Chronologische Liste aller Quellen

Band- und Abteilungsübergreifende chronologische Liste aller Quellen. Aktuell enthalten: Band 1, Abteilung II. Sortiert nach Datum.

Eine chronologische Auflistung der Quellen über alle Bände hinweg ist als PDF verfügbar.

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil

[ Druckseite 15 ]

Nr. 3

1881 Juli 28

Bericht1 des Generalsekretärs des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands2 Otto Wenzel3 an den Staatssekretär des Innern Karl Heinrich von Boetticher

Ausfertigung

[Die Arbeiterunfallstatistik für die letzten drei Jahre wird übersandt]

Eurer Exzellenz beehrt sich der gehorsamst Unterzeichnete infolge der Aufforderung vom 15. d. M.4 hierdurch in Anlage das Ergebnis der von dem Verein der chemischen Industriellen im Januar 1880 unter seinen Mitgliedern angestellten statistischen Erhebungen über die Arbeiterunfallversicherung während der letzten 3 Jahre ganz ergebenst zu übersenden.

Die seitens der Reichsregierung angeordneten statistischen Ermittlungen wird der Verein durch entsprechende Einwirkung auf seine Mitglieder nach Möglichkeit zu fördern suchen und erklärt sich gern bereit, jedes ihm sonst zu Gebote stehende Material im öffentlichen Interesse der Behörde jederzeit zur Verfügung zu stellen.

Statistik der Arbeiterunfallversicherung, Januar 1880

Von den Mitgliedern des Vereins der chemischen Industriellen hatten 110 Fabrikanten mit 12 633 Arbeitern die ihnen zugestellten Fragebogen ordnungsmäßig ausgefüllt.

Hiernach waren von diesen 110 Fabrikanten 97 mit 11 127 Arbeitern gegen die Folgen des Haftpflichtgesetzes versichert, und zwar:

76 mit 9384 Arbeitern gegen Unfälle jeder Art,

21 mit 1743 Arbeitern lediglich gegen Haftpflichtfalle.

Von diesen 97 Versicherungen waren abgeschlossen:

27

bei der Leipziger Versicherungsgesellschaft

27

" " Magdeburger "

13

" " Chemnitzer "

12

" Gesellschaft Prometheus

8

" " " Rhenania

5

" " Schlesischen und

5

" " Züricher Versicherungsgesellschaft.

Nach Angabe der Versicherungsnehmer sind Klagen über mangelhafte oder unkulante Erfüllung der Verbindlichkeiten nur in vereinzelten Fällen zu erheben gewesen.

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Von den 97 Versicherungsnehmern trugen

82 die Kosten der Versicherung ganz allein,

15 zogen die Arbeiter zu Beiträgen mit heran.

Im Durchschnitt wurden an Versicherungsprämien (bei Gegenseitigkeitsgesellschaften einschließlich der Nachzahlungen) von jeder Fabrik 873,28 Mark, oder 750 M pro Kopf des Arbeiters jährlich gezahlt. Die Beiträge erhöhten sich in 10 Fabriken dadurch, daß für den durch Eisenbahnwaggons hergestellten Verkehr innerhalb der Fabrik ein besonderer Zuschlag erhoben wurde; in 33 anderen Fabriken blieb dieser Verkehr dagegen ohne Einfluß auf die Höhe der Prämiensätze. Die letzteren variierten von 1 bis 15 Mark pro Kopf des Arbeiters.

Die Zahl der Unfälle während der letzten drei Jahre belief sich im ganzen auf 1644.

Dieselben verteilten sich auf

82 Fabriken mit 11 219 Arbeitern, während

28 Fabriken mit 1414 Arbeitern von jedem Unfall verschont blieben. Da die Mehrzahl der Versicherungen sich auf Unfälle aller Art erstreckten, so ist eine Scheidung der Haftpflichtfalle von den Nichthaftpflichtfällen unmöglich.

Unter diesen 1644 Unfällen waren

866 leichte Verletzungen, d. h. solche, welche innerhalb 14 Tagen geheilt waren; (darunter 356 Verbrennungen u[nd] 393 Quetschungen)

731 schwere Verletzungen, die eine längere Zeit zur Heilung in Anspruch nahmen, (darunter 447 Verbrennungen, 194 Quetschungen, 4 Gliederverluste)

47 Todesfälle (19 Verbrennungen, 7 Quetschungen, 6 durch Explosionen, 5 durch Fuhrwerk, 3 durch Ersticken etc.)

Von den 1644 Unfällen blieben

83 ganz ohne Entschädigung; bei

715 Verletzungen wurde dem Beschädigten Arzt und Apotheke frei gewährt;

587 Unfälle wurden durch Tagegelder bis zur Heilung,

252 durch einmalige Abfindungssummen,

7 durch Renten entschädigt.

Die Tagegelder betrugen pro Tag

bei

173

Unfällen zwischen 0,90─1,50 Mark incl.
"

166

" " 1,50─200 " "
"

15

" " 2,00─2,50 " "
"

232

" " 2,50─3,00 " "
"

1

" " 3,75 " "

Die einmaligen Abfindungssummen beliefen sich im ganzen auf 77 880 Mark, im Durchschnitt also auf 309 Mark, nach Aussonderung der Fälle der Halb- und Ganzinvalidität und der Todesfälle jedoch nur auf 77,2 Mark. Bei Fällen der Halbund Ganzinvalidität stellte sich die einmalige Entschädigung durchschnittlich auf 1565,85 Mark, bei Todesfällen auf 2638,24 Mark.

An Renten wurden gewährt: bei 4 Fällen der Ganzinvalidität durchschnittlich 141,61 Mark und bei 3 Todesfällen an die Hinterbliebenen 383,33 Mark per Jahr.

Neben der Unfallversicherung bestanden in 78 Etablissements mit 10 118 Arbeitern besondere Krankenkassen. In 18 dieser Fabriken bestritten die Arbeiter die Beiträge zu diesen Kassen allein, in allen übrigen trug der Unternehmer mindestens [ Druckseite 17 ] einen Teil der Kosten, und zwar war in den meisten (32) Fällen die Beitragspflicht so geteilt, daß der Unternehmer ein Drittel und die Arbeiter zwei Drittel zahlten. In 7 Fabriken zahlten die Arbeitgeber und die Arbeiter je die Hälfte, in 4 Fällen wurde die Kasse von dem Arbeitgeber allein unterhalten.

In einzelnen Etablissements brachten die Unfallversicherungsgesellschaften das von der Krankenkasse dem verunglückten Arbeiter gezahlte Krankengeld von der Entschädigungssumme in Abzug, während in den weitaus meisten Fällen die Subvention aus der Krankenkasse neben der Unfallentschädigung in vollem Betrage gezahlt wurde.

Registerinformationen

Personen

  • Boetticher, Karl Heinrich von (1833─1907) Staatssekretär des Innern
  • Engel, Dr. h. c. Ernst (1821─1896) Direktor des preußischen Statistischen Büros
  • Puttkamer, Robert von (1828─1900) preuß. Innenminister
  • Wenzel, Otto (1840─1929) Verbandsgeschäftsführer
  • 1BArchP 15.01 Nr. 406, fol. 76─78 Rs. »
  • 2Der Verein wurde 1877 gegründet. »
  • 3Otto Wenzel (1840─1929), Schriftsteller und Redakteur, seit 1877 Generalsekretär des Vereins. »
  • 4Ausfertigung: ebd., fol. 44─44 Rs.; die Anfrage wurde an 18 führende Vereine und Industrieverbände versandt (Aufstellung: ebd., fol. 43─43 Rs.). »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 3, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.02.01.0003

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