weiterverwendung unter Namensnennung und Angabe des Permalinks.