II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 176

1884 Mai 20

Gemeinsame Abänderungsanträge1 der Fraktionsmitglieder von Zentrum, Deutschkonservativer Partei und Reichspartei zur zweiten Lesung der dritten Unfallversicherungsvorlage in der VII. Reichstagskommission (sog. klerikal-konservativer Kompromiß)

Druck, Teildruck2

[Zwangsversicherung, Ausdehnung auf enumerativ festgelegte Bau- und Explosivstoffbetriebe, Ausschluß von Beamten 13wöchige Karenzzeit (in dieser Entschädigungspflicht des Unternehmers bei nicht bestehender Krankenversicherung), Versicherungspflichtgrenze bis 2000 M, Mindestjahresarbeitsverdienst und unterproportionale ─ ein Drittel ─ Steigerungsbeträge der Rente ab 2000 M Jahresarbeitsverdienst, Berufsgenossenschaften auf Bezirksebene als Versicherungsträger, Umlageverfahren mit obligatorischem Reservefonds in Höhe des letzten Jahresbedarfs, Reichsgarantie, enumerativ festgelegte Aufgaben der Arbeitervertreter, Reichsversicherungsamt und ─ fakultative ─ Landesversicherungsämter]

Die Kommission wolle beschließen:

Die §§ 1 bis 3 in folgender Fassung anzunehmen:

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§ 1

[1] Alle in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Steinbrüchen, Gräbereien (Gruben), auf Werften und Bauhöfen, sowie in Fabriken und Hüttenwerken beschäftigten Arbeiter und Betriebsbeamten, letztere sofern ihr Jahresarbeitsverdienst an Lohn oder Gehalt zweitausend Mark nicht übersteigt, werden gegen die Folgen der bei dem Betriebe sich ereignenden Unfälle nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes versichert.

[2] Dasselbe gilt von Arbeitern und Betriebsbeamten, welche von einem Gewerbetreibenden, dessen Gewerbebetrieb sich auf die Ausführung von Maurer-, Zimmer-, Dachdecker-, Steinhauer- und Brunnenarbeiten erstreckt, in diesem Betriebe beschäftigt werden.

[3] Den im Absatz 1 aufgeführten gelten im Sinne dieses Gesetzes diejenigen Betriebe gleich, in welchen Dampfkessel oder durch elementare Kraft (Wind, Wasser, Dampf, Gas, heiße Luft usw.) bewegte Triebwerke zur Verwendung kommen, mit Ausnahme der land- und forstwirtschaftlichen nicht unter den Absatz 1 fallenden Nebenbetriebe, sowie derjenigen Betriebe, für welche nur vorübergehend eine nicht zur Betriebsanlage gehörende Kraftmaschine benutzt wird.

[4] Im übrigen gelten als Fabriken im Sinne dieses Gesetzes insbesondere diejenigen Betriebe, in welchen die Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen gewerbsmäßig ausgeführt wird, und in welchen zu diesem Zwecke mindestens zehn Arbeiter regelmäßig beschäftigt werden, sowie Betriebe, in welchen Explosivstoffe gewerbsmäßig erzeugt werden.

[5] Welche Betriebe außerdem als Fabriken im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sind, entscheidet das Reichsversicherungsamt (§§ 87 ff.).

[6] Auf gewerbliche Anlagen, Eisenbahn- und Schiffahrtsbetriebe, welche wesentliche Bestandteile eines der vorbezeichneten Betriebe sind, finden die Bestimmungen dieses Gesetzes ebenfalls Anwendung.

[7] Für solche unter die Vorschrift des § 1 fallende Betriebe, welche mit Unfallgefahr für die darin beschäftigten Personen nicht verknüpft sind, kann durch Beschluß des Bundesrats die Versicherungspflicht ausgeschlossen werden.

[8] Arbeiter und Betriebsbeamte in anderen, nicht unter Absatz 3 fallenden, auf die Ausführung von Bauarbeiten sich erstreckenden Betrieben können durch Beschluß des Bundesrats für versicherungspflichtig erklärt werden.

§ 2

[1] Durch statutarische Bestimmung (§§ 16 ff.) kann die Versicherungspflicht auf Betriebsbeamte mit einem zweitausend Mark übersteigenden Jahresarbeitsverdienst erstreckt werden. In diesem Falle ist bei der Feststellung der Entschädigung der volle Jahresarbeitsverdienst zugrunde zu legen.

Absatz 2 [in Nr. 173] fällt weg.

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§ 3

[1] Als Gehalt oder Lohn im Sinne dieses Gesetzes gelten auch Tantiemen und Naturalbezüge. Der Wert der letzteren ist nach Ortsdurchschnittspreisen in Ansatz zu bringen.

[2] Als Jahresarbeitsverdienst gilt, soweit sich derselbe nicht aus mindestens wochenweise fixierten Beträgen zusammensetzt, das Dreihundertfache des durchschnittlichen täglichen Arbeitsverdienstes. Für Arbeiter in Betrieben, in welchen die übliche Betriebsweise für den das ganze Jahr regelmäßig beschäftigten Arbeiter eine höhere oder niedrigere Zahl von Arbeitstagen ergibt, wird diese Zahl statt der Zahl dreihundert der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes zugrunde gelegt.

[3] Bei Lehrlingen und jugendlichen Arbeitern, welche keinen oder einen geringen Lohn beziehen, gilt als Jahresarbeitsverdienst das Dreihundertfache des von der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Gemeindebehörde für Erwachsene festgesetzten ortsüblichen Tagelohns gewöhnlicher Tagearbeiter (§ 8 des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883).

Der Rest des Paragraphen [in Nr. 173] ist zu streichen.

§ 4 der Regierungsvorlage [in Nr. 145] wieder herzustellen.

Den § 5 wie folgt zu fassen:

§ 5

[1] Gegenstand der Versicherung ist der nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen zu bemessende Ersatz des Schadens, welcher durch Körperverletzung oder Tötung entsteht.

[2] Der Schadensersatz soll im Falle der Verletzung bestehen:

1. in den Kosten des Heilverfahrens, welche vom Beginn der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls an entstehen;

2. in einer dem Verletzten vom Beginn der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls an für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit zu gewährenden Rente.

[3] Die Rente ist nach Maßgabe desjenigen Arbeitsverdienstes zu berechnen, den der Verletzte während des letzten Jahres seiner Beschäftigung in dem Betriebe, in welchen der Unfall sich ereignete, an Gehalt oder Lohn durchschnittlich für den Arbeitstag bezogen hat (§ 3), wobei der vier Mark übersteigende Betrag nur mit einem Drittel zur Anrechnung kommt.

[4] War der Verletzte in dem Betriebe nicht ein volles Jahr, von dem Unfalle zurückgerechnet, beschäftigt, so ist der Betrag zugrunde zu legen, welchen während dieses Zeitraumes Arbeiter derselben Art in demselben Betriebe oder in benachbarten gleichartigen Betrieben durchschnittlich bezogen haben.

[5] Erreicht dieser Arbeitsverdienst (Absatz 3 und 4) den von der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Gemeindebehörde für Erwachsene festgesetzten ortsüblichen Taglohn gewöhnlicher Tagearbeiter (§ 8 des Gesetzes, bestreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883) nicht, so ist der letztere der Berechnung zugrunde zu legen.

[6] Die Rente beträgt:

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a) im Falle völliger Erwerbsunfähigkeit für die Dauer derselben sechsundsechzig zwei Drittel Prozent des Arbeitsverdienstes;

b) im Falle teilweiser Erwerbsunfähigkeit für die Dauer derselben einen Bruchteil der Rente unter a, welcher auf dem Maße der verbliebenen Erwerbsfähigkeit zu bemessen ist.

[7] Den nach § 1 versichernden Personen, welche nicht nach den Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, versichert sind, hat der Betriebsunternehmer die in den §§ 6 und 7 des genannten Gesetzes vorgesehenen Unterstützungen für die ersten dreizehn Wochen aus eigenen Mitteln zu leisten.

[8] Dem Verletzten und seinen Hinterbliebenen steht ein Anspruch nicht zu, wenn er den Betriebsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat.

[9] Die Berufsgenossenschaften (§ 9) sind befugt, der Krankenkasse, welcher der Verletzte angehört, gegen Erstattung der ihr dadurch erwachsenden Kosten die Fürsorge für die Verletzten über den Beginn der vierzehnten Woche hinaus bis zu Beendigung des Heilverfahrens zu übertragen. In diesem Falle gilt als Ersatz der im § 6 Absatz 1 Nr. 4 des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, bezeichneten Leistungen die Hälfte des in jenem Gesetze bestimmten Mindestbetrages des Krankengeldes.

Den § 7 zu fassen, wie folgt:

[1] An Stelle der im § 5 vorgeschriebenen Leistungen kann die zum beendigten Heilverfahren freie Kur und Verpflegung in einem Krankenhause gewährt werden und zwar:

1. für Verunglückte, welche verheiratet sind oder bei einem Mitgliede ihrer Familie wohnen, mit ihrer Zustimmung, oder unabhängig von derselben, wenn die Art der Verletzung Anforderungen an die Behandlung oder Verpflegung stellt, denen in der Familie nicht genügt werden kann,

2. für sonstige Verunglückte in allen Fällen.

[2] Für die Zeit der Verpflegung des Verunglückten in dem Krankenhause steht den im § 6 Ziffer 2 bezeichneten Angehörigen desselben die daselbst angegebene Rente insoweit zu, als sie auf dieselbe im Falle des Todes des Verletzten einen Anspruch haben würden.

Die §§ 9 und 10 wie folgt zu fassen:

§ 9

[1] Die Versicherung erfolgt auf Gegenseitigkeit durch die Unternehmer der unter § 1 fallenden Betriebe, welche zu diesem Zweck in Berufsgenossenschaften vereinigt werden. Die Berufsgenossenschaften sind für bestimmte Bezirke zu bilden und umfassen innerhalb derselben alle Betriebe derjenigen Industriezweige, für welche sie errichtet sind.

Den Rest des 1. Absatzes [in Nr. 173] zu streichen.

[2] Als Unternehmer gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb erfolgt.

Den Rest des 2. Absatzes [in Nr. 173] zu streichen.

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[3] Betriebe, welche wesentliche Bestandteile verschiedenartiger Industriezweige umfassen, sind derjenigen Berufsgenossenschaft zuzuteilen, welcher der Hauptbetrieb angehört.

[4] Die Berufsgenossenschaften haben die Rechte juristischer Personen.

§ 10

[1] Die Mittel zur Deckung der von den Berufsgenossenschaften zu leistenden Entschädigungsbeträge und der Verwaltungskosten werden durch Beiträge aufgebracht, welche von den Mitgliedern nach Maßgabe der in ihren Betrieben von den Versicherten verdienten Löhne und Gehälter bzw. des Jahresarbeitsverdienstes der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter (§ 3 Absatz 3), sowie der statutenmäßigen Gefahrentarife (§ 28) jährlich umgelegt werden.

[2] Löhne und Gehälter, welche während der Beitragsperiode durchschnittlich den Satz von vier Mark täglich übersteigen, kommen mit dem vier Mark übersteigenden Betrage nur zu einem Drittel in Anrechnung.

[3] Zu anderen Zwecken als zur Deckung der von der Genossenschaft zu leistenden Entschädigungsbeträge und der Verwaltungskosten zur Gewährung von Prämien für Rettung Verunglückter und für Abwendung von Unglücksfällen, sowie zur Ansammlung des Reservefonds (§ 18) dürfen weder Beiträge von den Mitgliedern der Genossenschaft erhoben werden, noch Verwendungen aus dem Vermögen der Genossenschaft erfolgen.

Absatz 4 [in Nr. 173] zu streichen.

[4] Behufs Beschaffung der zur Bestreitung der Verwaltungskosten erforderlichen Mittel können die Berufsgenossenschaften von den Mitgliedern für das erste Jahr einen Beitrag im voraus erheben. Falls das Statut hierüber nichts anderes bestimmt, erfolgt die Aufbringung dieser Mittel nach Maßgabe der Zahl der von den Mitgliedern in ihren Betrieben beschäftigten versicherungspflichtigen Personen (§ 11).

Im § 14 die Absätze 2 und 3 zu fassen, wie folgt:

[2] Jeder Unternehmer oder Vertreter eines Betriebes, in welchem nicht mehr als zwanzig versicherungspflichtige Personen beschäftigt werden, hat eine, darüber hinaus bis zu zweihundert für je zwanzig und von zweihundert an für je hundert mehr versicherungspflichtige Personen eine weitere Stimme.

[3] Abwesende Betriebsunternehmer können sich durch stimmberechtigte Berufsgenossen oder durch einen bevollmächtigten Leiter ihres Betriebes vertreten lassen.3

Im § 16 Absatz 2 die Worte “bis zur statutenmäßig erfolgten Vorstandswahl” durch folgende Worte zu ersetzen: “bis zur Übernahme der Geschäfte durch den aufgrund des Statuts gewählten Vorstand”;

im Absatz 3 hinter den Worten “stimmberechtigte Mitglieder” folgende Worte einzuschalten: “oder durch einen bevollmächtigten Leiter ihres Betriebes”.4

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§ 17

Ziffer 6 wie folgt zu fassen: “über das Verfahren bei Betriebsveränderungen, sowie bei Änderungen in der Person des Unternehmers (§§ 37a, 38, 39)”;

Ziffer 8 zu fassen, wie folgt: “über die den Vertretern der versicherten Arbeiter zu gewährenden Vergütungssätze (§§ 44 Absatz 4, 55)”.

Den bisherigen § 18 als § 19 und dagegen den bisherigen § 19 als § 18 zu bezeichnen und denselben zu fassen, wie folgt:

§ 18

[1] Die Berufsgenossenschaften haben einen Reservefonds anzusammeln. An Zuschlägen zur Bildung desselben ist jährlich ein Betrag zu erheben, welcher unter Hinzurechnung des Bestandes des Reservefonds dem letzten Jahresbedarf (§ 10) gleichkommt.

[2] Durch das Statut kann die Erhöhung des Reservefonds bis zum doppelten Betrage des letzten Jahresbedarfs angeordnet werden.

[3] Unter welchen Voraussetzungen die Zinsen des Reservefonds für die Deckung der der Genossenschaft obliegenden Lasten zu verwenden sind und der Kapitalbestand des Reservefonds angegriffen werden darf, bestimmt die Genossenschaft mit Genehmigung des Reichsversicherungsamt. Letzteres kann gleichzeitig genehmigen, daß die Wiederergänzung des Reservefonds, abweichend von der im Absatz 1 getroffenen Bestimmung, in einem längeren Zeitraume erfolgen soll.

[4] Wird durch das Statut die Erhöhung des Reservefonds angeordnet (Absatz 2), so kann die Genossenschaftsversammlung beschließen, daß ein Teil des nach Absatz 2 erhobenen Mehrbetrages jedoch nicht mehr als zwei Drittel desselben, zur Bildung einer Genossenschaftshilfskasse verwendet werden soll, aus welcher den Genossenschaftsmitgliedern zu Betriebsverbesserungen, insbesondere zum Zwecke der Herstellung von Schutzvorrichtungen behufs Verhütung von Unfällen Darlehen gegen Verzinsung und mit der Verpflichtung zur Amortisation gewährt werden können. Die Verwaltung der Genossenschaftshilfskasse wird durch ein besonderes Statut geregelt. Dasselbe bedarf der Genehmigung des Reichsversicherungsamtes. [...]

§ 33 den letzten Satz folgendermaßen zu fassen:

“Mit der Auflösung der Genossenschaft gehen deren Rechtsansprüche und Verpflichtungen, vorbehaltlich der Bestimmung im § 91 a auf das Reich über.” [...]

§ 41 zu fassen, wie folgt:

[1] Zum Zweck der Wahl von Beisitzern zum Schiedsgericht (§ 46), der Begutachtung der zur Verhütung von Unfällen zu erlassenden Vorschriften (§§ 78, 81) und der Teilnahme an der Wahl zweier nichtständiger Mitglieder des Reichsversicherungsamts (§ 87) werden für jede Genossenschaftssektion, und, sofern die Genossenschaft nicht in Sektionen geteilt ist, für die Genossenschaft Vertreter der Arbeiter gewählt.

[2] Die Zahl der Vertreter muß der Zahl der von den Betriebsunternehmern in den Vorstand der Sektion bzw. der Genossenschaft gewählten Mitglieder gleich sein.

Den § 42 zu fassen, wie folgt:

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[1] Die Wahl erfolgt durch die Vorstände derjenigen Orts- und Betriebs-(Fabrik-)Krankenkassen sowie derjenigen Knappschaftskassen, welche im Bezirke der Sektion bzw. der Genossenschaft ihren Sitz haben und welchen mindestens zehn in den Betrieben der Genossenschaftsmitglieder beschäftigte versicherte Personen angehören unter Ausschluß der Vertreter der Arbeitgeber.

[2] Wählbar sind nur männliche, großjährige, aufgrund dieses Gesetzes versicherungspflichtige Personen, welche in Betrieben der Genossenschaftsmitglieder und im Bezirke der Sektion bzw. der Genossenschaft beschäftigt sind, sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden und nicht durch richterliche Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind.

§ 43 zu fassen, wie folgt:

Die Verteilung der Vertreter der Arbeiter auf örtlich abzugrenzende Teile der Genossenschaft wird mittelst eines Regulativs bestimmt, welches durch das Reichsversicherungsamt oder, sofern es sich um eine Genossenschaft oder Sektion handelt, welche über die Grenzen eines Landes nicht hinausgeht, durch die Landeszentralbehörde oder die von derselben zu bestimmende höhere Verwaltungsbehörde zu erlassen ist.

§ 44 zu fassen, wie folgt:

[1] Die Wahl der Vertreter der Arbeiter erfolgt nach näherer Bestimmung des Regulativs unter der Leitung eines Beauftragten derjenigen Behörde, von welcher das Regulativ erlassen worden ist.

[2] Für jeden Vertreter sind ein erster und ein zweiter Ersatzmann zu wählen, welche denselben in Behinderungsfallen zu ersetzen und im Falle des Ausscheidens für den Rest der Wahlperiode in der Reihenfolge ihrer Wahl einzutreten haben.

[3] Die Wahl erfolgt auf vier Jahre. Alle zwei Jahre scheidet die Hälfte der Vertreter und Ersatzmänner aus. Die erstmalig Ausscheidenden werden durch das Los bestimmt, demnächst entscheidet das Dienstalter. Die Ausscheidenden können wiedergewählt werden.

[4] Die Vertreter erhalten aus der Genossenschaftskasse auf Anweisung des Genossenschaftsvorstandes nach den durch das Genossenschaftsstatut zu bestimmenden Sätzen Ersatz für notwendige bare Auslagen und entgangenen Arbeitsverdienst. Gegen die Anweisung ist die Beschwerde an diejenige Behörde, welche das Regulativ erlassen hat (§ 43), zulässig. Dieselbe entscheidet endgültig.

§ 45 zu fassen, wie folgt:

[1] Die Vorstände der Krankenkassen und der Knappschaftskassen, welchen mindestens zehn in den Betrieben der Genossenschaftsmitglieder beschäftigte versicherte Personen angehören, wählen alle zwei Jahre aus der Zahl der Kassenmitglieder zum Zwecke der Teilnahme an den Unfalluntersuchungen (§ 54) je einen Bevollmächtigten und zwei Ersatzmänner, deren Name und Wohnort den beteiligten Ortspolizeibehörden mitzuteilen ist.

[2] Die dem Vorstande der Kasse angehörenden Vertreter der Arbeitgeber nehmen an der Wahl nicht teil.

Hinter § 45 als Überschrift einzuschalten:

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Abschnitt V. Schiedsgerichte. [...]

Den bisherigen Abschnitt V als Abschnitt VI zu bezeichnen

§ 52 wie folgt zu fassen:

[1] An den Untersuchungsverhandlungen können teilnehmen: Vertreter der Genossenschaft, der von dem Vorstande der Krankenkasse, welcher der Getötete oder Verletzte zur Zeit des Unfalls angehört hat, gewählte Bevollmächtigte (§ 44), sowie der Betriebsunternehmer, letzterer entweder in Person oder durch einen Vertreter. Zu diesem Zwecke ist dem Genossenschaftsvorstande, dem Bevollmächtigten der Krankenkasse und dem Betriebsunternehmer von der Einleitung der Untersuchung rechtzeitig Kenntnis zu geben. Ist die Genossenschaft in Sektionen geteilt, oder sind von der Genossenschaft Vertrauensmänner bestellt, so ist die Mitteilung von der Einleitung der Untersuchung an den Sektionsvorstand bzw. an den Vertrauensmann zu richten.

[2] Außerdem sind, soweit tunlich, die sonstigen Beteiligten und auf Antrag und Kosten der Genossenschaft Sachverständige zuzuziehen. [...]

§ 78 den letzten Absatz zu fassen, wie folgt:

[3] Dem Antrage auf Erteilung der Genehmigung ist die gutachtliche Äußerung der Vorstände derjenigen Sektionen, für welche die Vorschriften Gültigkeit haben sollen, oder, sofern die Gesellschaft in Sektionen nicht eingeteilt ist, des Genossenschaftsvorstandes beizufügen.

§ 79 zu fassen, wie folgt:

Die in § 41 bezeichneten Vertreter der Arbeiter sind zu der Beratung und Beschlußfassung der Genossenschafts- oder Sektionsvorstände über diese Vorschriften zuzuziehen. Dieselben haben dabei volles Stimmrecht. Das über die Verhandlungen aufzunehmende Protokoll, aus welchem die Abstimmung der Vertreter der Arbeiter ersichtlich sein muß, ist dem Reichsversicherungsamte vorzulegen.

§ 81 Zeile 6 [hier Nr. 173, § 81, Zeile 4] statt § 79 zu setzen § 68 und am Schlusse beizufügen:

“Dabei findet der § 79 entsprechende Anwendung.”

§ 87 Absatz 3 die Worte: “von den Vertretern der Betriebsunternehmer und von den Vertretern der Versicherten in den Genossenschaftsvorständen aus ihrer Mitte in getrennter Wahlhandlung” zu ersetzen durch die Worte:

“von den Genossenschaftsvorständen und von den Vertretern der versicherten Arbeiter (§ 41) aus ihrer Mitte”;

dann in Absatz 3 zu setzen statt “der einzelnen Genossenschaftsvorstände”:

“der einzelnen Wahlkörper”;

Absatz 4 hinter dem Worte: “Genossenschaftsvorstände” einzuschalten:

“sowie durch die Vertreter der Arbeiter”.

§ 90 Zeile 4 die Worte “und der Arbeiterausschüsse” zu ersetzen durch die Worte: “der Arbeiter”;

Litt. a. die Worte: “bei der Errichtung von Arbeiterausschüssen (§ 41) zu ersetzen durch die Worte:

“bei der Bildung von Schiedsgerichten (§ 46)”; [ Druckseite 611 ] Absatz 2 das Wort “Arbeiterausschüsse” zu ersetzen durch:

“Arbeiter”.

§ 91 Absatz 2 Zeile 3 das Wort “ihren” zu ersetzen durch: “dem”.

Als § 91 a einzuschalten5:

[1] In den einzelnen Bundesstaaten können für das Gebiet und auf Kosten derselben Landesversicherungsämter von den Landesregierungen errichtet werden.

[2] Der Beaufsichtigung des Landesversicherungsamtes unterstehen diejenigen Berufsgenossenschaften, welche sich nicht über das Gebiet des betreffenden Bundesstaates hinaus erstrecken. In den Angelegenheiten dieser Berufsgenossenschaften gehen die in den §§ 16, 19, 20, 27, 30, 32, 33, 37, 39, 40, 62, 63, 73, 75, 78, 80, 83, 85, 86, 89, 103 dem Reichsversicherungsamt übertragenen Zuständigkeiten auf das Landesversicherungsamt über.

[3] Soweit jedoch in den Fällen der §§ 30, 32 und 37 eine der Aufsicht des Reichsversicherungsamts unterstellte Berufsgenossenschaft mitbeteiligt ist, entscheidet das Reichsversicherungsamt.

[4] Treten für eine der in Absatz 2 genannten, der Aufsicht eines Landesversicherungsamtes unterstellen Berufsgenossenschaften die Voraussetzungen des § 33 ein, so gehen die Rechtsansprüche und Verpflichtungen auf den betreffenden Bundesstaat über.

Als § 91 b einzuschalten:

[1] Das Landesversicherungsamt hat aus mindestens drei ständigen Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, und aus vier nichtständigen Mitgliedern zu bestehen.

[2] Die ständigen Mitglieder werden von dem Landesherrn des betreffenden Bundesstaats auf Lebenszeit ernannt; die nichtständigen Mitglieder werden von den Genossenschaftsvorständen derjenigen Genossenschaften, welche sich nicht über das Gebiet des betreffenden Bundesstaats hinaus erstrecken, aus ihrer Mitte mittelst schriftlicher Abstimmung unter Leitung des Landesversicherungsamts gewählt. Das Stimmenverhältnis der einzelnen Genossenschaftsvorstände bestimmt die Landesregierung unter Berücksichtigung der Zahl der in den betreffenden Genossenschaften versicherten Personen. Im übrigen finden die Bestimmungen des § 87 über die Wahl, die Amtsdauer und die Stellvertretung dieser nichtständigen Mitglieder gleichmäßig Anwendung. So lange eine Wahl der Vertreter der Genossenschaftsvorstände nicht zustande kommt, werden Vertreter der Betriebsunternehmer und der Versicherten von der Landeszentralbehörde ernannt.

[3] Die Beschlußfassung des Landesversicherungsamts in den § 90 Ziffer b bis e bezeichneten Angelegenheiten ist durch die Anwesenheit von drei ständigen und zwei nichtständigen Mitgliedern bedingt.

[4] Die Formen des Verfahrens und der Geschäftsgang bei dem Landesversicherungsamt, sowie die den nichtständigen Mitgliedern zu gewährende Vergütung werden durch die Landesregierung geregelt.

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Registerinformationen

Personen

  • Crailsheim, Krafft Frhr. von (1841─1926) bayer. Außenminister
  • Franckenstein, Georg Arbogast Freiherr von und zu (1825─1890) Jurist und Gutsbesitzer, MdR (Zentrum), Vizepräsident des Reichstags
  • Herrmann, Joseph (1836─1914) Ministerialrat im bayer. Innenministerium, stellvertretender Bundesratsbevollmächtigter
  • Hertling, Prof. Dr. Georg Freiherr von (1843─1919) Philosoph, MdR (Zentrum)
  • Hirsch, Dr. Max (1832─1905) Jurist und Gewerkvereinsführer, MdR (Fortschritt)
  • Kulmiz, Dr. Paul von (1836─1895) Rittergutsbesitzer und Industrieller, MdR (Deutsche Reichspartei)
  • Lerchenfeld-Koefering, Hugo Graf von und zu (1843─1925) bayer. Gesandter in Berlin
  • 1BArchP 15.01 Nr. 390, fol. 196─200, (Kommissions-)Drucksache Nr. 34; (nicht datiertes) Konzept von der Hand Robert Bosses ─ jeweils durch Abänderung und Ergänzung von Nr. 173 ─ und Tonio Bödikers, der den Abschnitt zu den § 87 bis 91 (hier S. 607, letzter Absatz, bis S. 608, dritter Absatz) formulierte: ebd., fol. 158─176 Rs.; (nicht datierte) metallographierte Reinschrift des Konzepts: ebd., fol. 177─192, die §§ 91 a (nahezu identisch mit dem Antrag Hertling v. 16.5.1884, Nr. 171) und 91 b, der dem Zentrum bzw. Frhr. v. Franckenstein regierungsseitig konzedierte “partikularische” Tauschgegenstand, fehlen in Konzept und Reinschrift. Der Antrag wurde gemeinsam eingebracht von Dr. Freiherr v. Hertling, Dr. v. Kulmiz und Freiherr v. Maltzahn-Gültz. »
  • 2Ausgelassen wurden die weniger bedeutsamen Abänderungsanträge zu den §§ 19─32, 34─40, 46─51, 52─77, deren Bezugsparagraphen bereits bei unserem Abdruck der Regierungsvorlage (Nr. 145) teilweise ausgelassen wurden. »
  • 3Vgl. Nr. 170. »
  • 4Vgl. Nr. 170. »
  • 5Vgl. hierzu Nr. 171 Anm. 3. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 176, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

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