Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914

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Abteilung II, 2. Band, 1. Teil

Nr. 55

1882 Mai 5

Bericht¹ des stellvertretenden bayerischen Bundesratsbevollmächtigten Joseph Herrmann² an den bayerischen Minister des Innern Max Freiherr von Feilitzsch³

Entwurf

[Bericht über seine Ausschußarbeit im Bundesrat]

Euer Exzellenz danke ich verbindlichst für das so überaus gütige Schreibem vom 1. d. M.; der Erlaß vom 29. v. M., dem ich schon derzeit selber nicht mehr gerecht werden konnte, hatte mir Sorge gemacht; das ist nun auch wieder glücklich vorbei!

Gestern saßen wir in Subkommission von 9 bis abends 5 Uhr; um 12 Uhr verzehrten wir stehend im Sitzungszimmer ein Butterbrot. Dabei wurden auch die zurückgestellten §§ 42─52⁴ erledigt u. im Einverständnisse mit Lohmann im Sinne der mir erteilten Instruktion⁵ amendiert. Nur die Wünsche zu § 42 konnten nicht befriedigt werden, wie ich glaube, nicht ganz ohne Grund wegen der Rücksichtnahme auf die kleinsten Staaten, die in ihrem Gebiete keine Genossenschaften für sich bilden können. Dagegen ist “der Reichskanzler” überall durch “die gemeinsame Verfügung der beteiligten Zentralbehörden” ersetzt u. dabei noch über die Anforderungen der Instruktion hinausgegangen worden. Morgen wird Ausschußsitzung sein, um die inzwischen gedruckt werdenden Anträge der Subkommission zu ratifizieren, u. daran anschließend noch am nämlichen Tage das Plenum. Dann werde ich mit meinen zwei Referaten im Bundesrate fertig sein. Die Arbeit war nicht wenig, aber sie ist mir, wie ich glaube, gut vonstatten gegangen. Ich habe manches erkämpft, alles konnte unmöglich erreicht werden. Dabei sind mir freilich [ Druckseite 211 ] die guten Instruktionen sehr behilflich gewesen, die ich Euer Exzellenz zu danken hatte. Es sind sehr streitbare Herren, mit denen man es im Bundesrate zu tun hat u. böse Zungen dazu; man möchte wohl bei solcher Arbeit beklommen werden. Mancher von ihnen wird wohl erwartet haben, daß ich mich blamieren werde, weil ich mir zuviel zugetraut habe. Allein, es ist ganz gut gegangen.

• ¹BayHStA MArb 1242, n.fol. »
• ²Joseph Herrmann (1836─1914), seit 1876 Regierungsrat (seit 1879 Oberregierungsrat) im bayer. Ministerium des Innern, seit 1878 als stellvertretender Bevollmächtigter Bayerns beim Bundesrat tätig, hatte auf ausdrücklichen Wunsch Karl Heinrich von Boettichers das Referat im Bundesrat über die Arbeiterversicherungsvorlagen übernommen. Am 4.4.1882 hatte Hugo Graf Lerchenfeld darüber seinem Minister berichtet: Das Referat über die beiden Versicherungsentwürfe sowie über Abänderung der Gewerbeordnung wünscht Herr v. Boetticher dem k. Oberregierungsrat Hernnann zu übertragen. Jedenfalls gibt sich derselbe der Hoffnung hin, daß der gen(ann)te bayerische Bevollmächtigte die Berichterstattung über die beiden nicht leicht zu trennenden Versicherungsgesetze übernehmen wird. Herr v. Boetticher bat mich, ihn baldigst davon zu unterrichten, ob u. welche Referate Oberregierungsrat Herrmann übernimmt, u. er würde großen Wert darauf legen, daß der genannte bayerische Bevollmächtigte spätestens gleich nach Ostern hierher kommt, um mit den betreffenden Referenten im Reichsamt des Innern in Verbindung zu treten. (BayHStA Bayerische Gesandtschaft Berlin 1052, n. fol.) »
• ³Max Freiherr von Feilitzsch (1834─1913), seit 1881 bayer. Minister des Innern. »
• ⁴Diese betrafen die Einrichtung und Abänderung von Betriebsgenossenschaften und Verbänden. »
• ⁵Vgl. dazu die Denkschrift des bayerischen Staatsministeriums des Innern Entwurf eines Gesetzes betr. die Unfallversicherung der Arbeiter v. 29.4.1882, die Hermann vorab zuging (BayHStA MA 77379, n.fol. [Blatt 28─31]). »