Chronologische Liste aller Quellen

Band- und Abteilungsübergreifende chronologische Liste aller Quellen. Aktuell enthalten: Band 1, Abteilung II. Sortiert nach Datum.

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Abteilung II, 2. Band, 1. Teil

Nr. 183

1884 Juni 12

Abänderungsanträge1 der Reichstagsmitglieder August Bebel2 und Genossen zur dritten Unfallversicherungsvorlage

Druck

[Vorschläge zur Verbesserung der materiellrechtlichen Vorschriften der Unfallversicherungsvorlage]

Abänderungsanträge zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Unfallversicherung der Arbeiter ─ Nr. 115 der Drucksachen3

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Bebel und Genossen4. Der Reichstag wolle beschließen:

Den § 1 zu fassen wie folgt:

Ҥ 1.

Alle gewerblichen, gegen Lohn und für Rechnung anderer Beschäftigten sowie alle forst- und landwirtschaftlichen, ebenso alle in Fabriken und jeder Art von industriellen Betrieben, auf Werften und bei der Schiffahrt und Fischerei beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen werden gegen die Folgen der bei dem Betriebe sich ereignenden Unfälle nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes versichert”;

im Falle der Ablehnung dieses § 1 im § 1 der Kommissionsvorlage Absatz 4 hinter den Worten “beschäftigt werden” einzuschalten: “oder in denen Maschinen, gleichviel ob Bewegungs- oder Arbeitsmaschinen, zur Verwendung gelangen”,

und im Absatz 8 desselben Paragraphen anstelle des Wortes “Bundesrats” zu setzen: “Reichsversicherungsamts”.

Im § 5 Absatz 2 unter 1 die Worte “Beginn” bis incl. “nach”, unter 2 die Worte “Beginn” bis inkl. “nach” zu streichen;

in Absatz 65 unter a anstatt 66 2/3 Prozent zu setzen:

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“den vollen Arbeitsverdienst”;

unter b hinter “Erwerbsunfähigkeit” statt der da folgenden Worte zu setzen:

“den Ersatz des entgangenen Arbeitsverdienstes”.

Zu § 6 im ersten Absatz unter 1 zu sagen:

“Als Ersatz der Beerdigungskosten den Betrag von 90 Mark”;

unter 2a in der zweiten Zeile statt “zwanzig Prozent” zu setzen:

“fünfzig Prozent”;

in demselben Absatz statt “sechzig Prozent” zu sagen:

“den vollen Arbeitsverdienst”;

unter 2a den letzten Absatz zu streichen und dafür zu setzen:

“Der Anspruch der Witwe besteht, auch wenn die Ehe erst nach dem Unfalle geschlossen ist; dasselbe gilt für die von dem Verunglückten anerkannten außerehelich geborenen Kinder.

Die Witwe erhält im Falle der Wiederverheiratung den dreifachen Betrag der Jahresrente als Abfindung”,

ferner dem letzten Absatz des § 6 folgende Fassung zu geben:

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“Für die Hinterbliebenen eines Ausländers, welche zur Zeit des Unfalls nicht im Inlande wohnen, gelten die Bestimmungen der einschlägigen Zivilgesetze.”

Im § 10 den zweiten Absatz zu streichen.

Im § 14 Absatz 2 zu sagen:

“Jeder Unternehmer oder Vertreter eines Betriebes hat eine Stimme.”

Zu § 41: die Regierungsvorlage wiederherzustellen.6

In § 42: Wiederherstellung der Regierungsvorlage mit folgender Änderung: die Worte “derjenigen” bis “angehören” zu streichen und dafür zu setzen:

“der sämtlichen versicherten Arbeiter”;

Absatz 2 desselben Paragraphen zu streichen.

Zu § 43: unter Wiederherstellung der Regierungsvorlage die Worte “oder” bis “Verwaltungsbehörde” zu streichen.

Zu § 44 erster Absatz statt der Worte “derjenigen Behörde, von welcher das Regulativ erlassen ist” zu setzen: “des Reichsversicherungsamtes”.

Als § 45a einzufügen:

“Das Regulativ ist dem Reichstage zur Genehmigung vorzulegen.”

Zu § 46, unter Wiederherstellung der Regierungsvorlage, im zweiten Absatz die Worte “von” bis “Zentralbehörden” zu streichen.─

Zu den §§ 47 und 49: Wiederherstellung der Regierungsvorlage.

Im § 50 vierter Absatz hinter dem Worte “Bundesrat” zu setzen: “und des Reichstages”.

Im § 51 erster Absatz die Worte “von mehr als drei Tagen” zu streichen.

Im § 53 die Worte “von” bis “Wochen” zu streichen.

Zu §§ 54, 55 und 56: Wiederherstellung der Regierungsvorlage.

Im § 58 zweiter Absatz anstatt der Worte “sobald als möglich” zu setzen:

“innerhalb drei Tagen”;

ferner den dritten Absatz desselben Paragraphen zu streichen.

Im § 59 zweiter Absatz anstatt des Wortes “nur” zu setzen: “auch”, und hinter dem Worte “dann” zu setzen: “noch”, und das Wort “zugleich” zu streichen.

Zu § 78: Wiederherstellung der Regierungsvorlage.

Zu § 81 Wiederherstellung der Regierungsvorlage.

Im § 82 Absatz 1 nach dem Worte “befugt” einzuschalten:

“unbeschadet der Rechte der Fabrikinspektoren bzw. Gewerberäte”.

Im § 83 anstatt “andere Sachverständige” zu sagen:

“den Fabrikinspektor bzw.Gewerberat des Bezirks”;

ferner die Worte “In” bis “sind” zu streichen.

Im § 87 dritter Absatz anstatt der Worte “Vertreter der versicherten Arbeiter” zu setzen: “Arbeiterausschüsse”;

ferner den vierten Absatz der Regierungsvorlage wiederherzustellen.

Zu § 90: Wiederherstellung der Regierungsvorlage.

Die §§ 91a und 91b zu streichen.

Im § 93 den vierten Absatz zu streichen.

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Registerinformationen

Personen

  • Beutner, George F. (1829─1893) Geschäftsführer des Zentralverbands deutscher Industrieller
  • Blos, Wilhelm (1849─1927) Schriftsteller, MdR (Sozialdemokrat)
  • Bödiker, Tonio (1843─1907) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Boetticher, Karl Heinrich von (1833─1907) Staatssekretär des Innern
  • Bosse, Robert (1832─1901) Direktor der II. Abteilung für wirtschaftliche Angelegenheiten im Reichsamt des Innern
  • Buhl, Dr. Franz Armand (1837─1896) Gutsbesitzer, MdR (nationalliberal)
  • Dietz, Johann Heinrich Wilhelm (1843─1922) Verlagsbuchhändler, MdR (Sozialdemokrat)
  • Frohme, Karl Franz Egon (1850─1933) Redakteur, MdR (Sozialdemokrat)
  • Gamp, Karl (1846─1918) Geh. Regierungsrat im preuß. Handelsministerium bzw. Reichsamt des Innern
  • Geiser, Bruno (1846─1898) Schriftsteller und Redakteur, MdR (Sozialdemokrat)
  • Grillenberger, Karl (1848─1897) Schlosser, MdR (Sozialdemokrat)
  • Gutfleisch, Dr. Egidi (1844─1914) Rechtsanwalt, MdR (Liberale Vereinigung)
  • Hasenclever, Wilhelm (1837─1889) Lohgerber und Journalist, MdR (Sozialdemokrat)
  • Kayser, Max (1853─1888) Redakteur, MdR (Sozialdemokrat)
  • Kräcker, Julius (1839─1888) Sattler, MdR (Sozialdemokrat)
  • Liebknecht, Wilhelm (1826─1900) Journalist, MdR (Sozialdemokrat)
  • Lohmann, Theodor (1831─1905) Geheimer Oberregierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Stolle, Karl Wilhelm (1842─1918) Gärtner, Gastwirt, MdR (Sozialdemokrat)
  • Vollmar, Georg von (1850─1922) bayer. Offizier a.D. und Redakteur, MdR (Sozialdemokrat)
  • Wyneken, Dr. Ernst Friedrich (1840─1905) Philosoph und Theologe, Freund Theodor Lohmanns
  • 1Sten.Ber. Rs., 5. LP, IV. Sess. 1884, Bd. 4, S. 977 f., Aktenstück Nr. 120. »
  • 2August Bebel (1840─1913), Drechslermeister, Führer der Sozialdemokratischen Partei, seit 1867 MdR (SPD). »
  • 3Die Kommissionsbeschlüsse, auf die sich der Antrag der Sozialdemokraten bezieht, sind, wie sich aus Nr. 175─180 ergibt, weitgehend identisch mit dem sog. klerikal-konservativen Kompromiß (Nr. 175). »
  • 4Der Antrag ist unterschrieben von August Bebel, Wilhelm Blos, Johann Heinrich Wilhelm Dietz, Karl Franz Egon Frohme, Bruno Geiser, Karl Grillenberger, Wilhelm Hasenclever, Max Kayser, Julius Kräcker, Wilhelm Liebknecht, Karl Wilhelm Stolle und Georg v. Vollmar. »
  • 5Die einzelnen Abänderungsanträge erhielten bei den einzelnen Abstimmungen jeweils keine Mehrheit, eine Diskussion ergab sich nur zu § 6, insbesondere zum beantragten Anspruch der “von dem Verunglückten anerkannten außerehelich geborenen Kinder”. Georg von Vollmar begründete diesen Antrag u.a. folgendermaßen: Meine Herren, es läge hier die Versuchung für mich sehr nahe, Ihnen meine Ansichten über die heutige Ehe im allgemeinen zu entwickeln. Ich habe schon, als ich in der ersten Lesung diesen Gegenstand berührte, darauf hingewiesen, daß gerade diejenigen Herren, welche angeblich die Ehe so überaus hoch stellen, es sind, welche dem Volke, soweit sie es vermögen, die eheliche Verbindung unmöglich machen. Ich habe zum Beweis hierfür hingewiesen auf die Herren aus meinem Geburtslande Bayern, welche unlängst so ein wunderbares Gesetzstückchen gemacht haben, wonach den unbemittelten Klassen unter einer Menge von Umständen die Ehe verwehrt wird. Die reichen, die “angesehenen” Leute können nach freiem Belieben heiraten, und wenn sie das nicht wollen und irgendwelche andere Verbindungen eingehen, so wird ihnen ebenfalls die Polizei nichts in den Weg legen. Ganz anders aber beim besitzlosen Volke. Wer kein Geld hat, soll nicht heiraten, und jede andere Verbindung wird als “Konkubinat” betrachtet und unterliegt der Einmengung der Polizei und der Gerichte. Ich glaube, daß hier auf diese Dinge hingewiesen werden muß. Erst wird es dem Arbeiter ganz allgemein durch den auf ihm lastenden ökonomischen Druck und überdies noch durch Ehehinderungsgesetze wie das erwähnte schwer, ja in zahlreichen Fällen unmöglich, eine staatlich anerkannte Ehe einzugehen, und dann trifft man wieder Bestimmungen, welche die Nichteingehung der Ehe dadurch bestrafen, daß die sogenannten “illegitimen” Kinder ─ ich halte sehr wenig auf dieses Wort ─ des verunglückten Arbeiters keinerlei Entschädigung, keine Unfallrente erhalten und so vollkommen recht- und hilflos zurückbleiben sollen. Wenn man überhaupt irgendeinen Rechtsgrund haben wollte, derartige Bestimmungen in ein Gesetz aufzunehmen, so müßte mindestens die Möglichkeit geschaffen werden, daß die Angehörigen des arbeitenden Volkes ganz ebenso leicht wie die der reichen und herrschenden Klassen die Ehe eingehen könnten. Dies liegt aber freilich gar nicht in Ihrer Willensmacht; denn Sie können wohl die besonderen gesetzlichen Hindernisse der Ehe beseitigen, nicht aber das allgemeine und hauptsächliche, den ökonomischen Druck, Armut und Elend des Volkes aus der Welt schaffen, ohne die Grundlage der Bevorrechtung der herrschenden Klassen selbst aufzugeben. Ich will jedoch jetzt nicht weiter auf das Allgemeine der großen Frage von Ehe und Familie eingehen; es wird sich schon später noch einmal Gelegenheit dazu bieten. Ich will mich augenblicklich auf den rein juristischen Standpunkt stellen. Formal-rechtlich ergibt sich die Pflicht des Arbeitsherrn, nicht nur den in seinem Dienst verunglückten Arbeiter selbst, sondern auch dessen Frau und Kinder in gewissem Maße zu entschädigen, aus der gesetzlichen Alimentationspflicht des Vaters. Die Alimentationspflicht besteht aber nicht allein für die sogenannte legitime Frau und für die sogenannten legitimen Kinder. Ich sehe also nicht ein, auf welchen Rechtsgrund hin man dazu kommen kann, die anerkannten illegitimen Kinder des Verunglückten von der Rechtsnachfolge auszuschließen. Freilich sind Sie bereits bei den vorangehenden Paragraphen in der gleichen Richtung vorgegangen. Sie haben beschlossen, daß die Hinterbliebenen solcher Verunglückter, welche den Unglücksfall mit Absicht herbeigeführt haben, keinerlei Entschädigung erhalten sollen; “die Sünden der Eltern sollen an den Kindern bestraft werden”. Meine Herren, diese Ahndung der Tat an einem zweiten, vollkommen Unschuldigen mag sehr christlich sein, aber sie ist sehr wenig menschlich! Und deshalb muß ich derartige Bestimmungen mit allem Nachdruck bekämpfen. Darauf antwortete Freiherr von Maltzahn-Gültz u.a.: Der Antrag, welchen die sozialdemokratischen Abgeordneten gestellt haben, und den der Herr Abgeordnete von Vollmar soeben vertreten hat, hat die Absicht, bei diesem Punkte einen jeden Unterschied zwischen ehelichen und unehelichen Kindern grundsätzlich auszuschließen. Wir auf unserer Seite stellen die Ehe so hoch, daß es uns unmöglich ist, auf diesen Antrag einzugehen, und ich habe mich nur zum Worte gemeldet, um diese grundsätzliche Verschiedenheit der Auffassung ausdrücklich zu konstatieren; für die Freisinnigen ergänzte Dr. Egidi Gutfleisch: Ich habe zu erklären, daß meine Freunde mit mir bezüglich der unehelichen Kinder zum Teil aus sachlichen Gründen, zum Teil aus dem Grunde gegen den Antrag der Herren Abgeordneten Bebel und Konsorten stimmen werden, weil zur Zeit es an einem gemeinsamen Recht in dieser Hinsicht vollständig fehlt und es nicht möglich ist, den Begriff der “Anerkennung” so zu präzisieren, daß nicht zahllose Streitigkeiten entstehen. Wir sind daher zur Zeit nicht in der Lage, für diesen Antrag zu stimmen. Allerdings beantragte er ─ erfolglos ─ die Streichung von § 6 Abs. 2 a, 4. Satz (Sten.Ber.RT, 5. LP, 4. Sess. 1884, Bd. 2, S. 809 f.). »
  • 6Zu diesem Antrag fand (zusammen mit einem ähnlichen Antrag v. Dr. Armand Buhl u. Genossen) eine namentliche Abstimmung statt. Er wurde aber, wie alle anderen Anträge auch, abgewiesen. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 183, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.02.01.0183

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