II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 151

1884 März 23

Erklärung1 süddeutscher Nationalliberaler (sog. Heidelberger Programm)2

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[Die Politik der Reichsregierung wird gebilligt und unterstützt]

Die am 23. März 1884 in Heidelberg zur Besprechung über die politische Lage versammelten Mitglieder der nationalen und liberalen Partei in Baden, der Deutschen Partei in Württemberg, der nationalliberalen Richtung in Bayern diesseits und jenseits des Rheins, der hessischen Fortschrittspartei und der nationalliberalen Partei der Provinz Hessen-Nassau fanden sich im Anschluß an das nationalliberale Parteiprogramm vom 29. Mai 1881, durchaus einig in der Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse des Deutschen Reiches und der Stellung der nationalen und liberalen Landesparteien Süddeutschlands zu den wichtigsten Tagesfragen.

Sie betrachteten die Kräftigung der Reiches und die Förderung der gemeinsamen Angelegenheiten des Deutschen Volkes auf dem bundesstaatlichen Boden der Reichsverfassung nach wie vor als ihre vornehmste Aufgabe.

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Insbesondere werden sie unablässig für die Erhaltung einer starken deutschen Heeresmacht eintreten und kein notwendiges Opfer scheuen, um die Unabhängigkeit des Vaterlandes allen Wechselfällen gegenüber sicherzustellen.

Mit der ganzen Nation teilen sie die hohe Befriedigung über die auswärtige Politik des Deutschen Reiches und die großen Erfolge der Friedensbestrebungen des Reichskanzlers.

Sie billigen die auf eine erhöhte Fürsorge für das Wohl der arbeitenden Klassen gerichteten Bestrebungen des Reichskanzlers und unterstützen, vorbehaltlich einer sorgfältigen Prüfung der einzelnen Maßregeln, die Reichsregierung in ihren Bemühungen, die soziale Lage der arbeitenden Klassen zu verbessern.

Sie hoffen, daß das Unfallversicherungsgesetz noch in der gegenwärtigen Session des Reichstages zustande kommt.

Ihren liberalen Traditionen treu werden sie alle etwaigen Reaktionsversuche bekämpfen und namentlich die Rechte des Reichstags, falls deren Minderung versucht werden sollte, entschieden verteidigen.

Registerinformationen

Personen

  • Adelmann von Adelmannsfelden, Heinrich Graf (1848─1920) Gutsbesitzer, MdR (Zentrum)
  • Barth, Dr. Theodor Wilhelm (1849─1909) Schriftsteller, MdR (Liberale Vereinigung)
  • Boettcher, Dr. Friedrich (1842─1922) Schriftsteller, MdR (nationalliberal)
  • Boetticher, Karl Heinrich von (1833─1907) Staatssekretär des Innern
  • Bosse, Robert (1832─1901) Direktor der II. Abteilung für wirtschaftliche Angelegenheiten im Reichsamt des Innern
  • Buhl, Dr. Franz Armand (1837─1896) Gutsbesitzer, MdR (nationalliberal)
  • Dönhoff-Friedrichstein, August Graf von (1845─1920) Fideikomißbesitzer, MdR (konservativ)
  • Eberty, Eduard Gustav (1840─1894) Stadtsyndikus in Berlin, MdR (Liberale Vereinigung)
  • Eysoldt, Arthur (1832─1907) Rechtsanwalt, MdR (Fortschritt)
  • Franckenstein, Georg Arbogast Freiherr von und zu (1825─1890) Jurist und Gutsbesitzer, MdR (Zentrum), Vizepräsident des Reichstags
  • Frege-Weltzien, Dr. Arnold von (1848─1916) Kammerherr, MdR (konservativ)
  • Fritzen, Alois (1840─1916) Landesrat, MdR (Zentrum)
  • Gagern, Friedrich Balduin Frhr. von (1842-1910) Kammerherr, Gutsbesitzer, MdR (Zentrum)
  • Galen, Dr. Ferdinand Graf von (1831─1906) Rittergutsbesitzer, MdR (Zentrum)
  • Gamp, Karl (1846─1918) Geh. Regierungsrat im preuß. Handelsministerium bzw. Reichsamt des Innern
  • Geiger, Josef (1833─1912) Landgerichtsrat, MdR (Zentrum)
  • Gutfleisch, Dr. Egidi (1844─1914) Rechtsanwalt, MdR (Liberale Vereinigung)
  • Hammerstein, Wilhelm Freiherr von (1838─1904) Chefredakteur der “Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung”, MdR (konservativ)
  • Herrmann, Joseph (1836─1914) Ministerialrat im bayer. Innenministerium, stellvertretender Bundesratsbevollmächtigter
  • Hertling, Prof. Dr. Georg Freiherr von (1843─1919) Philosoph, MdR (Zentrum)
  • Hirsch, Dr. Max (1832─1905) Jurist und Gewerkvereinsführer, MdR (Fortschritt)
  • Horn, Albert (1840─um 1923) Syndikus, MdR (Zentrum)
  • Kramm, Oberpostrat
  • Kulmiz, Dr. Paul von (1836─1895) Rittergutsbesitzer und Industrieller, MdR (Deutsche Reichspartei)
  • Lieber, Dr. Ernst Philipp (1838─1902) Jurist, MdR (Zentrum)
  • Lohren, Arnold (1836─1901) Rentier, ehem. Fabrikant, MdR (Deutsche Reichspartei)
  • Marquardsen, Dr. Heinrich (1826─1897) Staatsrechtslehrer, MdR (nationalliberal)
  • Moufang, Dr. Christoph (1817─1890) Domkapitular in Mainz, MdR (Zentrum)
  • Müller, Dr. Hermann (1826─1903) Rittergutsbesitzer, MdR (nationalliberal)
  • Oechelhäuser, Wilhelm (1820─1902) Industrieller, MdR (nationaliberal)
  • Rèe, Dr. Anton (1815─1891) Schulvorsteher, MdR (Fortschritt)
  • Schenck, Friedrich (1827─1900) Rechtsanwalt und Notar, MdR (Fortschritt/Deutsche Freisinnige Partei)
  • Schirmeister, Heinrich von (1817─1892) Landrat a.D., MdR (Liberale Vereinigung)
  • Schrader, Karl (1834─1913) Eisenbahndirektor, MdR (Liberale Vereinigung)
  • Stötzel, Gerhard (1835─1905) Metallarbeiter, Redakteur, MdR (Zentrum)
  • Wendt-Papenhausen, Karl Freiherr von (1832─1903) Rittergutsbesitzer, MdR (Zentrum)
  • Wichmann, Rudolf (1826─1900) Rittergutsbesitzer, MdR (konservativ)
  • Windthorst, Dr. Ludwig (1812─1891) Jurist und Politiker, MdR (Bundesstaatl.konst. Vereinigung/Zentrum
  • 1Fritz Specht und Paul Schwabe, Die Reichstagswahlen von 1867─1903, 2. Aufl., Berlin 1904, S. 359─361. »
  • 2Die sog. Heidelberger Erklärung der Nationalliberalen Partei (auch “Heidelberger Programm” genannt) ist von Johannes Miquel entworfen und ─ in seiner Abwesenheit ─ auf einer Tagung (national)liberaler Politiker des rechten Flügels aus dem deutschen Südwesten beschlossen worden. Miquel hat die Erklärung zunächst auf einer weiteren Tagung in Neustadt am 14.4.1884 und dann in Berlin am 18.5.1884 begründet (vgl. Hans Herzfeld, Johannes von Miquel, Bd. 2, Detmold 1938, S. 11 ff.). Der von etwa 500 Teilnehmern besuchte Parteitag in Berlin nahm eine Erklärung an, wonach die nationalliberale Partei zunächst an der Grundlage des Programms von 29. Mai 1881 festhielt, dann mit lebhafter Befriedigung die auf dem Boden jenes Programmes stehende Heidelberger Kundgebung süddeutscher Parteigenossen vom 23. März d.J. begrüßte, die Aufrechterhaltung des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie zur Zeit noch (als) eine Notwendigkeit ansah und schließlich es für geboten erachtete, die Reichsregierung in ihren auf die Verbesserung der sozialen Lage der arbeitenden Klassen gerichteten Bestrebungen, vorbehaltlich einer sorgfältigen Prüfung der einzelnen Maßregeln, mit allen Kräften zu unterstützen. Sie wird vor allem dafür eintreten, daß das Unfallversicherungsgesetz noch im Laufe dieser Session zustande kommt. (vgl. die Sondernummer des Frankfurter Journals Nr. 372 v. 19.5.1884, BA Koblenz, Nachlaß Goldschmidt 298 und die Einleitung). »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 151, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

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