II. Abteilung, Band 1

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Nr. 1

1881 November [7]

Entwurf1 des Abteilungsdirektors im Reichsamt des Innern Robert Bosse2 für eine Thronrede Wilhelm I.3

Reinentwurf

Erstfassung der Kaiserlichen Botschaft: Ankündigung von wirtschafts- und sozialpolitischen Reformgesetzen, Aufhebung des Sozialistengesetzes als „sehnlichster Wunsch“ des Kaisers

Beim Eintritt des Reichstags in die fünfte Legislaturperiode erwarten Sie bedeutsame und schwierige Aufgaben der Gesetzgebung. Für die gedeihliche Lösung derselben rechnen die verbündeten Regierungen auf Ihre hingebende Mitarbeit. Namens derselben entbiete ich Ihnen daher Gruß und Willkommen.

Zunächst wird Ihre Tätigkeit durch die Beratung und Feststellung des Reichshaushaltsetats in Anspruch genommen werden. Der Entwurf desselben wird Ihnen unverzüglich zugehen.4 Er zeigt in mehrfacher Hinsicht ein erfreuliches Bild der vorschreitenden finanziellen Entwicklung des Reichs. Die unter Zustimmung des Reichstags eingeschlagene Wirtschaftspolitik fährt fort, gute und hoffnungsreiche Früchte zu tragen. Handel und Wandel lassen in den verschiedensten Zweigen einen erwünschten Aufschwung erkennen. Schon jetzt ist ersichtlich, daß wir dem Ziel der finanziellen Selbständigkeit des Reichs uns erheblich genähert haben und weiter nähern. Die Steigerung der den einzelnen Bundesstaaten aus den Erträgnissen der unmittelbaren Einnahmequellen des Reichs zu überweisenden Beträge ist erfreulicherweise nicht unerheblich [ Druckseite 2 ] höher als die Steigerung der unter dem Titel der Matrikularbeiträge in Anspruch zu nehmenden Summen. Daß gleichwohl der Gesamtbetrag der Matrikularbeiträge im Vergleich mit dem laufenden Rechnungsjahr eine Erhöhung erfahren hat, findet seine Begründung in gewissen Einnahmeausfällen und in Bedürfnissen, welche auch bei der sorgfältigsten Rücksichtnahme auf die Finanzlage des Reichs nicht abzuweisen sind. Im Zusammenhang damit steht die Forderung eines Kredits, welcher mittels eines Ihnen vorzulegenden Anleihegesetzentwurfs5 begehrt werden wird.

Über die Modalitäten des Anschlusses der Freien und Hansestadt Hamburg an das deutsche Zollgebiet ist zu Meiner Befriedigung eine vorläufige Einigung erzielt worden.6 Dieselbe hat einen namhaften Beitrag des Reichs zu den Kosten des Zollanschlusses zur Voraussetzung. Ein hierauf bezüglicher Gesetzentwurf wird Ihnen vorgelegt werden.7

In dem Bestreben, die geschäftlichen Übelstände zu beseitigen, welche sich aus der Konkurrenz der Reichstagssessionen mit den Sitzungsperioden der territorialen Landtagsversammlungen ergeben, hatten die verbündeten Regierungen dem vorigen Reichstag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der unter Abänderung der bezüglichen Bestimmungen der Reichsverfassung eine Verlängerung der Legislatur- und Budgetperioden des Reichs vorschlug. Der Reichstag hat diese Vorlage nur zum Teil und in einer Gestalt angenommen, welche nach der Überzeugung der Bundesregierungen nicht geeignet war, die Erreichung des erstrebten Ziels ausreichend sicherzustellen. Ihrer Beschlußnahme wird daher wiederum eine entsprechende Vorlage unterbreitet werden.8

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Auch der in der vorigen Legislaturperiode unerledigt gebliebene Gesetzentwurf über die Bestrafung der Trunkenheit wird Ihnen wieder zugehen.9

Bereits im Jahre 1879 habe Ich bei der Eröffnung des Reichstags auf die mit der Entwicklung unserer Wirtschaftsverhältnisse zusammenhängenden tiefen sozialen Schäden hingewiesen, welche nicht bloß den innern Frieden des Deutschen Reichs, sondern den gesamten Bestand des nationalen Kulturlebens, die bestehende Staats-, Rechts-, Besitz- und Erwerbsordnung bedrohen.10 Ich erachte es für Meine und Meiner Bundesgenossen unabweisliche Pflicht, mit allen Kräften bemüht zu sein, um die gründliche Heilung dieser Schäden zu erreichen. Und dies um so mehr, als die drohende Gefahr noch immer in weiten Kreisen viel zu wenig gewürdigt wird. Der Zustimmung meiner Bundesgenossen bin ich dabei gewiß.

Aber auch an Sie, geehrte Herren, richte Ich angesichts dieser Gefahr und kraft des Mir anvertrauten kaiserlichen Berufs die ernste und dringende Aufforderung, Unsere auf das Heil des teuren Vaterlandes gerichteten Bestrebungen ohne Unterschied Ihrer Parteistellung zu unterstützen. Es handelt sich um die Wahrung der höchsten idealen und materiellen Güter der Nation. Durch bloß repressive Maßregeln sind die feindlichen Mächte, welche von innen heraus unser nationales Leben zu zerstören drohen, nicht zu besiegen. Es bedarf eines aus der lebendigen Erkenntnis des Schadens und aus dem tiefsten Pflichtbewußtsein hervorgehenden, gemeinsamen Handelns aller guten Kräfte der Nation, um durch positive, auf einem einheitlichen und durchgreifenden Plan beruhende Einrichtungen die bedrohten nationalen Güter zu schirmen, den schwächeren Elementen der Gesellschaft die ersehnte Hilfe zu gewähren, die lebensfähigen Keime zu neuen, widerstandsfähigen und Segen verheißenden Organisationen zu pflegen und durch eine weise, maßvolle und energische Reformpolitik den auf den Umsturz der bestehenden Verhältnisse abzielenden Bestrebungen in Unserm Vaterland den Boden zu entziehen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird es erheblicher materieller Mittel bedürfen: Die Beschaffung derselben weist darauf hin, neue und ausgiebige Einnahmequellen für das Reich zu erschließen, ohne der Steuerkraft der Bevölkerung mehr zuzumuten, als sie zu leisten vermag. Das Mittel dazu liegt nach den in benachbarten Ländern gemachten Erfahrungen11 in der Einführung des Tabaksmonopols. Ich habe die Überzeugung, daß es möglich ist, diese Institution ohne Schädigung berechtigter Interessen auch für das Deutsche Reich nutzbar zu machen.12

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Der dem vorigen Reichstag vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Versicherung der Arbeiter gegen Betriebsunfälle hat in der Gestalt, in welcher er aus den Beratungen des Reichstags hervorgegangen war, die Zustimmung der verbündeten Regierungen nicht gefunden.13 Ich hoffe, ihn von den Bundesregierungen in neuer Gestalt wiederaufgenommen zu sehen. Ergänzend wird ihm eine Vorlage zur Seite zu treten haben, welche sich eine einheitliche und alle beteiligten Kreise gleichmäßig umfassende Organisation des gewerblichen Krankenkassenwesens zur Aufgabe stellt.14 Aber auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf eine in mäßigen und weisen Grenzen zu haltende, aber sichere Fürsorge, ohne welche sie der trostlosen Aussicht auf eine völlig ungewisse oder überaus elende Zukunft verfallen müssen.15 Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist zwar eine der schwersten, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches sich auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens auferbaut weiß und sich davon nicht loslösen darf, ohne sich selbst aufzugeben. Die Wege, welche zum Ziel führen, werden auch hier in der richtigen Benutzung des Versicherungswesens sowie in einem gesunden, korporativen Zusammenschluß der beteiligten Berufskreise zu lebenskräftigen, genossenschaftlich zu organisierenden Verbänden zu suchen sein.16 Hierzu bedarf es eingehender und gewissenhafter Vorbereitungen, [ Druckseite 5 ] namentlich der Erhebung einer zuverlässigen und umfassenden Berufsstatistik für das ganze Reichsgebiet, an der es bisher noch gefehlt hat.17

Im Zusammenhang damit steht die Notwendigkeit, die öffentliche Armenpflege, durch deren Kosten viele Gemeinden bereits bis zur äußersten Grenze ihrer Leistungsfähigkeit bedrückt werden, einesteils zu entlasten, anderenteils zu vereinfachen und zu verbessern. Dem Vagabundentum, dessen bedrohliche Ausdehnung noch immer im Zunehmen begriffen ist, wird durch Maßnahmen, die eine wirksamere Zucht und ein Anhalten der Vaganten zur Arbeit ermöglichen, jedoch unter Aufrechterhaltung der Freizügigkeit, zu steuern sein.18

Was die gewerblichen Verhältnisse betrifft, so steht zwar zu hoffen, daß der Handwerkerstand, dieses ungemein wichtige Glied der bürgerlichen Gesellschaft, aufgrund des vom vorigen Reichstag beschlossenen Innungsgesetzes19 sich zu kräftiger, korporativer Gliederung zusammenschließen und damit die ihm durch die Gesetzgebung zu seiner Hebung gebahnten Wege mit Erfolg beschreiten wird. Indessen leidet das redliche, seßhafte Handwerk vielfach unter den Ausschreitungen, zu welchen der allzu schrankenlose Gewerbebetrieb im Umherziehen geführt hat. Auf diesem Gebiet wird durch eine entsprechende Reform des Titel III der Gewerbeordnung eine wirksame Abhilfe zu erstreben sein.20

In Vorbereitung befindet sich eine Vorlage zur Reform der Aktiengesetzgebung21 sowie der Gesetzgebung über das Genossenschaftswesen22. Daneben ist die Aufmerksamkeit [ Druckseite 6 ] der Bundesregierungen längst der einheitlichen Regelung des Versicherungswesens zugewendet.23

Ich hoffe zu Gott, daß es Mir beschieden sein möge, den gedeihlichen Abschluß dieser umfassenden gesetzgeberischen Reformarbeit zu erleben. Ich bin gewiß, daß bei allseitigem guten Willen der Segen des Allerhöchsten diesem guten und großen Werke nicht fehlen wird. Wenn Gott dieses Werk gelingen läßt, so ist Grund zu der freudigen Hoffnung vorhanden, daß alle Klassen der Bevölkerung sich in friedlicher und ruhiger Entwicklung die Hand reichen und daß Mir auch der sehnliche Wunsch erfüllt werden wird, den Bundesgenossen und dem Reichstag die Wiederaufhebung des repressiven Ausnahmegesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie24 vorschlagen zu können.

Registerinformationen

Regionen

  • Frankreich
  • Österreich
  • Preußen

Orte

  • Hamburg
  • Varzin (Kreis Rummelsburg)

Personen

  • Bismarck, Herbert Graf von (1849–1904) , Sohn und Mitarbeiter Otto von Bismarcks, Staatssekretär im Auswärtigen Amt
  • Bismarck, Otto Fürst von (1815–1898) , Reichskanzler, preußischer Ministerpräsident, preußischer Handelsminister
  • Bödiker, Tonio (1843–1907) , Geheimer Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Boetticher, Karl Heinrich von (1833–1907) , Staatssekretär des Innern
  • Bosse, Robert (1832–1901) , Direktor der II. Abteilung im Reichsamt des Innern
  • Landmann, Robert (1845–1926) , stellvertretender bayerischer Bundesratsbevollmächtigter
  • Puttkamer, Robert von (1828–1900) , preußischer Innenminister
  • Wilhelm I. (1797–1888) , Deutscher Kaiser und König von Preußen

Sachindex

  • Aktien
  • Alkoholismus
  • Altersversorgung, siehe auch Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung
  • Arbeitsbuch
  • Armenpflege
  • Berufsstatistik
  • Bundesrat
  • Bundesregierungen
  • Christentum
  • Eisenbahn
  • Etat, Reichsetat
  • Freizügigkeit
  • Frieden, innerer, sozialer
  • Gemeinden, Kommunen
  • Genossenschaften, siehe auch Berufsgenossenschaften
  • Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung („Innungsgesetz“) (18.7.1881)
  • Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung (1.7.1883)
  • Gesetz, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine und der Reichseisenbahnen sowie zur Erhöhung des Betriebsfonds der Reichskasse (15.1.1882)
  • Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (1.5.1889)
  • Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften (18.7.1884)
  • Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie (21.10.1878)
  • Gesetz über den Unterstützungswohnsitz (6.6.1870)
  • Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund (21.6.1869)
  • Gewerbebetrieb im Umherziehen
  • Handwerk, Handwerker
  • Innungen
  • Krankenversicherung, siehe auch Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter
  • Kultur
  • Matrikularbeiträge
  • Reichsregierung
  • Reichstag
  • Reichstagswahlen
  • Reichstagswahlen – 1881
  • Reichsverfassung
  • Repression
  • Revolution
  • Selbstverwaltung
  • Soldaten
  • Steuern
  • Tabakmonopol
  • Thronreden
  • Thronreden – 17.11.1881 (Kaiserliche Sozialbotschaft)
  • Unfallversicherung, siehe auch Gesetze, Unfallversicherungsgesetz
  • Unterstützungswohnsitz
  • Vagabunden
  • Vereine und Verbände
  • Vereine und Verbände – Verband zur Wahrung und Förderung der bergmännischen Interessen in Rheinland und Westfalen
  • Versicherungswesen, privates
  • Zollverein
  • 1Eigenhändiges Konzept in Tinte mit Abänderungen in Bleistift von der Hand Karl Heinrich v. Boettichers: BArch N 1025 (Boetticher) Nr. 33, fol. 83─91. Die in dieser Konzeptfassung Robert Bosses (= Erstfassung) vorgenommenen, sachlich nicht erheblichen Abänderungen v. Boettichers sind hier nicht dokumentiert; sie ergeben sich insgesamt durch einen Vergleich mit der Bismarck zur Genehmigung vorgelegten Reinschrift dieser Erstfassung (Nr. 6). Von Boetticher verfügte dazu am 8.11.1881 am Rande: Die Bleiänderungen gelten. Sofort Reinkonzept für Ew. Durchlaucht, welches mir vorzulegen ist. Die Vorlage an v. Boetticher erfolgte laut Randvermerk der Geheimen Kanzlei am gleichen Tage.Vgl. zur Datierung die Tagebucheintragung Bosses zum 7.11.1881: Die Wahlen sind i(m) allg(emeinen) gegen Bismarck ausgefallen. Ich entwerfe jetzt die Thronrede, mit dem nachträglichen Zusatz: Aus ihr ist die Kais(erliche) Botschaft v. 17. Nov(em)b(er) 1881 geworden, deren Fassung u(nd) Inhalt im wesentl(ichen) v(on) mir herrührt (GStA Berlin VI. HA NL Bosse [D] Nr. 7, fol. 19). Der programmatische Inhalt ging allerdings wohl auf entsprechende Direktiven Bismarcks zurück, die dieser v. Boetticher bei dessen Besuch in Varzin am 2.11.1881 erteilt hatte; vgl. zu den geplanten Gesprächsinhalten den Brief Herbert Graf v. Bismarcks vom 30.10.1881 (Nr. 216 Bd. 1 der I. Abteilung dieser Quellensammlung und Nr. 5 in diesem Band). Dies dürfte nicht zuletzt für den Schlußsatz gelten, der die Aufhebung des Sozialistengesetzes als sehnlichsten Wunsch Wilhelm I. deklariert, tatsächlich war aber eher das Gegenteil der Fall (vgl. Nr. 3). »
  • 2Robert Bosse (1832─1901), seit 2.5.1881 Direktor der II., sog. wirtschaftspolitischen Abteilung im Reichsamt des Innern. »
  • 3Wilhelm I. (1797─1888), seit 1861 König von Preußen, seit 1871 Deutscher Kaiser. »
  • 4Der Etatentwurf für das Etatjahr 1882/83 ging dem Reichstag am 17.11.1881 zu (Sten.Ber. RT 5. LP I. Session 1881/1882, Drucksache Nr. 5). In der Folge erging das Haushaltsgesetz vom 15.2.1882 (RGBl, S. 11). »
  • 5Am 17.11.1881 wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine und der Reichseisenbahnen sowie zur Erhöhung des Betriebsfonds der Reichskasse, vorgelegt (Sten.Ber. RT 5. LP I. Session 1881/1882, Drucksache Nr. 8), in der Folge erging das Gesetz vom 15.2.1882 (RGBl, S. 38); zu Finanzpolitik und Finanzsystem des Reichs vgl. Volker Stalmann, Die Partei Bismarcks, Düsseldorf 2000, S. 378 ff. »
  • 6Diese Einigung war Anfang Mai 1881 erzielt worden, am 25.5.1881 kam es zu einer entsprechenden Vereinbarung (BR-Drucksache Nr. 88 u. Nr. 101). Danach trat Hamburg dem Zollverein bei, behielt jedoch sein Freihafengebiet und erhielt für die Neubauten im Hafengebiet einen Reichszuschuß von 40 Millionen Mark, der etwa ein Fünftel der Kosten deckte. Für diesen Reichszuschuß mußte auch die Zustimmung des Reichstags eingeholt werden. Vgl. die von Heinrich v. Poschinger veröffentlichten Dokumente (Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck, Bd. 2, Berlin 1891, S. 43 ff.); Ernst Hieke, Hamburgs Stellung zum deutschen Zollverein 1878─1882, Hamburg 1935, und Max Oskar Hübner, Der Zollanschluß Hamburgs vom 15. Oktober 1888, Hamburg 1925. »
  • 7Am 17.11.1881 wurde der Gesetzentwurf, betreffend den Beitrag des Reichs zu den Kosten des Anschlusses der Freien und Hansestadt Hamburg an das deutsche Zollgebiet, vorgelegt (Sten.Ber. RT 5. LP I. Session 1881/1882, Drucksache Nr. 4), die Beratungen hierüber begannen am 28.11.1881 (ebenda, 4. Sitzung vom 28.11.81, S. 39 ff.); vgl. auch das verabschiedete Gesetz, betr. die Ausführung des Anschlusses der Freien und Hansestadt Hamburg an das deutsche Zollgebiet, vom 16.2.1882 (RGBl, S. 39). »
  • 8Vgl. den Entwurf eines Gesetzes, betr. die Abänderung der Artikel 13, 24, 69, 72 der Reichsverfassung, vom 15.2.1881 (Sten.Ber. RT 4. LP IV. Session 1881, Drucksache Nr. 5). Die Artikel betrafen den Zusammentritt des Reichstags mindestens alle zwei Jahre, vierjährige Legislaturperioden sowie zweijährige Etats mit entsprechender Rechnungslegung. Am 16.5.1881 wurde der Gesetzentwurf abgelehnt, ein neuer wurde nicht wieder eingebracht. Vgl. dazu auch Bismarcks Schreiben an v. Puttkamer vom 25.4.1882 (Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 14: Briefe, Bd. 2, Berlin 1933, S. 935). »
  • 9Vgl. das am 28.3.1881 vorgelegte Gesetz, betreffend die Bestrafung der Trunkenheit (Sten. Ber. RT 4. LP IV. Session 1881, Drucksache Nr. 70). Der von zahlreichen Petitionen begleitete Gesetzentwurf blieb unerledigt. »
  • 10Eröffnungssitzung des Reichstags vom 12.2.1879 (Sten.Ber. RT 4. LP II. Session 1879, S. 1─4); Wilhelm I. hatte sich in seiner Thronrede lediglich für die Unterstützung bei der Verabschiedung des Sozialistengesetzes bedankt. »
  • 11Vgl. zum Tabakmonopol in Frankreich und Österreich Nr. 180, Nr. 189 und Nr. 198 Bd. 1 der I. Abteilung dieser Quellensammlung, außerdem: Josef Krükl, Das Tabak-Monopol in Österreich und Frankreich, Wien 1878. »
  • 12Am 27.4.1882 legte die Regierung den Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Reichstabakmonopol, vor (Sten.Ber. RT 5. LP II. Session 1882/1883, Drucksache Nr. 7), der vom Reichstag zwar ausführlich beraten, am 15.6.1882 aber abgelehnt wurde. Mit Hilfe des Tabakmonopols sollten die Reichsfinanzen auf eine neue Grundlage gestellt werden, die Altersversorgung sollte dabei als „Schwimmer“ für das Monopol dienen, um dieses vor dem Stranden zu bewahren (vgl. Freiherr Lucius von Ballhausen, Bismarck-Erinnerungen, Stuttgart und Berlin 1920, S. 220; vgl. auch Nr. 192 Bd. 1 der I. Abteilung dieser Quellensammlung). »
  • 13Vgl. den am 8.3.1881 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter (Sten.Ber. RT 4. LP IV. Session 1881, Drucksache Nr. 4), insgesamt die ausführliche Dokumentation in Bd. 2 der I. Abteilung dieser Quellensammlung. »
  • 14Diese erfolgte am 15.6.1883 (RGBl, S. 73), zur Vorgeschichte vgl. die Einleitung zu Bd. 2, 1. Teil, der II. Abteilung, insgesamt dazu Bd. 5 der H. Abteilung dieser Quellensammlung. »
  • 15Robert Bosse war seit 1878 innerhalb der Ministerialbürokratie einer der engagiertesten Befürworter einer gesetzlichen Altersversorgung für Arbeiter; er gab auch den Anstoß, daß ─ nach Abschluß der Kranken- und Unfallversicherung ─ die Arbeiten an der Altersversicherung (wieder) aufgenommen wurden, dabei betonte er den Zusammenhang zur Kaiserlichen Sozialbotschaft (vgl. Nr. 32 Bd. 6 der II. Abteilung dieser Quellensammlung). In einem Bericht des stellvertretenden bayerischen Bundesratsbevollmächtigten Robert Landmann vom 4.7.1888 heißt es, auch bei Abfassung der Kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 (...) sei gerade beabsichtigt gewesen, die Altersrente in den Vordergrund zu stellen; man habe gedacht, kleine Rentner zu schaffen, die für den Staat eine ähnliche Stütze bilden wie die kleinen Rentner in Frankreich (BayHStA München MArb Nr. 1180, n. fol.; vollständiger Abdruck: Nr. 78 Bd. 6 der II. Abteilung dieser Quellensammlung). »
  • 16In seinen Erinnerungen „Zehn Jahre im Reichsamt des Innern“ schreibt Bosse rückblickend dazu: Begreiflicherweise suchte ich in der Thronrede den Gedanken, der mich seit Jahren bewegt hatte und der damals in der Tat das A und das O der Bismarckschen inneren Reichspolitik bildete, den Gedanken, daß eine positive Sozialreform, insbesondere eine gesunde, korporative Organisation der sozialen Kräfte zugunsten einer wirksamen materiellen Hilfe für die gewerblichen Arbeiter nötig sei, so gut ich es vermochte, zum Ausdruck zu bringen. Ich betonte die Notwendigkeit, die sittlichen Kräfte des christlichen Volkslebens nachhaltig zu stärken, denn darin allein sah ich, meiner innersten Überzeugung entsprechend, das lebenskräftige Fundament für die Heilung der sozialen Schäden. Mein Entwurf fand auch in allem wesentlichen die Zustimmung des Staatssekretärs, und dieser legte ihn dem Fürsten Bismarck vor (GStA Berlin VI. HA NL Bosse [M] Nr. 1, fol. 12). »
  • 17Diese wurde durch Gesetz vom 13.2.1882 (RGBl, S. 9) beschlossen, entsprechende Direktiven Bismarcks ergingen bereits am 7.11.1881 (vgl. Heinrich von Poschinger, Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck, Bd. 2, Berlin 1891, S. 76 f.). Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erhebung einer Berufsstatistik sowie die Vornahme einer Viehzählung im Jahre 1882, wurde am 5.12.1881 vorgelegt (Sten.Ber. RT 5. LP I. Session 1881/1882, Drucksache Nr. 27), zu den Kosten erging eine Ergänzung zum Etatentwurf (Drucksache Nr. 28). »
  • 18Vgl. zu dieser seit 1880 verstärkt geführten Diskussion und den Plänen zu einer Novellierung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 6.7.1870: Nr. 155─157 Bd. 7 der I. Abteilung dieser Quellensammlung. »
  • 19Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, vom 18.7.1881 (RGBl, S. 233; vgl. Nr. 204 Bd. 5 der I. Abteilung dieser Quellensammlung). »
  • 20Der entsprechende Gesetzentwurf vom 27.4.1882 (Sten.Ber. RT 5. LP II. Session 1882/ 1883, Drucksache Nr. 5) betraf u. a. den Gewerbebetrieb im Umherziehen, Wandergewerbeschein sowie Arbeitsbuch und wurde nach ausführlichen und kontroversen Beratungen am 2.6.1883 angenommen, hierbei verdiente sich der neue Referent im Reichsamt des Innern Tonio Bödiker seine ersten politischen Sporen (vgl. Nr. 110 Bd. 2, 1. Teil, der II. Abteilung dieser Quellensammlung). Das Gesetz wurde am 1.7.1883 publiziert (RGBl, S. 159). »
  • 21Dieser Entwurf eines Gesetzes, betr. die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften, wurde am 7.3.1884 vorgelegt (Sten.Ber. RT 5. LP IV. Session 1884, Drucksache Nr. 21) und vom Reichstag angenommen; das Gesetz wurde am 18.7.1884 publiziert (RGBl, S. 123); vgl. dazu Werner Schubert/Peter Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, Berlin/New York 1985. »
  • 22Die Novelle zum Genossenschaftsgesetz war bereits in der vorangegangenen Legislaturperiode angekündigt worden; nach dem Beschluß des Bundesrats sollte diese im Anschluß an die Reform des Aktienwesens ergehen. Tatsächlich wurde der Entwurf eines Gesetzes, betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, erst am 27.11.1888 vorgelegt (Sten. Ber.RT 7. LP IV. Session 1888/1889, Drucksache Nr. 28) und angenommen, das Gesetz wurde am 1.5.1889 publiziert (RGBl, S. 55).Die hier angekündigte Reform der Wirtschaftsgesetzgebung verfolgte „soziale Zielsetzungen unter gleichzeitiger Wahrung eines Höchstmaßes von Privat- und damit auch Satzungsautonomie“ (Werner Schubert, 100 Jahre Genossenschaftsgesetz, Tübingen 1989, S. 55). Dieses war Folge der konservativen Wende von 1878/79, aber auch der allgemeinen Erfahrung der Gründerkrise, die darauf hinauslief, daß „man der Einsicht des einzelnen nicht schlechtweg vertrauen“ dürfe, gegenüber der Vertragsfreiheit der Staat die „höheren sozialen und politischen Interessen“ wahrnehme. So jedenfalls hieß es bereits 1877 in einer preußischen Stellungnahme zur Reform des Aktienrechts (BR-Drucksache Nr. 18, S. 6). Das Aktiengesetz von 1884 enthielt daher auch sozialpolitische Schutzbestimmungen zugunsten der kleinen und mittleren Kapitalbesitzer, das Genossenschaftsgesetz von 1889 die staatliche Konzessionierung der Revisionsverbände, also eine gewisse Ausweitung staatlicher Aufsicht gegenüber genossenschaftlicher Selbstverwaltung und -verantwortung. »
  • 23Eine reichsrechtliche Regelung des privaten Versicherungswesens erfolgte erst am 12.5. 1901 (RGBl, S. 139), sie war bereits seit 1869 geplant und sollte ─ nach Aufhebung der Konzessionierung ─ vor allem die Aufsicht betreffen, die selbst in Preußen seit 1866 nicht mehr einheitlich war; vgl. zu Bismarcks weitergehenden Plänen einer Verstaatlichung bzw. öffentlich-rechtlichen Stellung des privaten Versicherungswesens, die die Gesetzgebung zur Versicherungsaufsicht vermutlich verzögerten: Otto Pflanze, Bismarck. Der Reichskanzler, München 1998, S. 414 ff., vgl. hierzu auch: BArch R 1501 Nr. 17223─17224 (nur für den Zeitraum bis November 1882). »
  • 24Das genannte Gesetz vom 21.10.1878 (RGBl, S. 351) ─ auch Sozialistengesetz genannt ─ wird hier interessanterweise als Ausnahmegesetz tituliert, vgl. zu diesem auch Nr. 182 und Nr. 186 Bd. 5 der I. Abteilung dieser Quellensammlung. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 1. Band, Nr. 1, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 1. Band: Grundfragen der Sozialpolitik. Die Diskussion der Arbeiterfrage auf Regierungsseite und in der Öffentlichkeit, bearbeitet von Wolfgang Ayass, Florian Tennstedt und Heidi Winter. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

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