Chronologische Liste aller Quellen

Band- und Abteilungsübergreifende chronologische Liste aller Quellen. Aktuell enthalten: Band 1, Abteilung II. Sortiert nach Datum.

Eine chronologische Auflistung der Quellen über alle Bände hinweg ist als PDF verfügbar.

Abteilung II, 1. Band

Nr. 10

1881 November 17

Tagebucheintragung1 des Kronprinzen Friedrich Wilhelm2

Eigenhändige Aufzeichnung, Teildruck

Kritische Stellungnahme zur Kaiserlichen Botschaft

[...] Auf All[er]h[öchsten] Befehl nach Berlin zur Reichstagseröffnung, aber kaum angekommen, Botschaft, daß Ärzte es S[einer] M[ajestät] widerrieten, deshalb wir Prinzen (ohne Ordensband aber in Paradeanz[ug]) dem Schloßkapellengottesdienst beizuwohnen hätten!3

Nach Potsdam zurück u[nd] mit Ob[er]forstmeister v. Alvensleben4 Bestände Nr. 56 u. 57 in Pirschheide5 revidiert.

Durch die Abendzeitungen erfuhr ich den Wortlaut der Bismarckschen Eröffnungsrede,6 welche, abweichend vom bisherigen Brauch, von S. M. unterschrieben [ Druckseite 66 ] ist.7 Für die inneren Reformen u. seine wirtschaftl[iche] Politik schiebt er nicht allein S. M. in den Vordergrund, sondern bedient sich S. M. als Schild für seine Zwecke, wie es noch im verfass[ungs]mäßigen Leben kein Minister getan!!8 Ich werde einmal u. meine Nachfolger an diesem factum zu kauen haben!

Dem Wortlaut nach macht S. M. nicht nur Bismarcks Programm zu dem seinigen, sondern zu dem des Reichs und seiner Nachfolger, so daß nur auf Mitwirkung im ausschließl[ichen] Sinn dieses Programms hin die hierzu Aufgeforderten eintreten können. Allen Parteien ist also das Mitregieren unmöglich, weil man nur im obengedachten Sinn entweder handeln oder sich enthalten muß.

Korporative Genossenschaften zur Hebung des Arbeiterstandes in Beschränkung staatlicher Mitwirkung „auf staatlichen Schutz u. Förderung“, in welcher Weise Aufgaben gelöst werden könnten, denen die Staatsgewalt allein nicht gewachsen wäre, sind angekündigt. Das Tabakmonopol „als Unterstützungsmittel der Armen u. Kranken“ scheint in dieser Form nicht wieder aufzukommen, wohl aber sollen mit dem Tabaksteuerertrag drückende direkte Landessteuern abgeschafft, die Gemeinden von Armenund Schullasten, von Zuschlägen zu Grund- u. Personalsteuern usw. entlastet werden.

[ Druckseite 67 ]

Registerinformationen

Regionen

  • Sachsen, Königreich

Orte

  • Breslau

Personen

  • Hohenlohe-Schillingsfürst, Gustav Adolf , Prinz zu (1823–1896) Kardinalbischof von Albano
  • Lucius von Ballhausen, Freiherr Dr. Robert (1835–1914), preußischer Landwirtschaftsminister
  • Nostitz-Wallwitz, Hermann von (1826–1906) , sächsischer Innen- und Außenminister
  • Nostitz-Wallwitz, Oswald von (1830–1885) , sächsischer Gesandter in Berlin, Bundesratsbevollmächtigter
  • Planitz, Karl Paul Edler von der (1837–1902) , Oberstleutnant im sächsischen Kriegsministerium, Militärbevollmächtigter in Berlin, Bundesratsbevollmächtigter
  • Rodbertus-Jagetzow, Johann Karl (1805–1875), Nationalökonom, Gutsbesitzer in , Jagetzow (Kreis Demmin)
  • Türckheim zu Altdorf, Hans Freiherr von , (1814–1892), a. o. Gesandter Badens in Berlin, stellvertretender Bundesratsbevollmächtigter
  • Wagener, Hermann (1815–1889) , Justizrat und Publizist, Geheimer Ober- , regierungsrat im preußischen Staatsministerium
  • Wilhelm I. (1797–1888) , Deutscher Kaiser und König von Preußen

Sachindex

  • Altersversorgung, siehe auch Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung
  • Armenlasten
  • Bundesrat
  • Gemeinden, Kommunen
  • Genossenschaften, siehe auch Berufsgenossenschaften
  • Großgrundbesitz
  • Korporationen
  • Presse
  • Presse – Germania
  • Presse – National-Zeitung
  • Reichstag
  • Reichstagswahlen
  • Reichstagswahlen – 1881
  • Schule
  • Steuern
  • Tabakmonopol
  • 1GStA Berlin BPH Rep. 52 F 1 Nr. 7 u, fol. 321. »
  • 2Vgl. Nr. 9 Anm. 7. »
  • 3Vgl. Nr. 9 Anm. 11. »
  • 4Gebhard von Alvensleben (1824─1909), Oberforstmeister, Mitglied des Hofjagdamts und des Herrenhauses. »
  • 5Auch Pürschheide, Waldgebiet südlich von Wildpark bzw. der Straße Potsdam-Werder bis zur Havel. »
  • 6Martin Philippson (Das Leben Kaiser Friedrichs III., Wiesbaden 1900, S. 336) teilte darüber mit: „Der Kanzler hatte dem Kronprinzen keine Kenntnis von der zu erlassenden Botschaft gegeben; aber nachträglich [14 Tage später] setzte er ihm die Gründe auseinander, die sie veranlaßt hatten.“ Friedrich Wilhelm hatte am 15.11.1881 (16 Uhr) eine längere Unterredung mit Bismarck, bei der es um den Ausgang der Wahlen ging; vgl. hierzu Tagebuchaufzeichnungen des Kronprinzen vom 15.11.1881 und vom 28.11.1881, wo er notierte: Bismarck setzte mir nochmals seine politischen Grundsätze auseinander, ähnlich wie am 15. Er meint, daß im konservativen Sinn die Zahl der Stimmenden zu-, die der Gegner abgenommen habe, wiewohl letztere mehr Abgeordnete stellten. Sobald seine Abstimmung beweise, daß er in der Minorität sei, werde er die Parteigruppen fragen, ob sie ihm Ministerkandidaten nennen können. Er ist nicht abgeneigt, Gustav Hohenlohe (Kardinal) für Breslau zu versuchen (GStA Berlin BPH Rep. 52 F 1 Nr. 7 u, fol. 319 u. 332). Die „Germania“ vom 15.11.1881 berichtete ─ eine Meldung der „National-Zeitung“ aufgreifend ─, es sei ja allbekannt, daß der Kronprinz den politischen Angelegenheiten absolut fernstehe, von dem Inhalt einer Thronrede vorher keine Mitteilung erhalte und nur die Staatsgeschäfte vornehme, zu denen er von dem Kaiser speziellen Auftrag erhält (Nr. 261). »
  • 7Diese Ausfertigung, die der eines Gesetzes ähnelt, dürfte nicht mehr überliefert sein, sie wurde aber bereits 1934 faksimiliert publiziert (Reichsversicherungsamt [Hg.], Fünfzig Jahre Reichsversicherungsamt 1884─1934, Festschrift, Berlin 1934) und danach mehrfach abgedruckt (Zeitschrift für Sozialreform 27 [1981], S. 731). »
  • 8Vgl. dazu auch die Meinung von Robert Lucius (Nr. 8). Wilhelm I. befürwortete allerdings Bismarcks soziales Reformprogramm auch persönlich, vgl. dazu Nr. 13 Anm. 1, und schrieb ihm ein knappes Jahr später ─ am 30.10.1882 ─ erneut positiv zur Sozialbotschaft: Ich kann nur in Ihren Beifall einstimmen über die bessere politische Temperatur, die sich im Lande bei den Wahlen gezeigt hat, und teile ich ganz Ihre Ansicht, daß die Erlasse vom November und Januar ─ allein Ihr Werk großer Voraussicht ─ diesen Umschwung in denkenden politischen Männern endlich herbeigeführt haben (Horst Kohl [Hg.], Kaiser Wilhelm I. und Bismarck, Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen von Otto Fürst v. Bismarck, I, Berlin 1901, S. 313). ─ Die Grundidee einer Kaiserlichen Botschaft zur sozialen Frage geht auf Karl Rodbertus-Jagetzow und Hermann Wagener zurück, vgl. Nr. 94 („Sozialkaiser“ vs. „Sozialpapst“) und vor allem Nr. 100 Bd. 1 der I. Abteilung dieser Quellensammlung; ein unmittelbarer Zusammenhang zum Vorgehen Bismarcks ist allerdings nicht nachweisbar. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 1. Band, Nr. 10, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 1. Band: Grundfragen der Sozialpolitik. Die Diskussion der Arbeiterfrage auf Regierungsseite und in der Öffentlichkeit, bearbeitet von Wolfgang Ayass, Florian Tennstedt und Heidi Winter. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.01.00.0010

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