II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 125

1883 November 20

Bericht1 des Staatssekretärs des Innern Karl Heinrich von Boetticher an den Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck mit zwei Entwürfen von Grundzügen für die dritte Unfallversicherungsvorlage

Ausfertigung mit Randbemerkungen Bismarcks

[Entsprechend Bismarcks Anordnung sind konkurrierende Entwürfe von Gamp (A) und unter der Federführung Bödikers (B) für eine Unfallversicherung mit einheitlicher Trägerschaft auf berufsgenossenschaftlicher Grundlage und Umlageverfahren erarbeitet, diese werden ─ mit einer mehr positiven Stellungnahme zum Entwurf B ─ charakterisiert und übersandt, zu Zweifelsfragen wird eine Entscheidung erbeten]

Eurer Durchlaucht beehre ich mich hierneben

a) einen von dem Geheimen Regierungsrat Gamp ausgearbeiteten Entwurf [am Rande: A] der Grundzüge für ein Unfallversicherungsgesetz nebst Erläuterungen,

b) einen ebensolchen Entwurf [am Rande: B], welcher im Reichsamt des Innern, im wesentlichen durch den Geheimen Regierungsrat Bödiker ausgearbeitet worden ist,

gehorsamst zu überreichen.

Beide Entwürfe haben für die Organisation der Unfallversicherung diejenigen Direktiven zugrunde gelegt, welche Eure Durchlaucht in der wieder angeschlossenen Aufzeichnung [am Rande: C] und bei der mündlichen Besprechung des Gegenstandes gegeben haben.2 Sie unterscheiden sich im allgemeinen dadurch, daß der Entwurf A in größeren und für die nächste Behandlung der Materie, namentlich für die Beratung durch den Volkswirtschaftsrat ausreichenden Zügen die Aufgabe löst, während der Entwurf B eine Reihe von Detailfragen, über welche man verschiedener Meinung sein kann, erledigt.3

Nur in einzelnen wesentlichen Punkten gehen die Vorschläge der Redaktoren auseinander, und diese Punkte sind es, über welche ich zunächst die Entscheidung Eurer Durchlaucht zu erbitten habe.

I. Der Entwurf A gibt eine Definition des Begriffes “Fabrik” (Seite 1).4 Der Entwurf B will die Bestimmung darüber, welche Betriebe im Sinne des Gesetzes als Fabriken anzusehen sind, dem Reichsversicherungsamt zuweisen (Seite 1).

Der Versuch, den Begriff Fabrik erschöpfend5 zu bestimmen, ist, wie die auf diesem Gebiete vorhandenen Vorgänge in Deutschland, Frankreich, Osterreich und [ Druckseite 402 ] der Schweiz dartun an der Vielgestaltigkeit des industriellen Lebens gescheitert, und es ist klar, daß jede Fixierung des Begriffes gegenüber den Veränderungen, welche die Fortbildung der gewerblichen Tätigkeit fortgesetzt erzeugt, für die Dauer kaum passend und anwendbar bleiben wird. Es ist auch weiter nicht möglich, den Begriff so festzustellen, daß genau die Betriebe, welche bisher durch das Haftpflichtgesetz getroffen worden sind, unter denselben fallen. Deshalb scheint es den Vorzug zu verdienen, von einer6 Begriffsbestimmung abzusehen und den Streit über die Teilnahmepflicht und das Teilnahmerecht an der Unfallversicherung der Entscheidung einer Instanz zu überweisen, welche, ohne an die Formen des Prozesses gebunden zu sein, schnell und kostenlos, dabei aber mit der nötigen Garantie für ihre Objektivität die auftauchenden Zweifel zur Erledigung bringt. Eine solche Instanz würde das Reichsversicherungsamt sein können, wenn man demselben eine Organisation gibt, bei welcher die beteiligte Industrie eine hinreichende Vertretung findet. Es würde sich aber auch dagegen wenig erinnern lassen, daß man die Entscheidung in alleiniger oder vielleicht in zweiter Instanz dem Bundesrat7 überträgt. Jedenfalls würde damit dem bei einer Feststellung des Begriffes “Fabrik” durch das Gesetz möglichen und wahrscheinlichen Einwande begegnet werden, daß der Kreis der von der Unfallversicherung betroffenen Betriebe enger gezogen sei, als dies in dem Haftpflichtgeseetz geschehen ist.

II. Der Entwurf A (Ziffer 3 Seite 9 [hier S. 406]) will die beteiligte Industrie in 13 Berufsgenossenschaften, welche sich auf der Seite 87 [hier S. 409 f.] befindlichen Zusammenstellung ergeben, durch das Gesetz8 selbst einreichen und die Ausscheidung einzelner Betriebszweige zum Zwecke der Vereinigung derselben zu besonderen Genossenschaften unter bestimmten Bedingungen mit Genehmigung des Bundesrats9 gestatten (Ziffer 3 und 4 Seite 10 und 16 [hier S. 406 f.]).

Der Entwurf B dagegen überläßt die Gruppierung der gewerblichen Betriebe zum Zwecke der Genossenschaftsbildung der Beschlußfassung des Bundesrats aufgrund eines speziell geordneten Anmeldeverfahrens (Ziffer 9 Seite 29 [hier S. 415])10 und macht auch von der Genehmigung des Bundesrats die Änderung der Genossenschaftsbildung abhängig (Ziffer 11 und 12 Seite 37 [hier S. 415]).11 Dieser Entwurf nimmt dabei vorläufig eine Einteilung in Aussicht, welche sich aus der Anlage [am Rande: D] in der Zahl von 16 Genossenschaften ergibt.

Für die parlamentarische Behandlung des demnächst aufzustellenden Gesetzentwurfs dürfte es günstiger sein, durch das Gesetz selbst die Zahl und Abgrenzung der Genossenschaften zu bestimmen12; den praktischen Interessena,b dagegen eine [ Druckseite 403 ] die durch den Entwurf B gegebene Möglichkeit, Abänderungen in dem Bestande der Genossenschaften leicht durchzuführen, mehr entsprechen. Mir will scheinen, daß sich die Feststellung der Genossenschaften durch Gesetz schwer umgehen lassen13 wird, zumal wenn man die Absicht verfolgt, diese Körperschaftena später zu Trägern wichtiger öffentlicher Rechte zu machen. Dabei würde jedoch die Bestimmung über die Zugehörigkeit einzelner Betriebe zu dieser oder jener Genossenschaft im Streitfalle14 der Entscheidung des Bundesrats zu unterwerfen sein15. ─

III. Der Entwurf A sieht aus den Seite 56 ff.16 [hier nicht abgedruckt]. entwickelten Gründen davon ab, Arbeiterausschüsse17 zu formieren, während der Entwurf B ein solches Institut empfiehlt und demselben bestimmte Funktionen beilegt (Ziffer 19 Seite 67 [hier S. 418])18.

Es ist nicht zu leugnen, daß wenn das Unfallversicherungsgesetz die Last der Versicherung ausschließlich den Arbeitgebern zuweist, die Verwaltung des Versicherungswesens an sich die Mitwirkung der Arbeiter nicht erfordern würde. Andererseits aber steht der Arbeiter der Versicherungsverwaltung nicht interesselos gegenüber. Schon bei der Untersuchung und Feststellung der Unfälle wird die Zuziehung von Berufsgenossen des Verletzten das Vertrauen in die Objektivität des Verfahrens erhöhen19. Noch wichtiger ist die gutachtliche Zuziehung der Arbeitnehmer bei dem Erlaß von Vorschriften zur Verhütung von Unfällen20, und endlich ist sie gar nicht zu entbehren21 bei der Zusammensetzung der Schiedsgerichte, welche zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen dem verletzten Arbeiter und der Genossenschaft berufen sind.

IV. Ein erheblicher Unterschied zwischen beiden Entwürfen besteht in der Konstruierung der schiedsrichterlichen Instanz, welcher die Entscheidung auf die Berufung der Verletzten oder deren Hinterbliebenen gegen die Festsetzungen der Genossenschaftsvorstände bezüglich der zuzubilligenden Entschädigungen übertragen werden soll. Der Entwurf A empfiehlt im Interesse der einheitlichen Rechtsprechung auf diesem Gebiete die Bildung nur eines Schiedsgerichts für das ganze Reichsgebiet und für sämtliche Genossenschaften (Ziffer 12 Seite 69 [hier S. 409]), während der Entwurf B für jede Genossenschaft und, sofern dieselbe in Sektionen [ Druckseite 404 ] geteilt ist, für jede Sektion ein besonderes Schiedsgericht bilden will (Ziffer 20, 21 Seite 71 ff. [hier S. 418]).22

Da für die Höhe der Entschädigungen feste gesetzliche Vorschriften gegeben werden, so wird der Einheitlichkeit der schiedsrichterlichen Rechtsprechung kaum die Bedeutung beigemessen werden können, welche ihr der Entwurf A zuspricht. Auch abgesehen von den nicht unerheblichen Kosten und geschäftlichen Weiterungen, welche ein einheitliches Schiedsgericht im Gefolge haben würde, dürfte die Bildung lokaler Schiedsgerichte den Interessen der Genossenschaften wie der Versicherten um deswillen mehr entsprechen, weil in ihnen der Gedanke der Selbstverwaltung unmittelbarer und für die Beteiligten verständlicher zum Ausdruck kommt.23

Von untergeordneter Bedeutung sind folgende Punkte, in denen die Entwürfe voneinander abweichen.

V. Der Entwurf A sieht das Institut von Vertrauensmännern vor (Ziffer 6) (Seite 28), welches der Entwurf B nicht ausdrücklich erwähnt.24

Daß die Genossenschaften lokale Organe werden schaffen müssen, liegt in ihrem Interesse und scheint mir kaum abweislich.25 Dem Gedanken, ihnen die Bestimmung über ihre Organisation soweit irgend tunlich frei zu lassen, entspricht es indessen, auch bezüglich dieser lokalen Organe besondere Vorschriften durch das Gesetz nicht zu erteilen.

VI. Der Entwurf A will einen Ersatz der von den Krankenkassen gezahlten Sterbegelder den Berufsgenossenschaften auferlegen (Ziffer 14 Seite 81). Der Entwurf B belastet außer mit der Krankenunterstützung für 13 Wochen die Krankenkassen auch mit den Sterbegeldern für die verunglückten Arbeiter.26 Da die Sterbegelder nicht den Charakter von Krankenunterstützungen an sich tragen, vielmehr den Hinterbliebenen eine ihnen obliegende Last erleichtern, so scheint es mir gerechtfertigt, dieselben den Unfallgenossenschaften aufzuerlegen.27

Eure Durchlaucht haben in dem Erlasse vom 16. d. M.28 den Gedanken ausgesprochen, daß es sich nicht rechtfertige, die Gefahrenklassen mit Berücksichtigung aller Unfälle, auch der kleineren, welche lediglich den Krankenkassen zufallen, aufzustellen, daß man vielmehr korrekt bei dieser Aufstellung nur die allein den Berufsgenossenschaften zur Last fallenden schwereren Unfälle in Betracht zu ziehen [ Druckseite 405 ] habe. Dieser Gedanke ist gewiß zutreffend, allein es wird kaum nötig sein, demselben im Gesetze Ausdruck zu geben, weil nach Eurer Durchlaucht Intention, abweichend von dem früheren Entwurf, das jetzt geplante Gesetz von einer Aufstellung allgemein maßgebender Gefahrenklassen abzusehen und die Normierung eines Gefahrentarifes der Beschlußfassung der einzelnen Genossenschaften zu überlassen haben wird.29 (Vgl. Entwurf A Ziffer 830 und Entwurf B Ziffer 6 Seite 41 [hier S. 414]).

Dagegen dürfte es sich empfehlen, in den Motiven diesen Gesichtspunkt zur Geltung zu bringen.31

Schließlich erlaube ich mir die Bemerkung, daß ich zu einer mündlichen Besprechung der Grundzüge jederzeit zur Verfügung stehe, und daß die bereits begonnene Redaktion des Gesetzentwurfes selbst ihrem Abschlusse nahe ist.

[Anlage A: Entwurf des preuß. Geh. Regierungsrates Karl Gamp, Teildruck]32

1. Die Unfallversicherung erstreckt sich auf alle in Fabriken, Bergwerken, Brüchen und Gruben beschäftigten Arbeiter.

Als Fabriken sind diejenigen Betriebsanlagen anzusehen, in welchen die Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen für den Handel gewerbsmäßig ausgeführt wird, und in welchen zu diesem Zweck entweder mindestens 3 Arbeiter unter gleichzeitiger Verwendung von Dampfkesseln oder durch elementare Kraft bewegten Triebwerken oder ohne eine solche mindestens 10 Arbeiter beschäftigt werden.

[ Druckseite 406 ]

Bei den mit einer Unfallgefahr nicht verbundenen Betriebsarten kann durch Beschluß des Bundesrats die Versicherungspflicht ausgeschlossen werden.

2. Die bei Unfällen zu gewährende Entschädigung wird nach den Grundsätzen des letzten Gesetzentwurfs bemessen. Dieselbe besteht

a. im Falle der Verletzung

1. in den Kosten des Heilverfahrens vom Beginn der 14. Woche nach Eintritt des Unfalls ab,

2. in einer bei völliger Erwerbsunfähigkeit 66 2/3 %, bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit höchstens 50 % des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes, soweit derselbe nicht 4 M täglich übersteigt, betragenden Rente,

b. im Falle der Tötung

1. im Ersatz der Beerdigungskosten;

2. in der Gewährung einer Rente von 20 % des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes an die Witwe und von 10 % an jedes hinterbliebene Kind bis zum zurückgelegten 15. Lebensjahre, bzw. von 15 %, wenn das Kind auch mutterlos ist, wobei jedoch die Renten zusammen 50 % des Arbeitsverdienstes nicht übersteigen dürfen;

3. in der Gewährung einer Rente von 20 % des Arbeitsverdienstes an bedürftige Aszendenten.

Als Arbeitsverdienst gilt der vom Verletzten während des letzten Jahres bezogene Lohn mit der Maßgabe, daß bei Festsetzung der Entschädigung der nach den Bestimmungen des Krankenkassengesetzes von der höheren Verwaltungsbehörde für die Arbeiterklasse, welcher der Beschädigte angehört, ermittelte durchschnittliche Tagelohn zugrunde zu legen ist, falls dieser den Betrag des von dem Beschädigten bezogenen durchschnittlichen Tagelohnes übersteigt.

3. Die Versicherung erfolgt auf Gegenseitigkeit durch die Unternehmer der unter 1. fallenden Betriebe, welche zu diesem Zweck in den in der Anlage A33 aufgeführten 13 Berufsgenossenschaften vereinigt werden. Jede Berufsgenossenschaft erstreckt sich über das ganze Reichsgebiet und umfaßt alle Betriebe derjenigen Industriezweige, für welche dieselbe errichtet ist.

Ausnahmsweise34 kann der Bundesrat die Ausscheidung einzelner gleichartiger oder verwandter Industriezweige von einer Berufsgenossenschaft und die Bildung einer besonderen Berufsgenossenschaft für dieselben genehmigen, sofern nach Abzweigung der letzteren jede der beiden Berufsgenossenschaften mindestens 25 000 versicherte Arbeiter umfaßt.

Die Berufsgenossenschaften haben die Rechte juristischer Personen.

4. Die Ausscheidung einzelner Industriezweige aus einer Berufsgenossenschaft (Nr. 3) und die Bildung einer besonderen Berufsgenossenschaft für dieselben erfolgt durch Beschluß der zu diesem Zweck zu einer Generalversammlung zu berufenden Betriebsgenossen. Anträgen auf Einberufung dieser Versammlung darf nur [ Druckseite 407 ] stattgegeben werden, wenn dieselben mindestens von dem zehnten Teil der Betriebsunternehmer derjenigen Industriezweige, für welche die neue Berufsgenossenschaft gebildet werden soll, oder von solchen Betriebsunternehmern, welche mindestens den fünften Teil der in diesen Industriezweigen vorhandenen Arbeiter beschäftigen, gestellt worden sind. Die Reichsbehörde (Nr. 13) kann die Genehmigung zur Einberufung der Generalversammlung versagen oder an Bedingungen knüpfen.

5. Die Beratung und Feststellung des Statuts für jede Berufsgenossenschaft erfolgt in der Generalversammlung der zu ihr gehörigen Betriebsunternehmer. Kommt innerhalb einer festzusetzenden Frist ein von der Reichsbehörde genehmigtes Statut nicht zustande, so wird dasselbe von dieser Behörde erlassen.

Die Rechte der einzelnen Betriebsunternehmer in den Generalversammlungen können durch Bevollmächtigte ausgeübt werden; auch ist schriftliche Abstimmung zulässig.

Die Genossenschaftsstatuten bedürfen der Genehmigung der Reichsbehörde35 (Nr. 13).

6. Innerhalb der Berufsgenossenschaft können zur Erledigung bestimmter Angelegenheiten örtlich abgegrenzte Abteilungen gebildet werden, denen die vorläufige Fürsorge für die Verunglückten und deren Hinterbliebenen obliegt.

Als Vertreter der Berufsgenossenschaft und ihrer Abteilungen fungieren in örtlich abgegrenzten Bezirken Vertrauensmänner.

Die Befugnisse der Abteilungen und der Vertrauensmänner regelt das Statut, welches auch über die Abgrenzung ihrer Bezirke Bestimmung zu treffen hat.

7. Die im Laufe des Jahres von den Berufsgenossenschaften zu leistenden Entschädigungsbeträge sowie die Verwaltungskosten derselben werden aus Reichsmitteln vorschußweise von den Postanstalten gezahlt.

Die Einziehung der verauslagten Beträge von den Berufsgenossenschaften erfolgt nach Ablauf des Jahres durch Vermittlung der Reichsbehörde (Nr. 13).

Die Mittel zur Deckung der Entschädigungsbeträge und der Verwaltungskosten werden durch Beiträge aufgebracht, welche auf die Mitglieder nach Maßgabe der von den Versicherten verdienten Löhne und Gehälter und unter Berücksichtigung der Bestimmungen unter Nr. 8 umgelegt werden.

Wegen dieser Beiträge steht der Berufsgenossenschaft das Recht der administrativen Exekution gegen ihre Mitglieder zu.

Desgleichen ist die Reichsbehörde (Nr. 13) zur zwangsweisen Einziehung der von den Postanstalten vorgeschossenen Beträge von den Mitgliedern der Berufsgenossenschaften im Wege der administrativen Exekution durch Vermittlung der Landesbehörden befugt, wenn die Berufsgenossenschaften der Zahlungsaufforderung keine Folge leisten.

Zum Zweck der gleichmäßigeren Verteilung der Lasten auf die einzelnen Jahre ist die Bildung eines Reservefonds gestattet.

8. Sind in einer Berufsgenossenschaft Betriebe mit wesentlich verschiedener Unfallgefahr vereinigt, so sind durch das Statut entsprechende Gefahrenklassen36 zu [ Druckseite 408 ] bilden und über die Höhe der in denselben zu leistenden Beiträge Bestimmungen zu treffen. Dieselben unterliegen der Genehmigung der Reichsbehörde (Nr. 13).

Die Veranlagung der einzelnen Betriebe zu den verschiedenen Gefahrenklassen liegt der Berufsgenossenschaft und deren Organen (Vorstand, Abteilung, Vertrauensmänner) ob. Gegen dieselbe ist Beschwerde bei der Reichsbehörde zulässig.

9. Vereinbarungen von Berufsgenossenschaften, die von ihnen zu leistenden Entschädigungsbeiträge gemeinsam zu tragen, sind zulässig, soweit der gemeinsam zu übernehmende Betrag 50 % derselben nicht übersteigt37. Derartige Vereinbarungen bedürfen der Genehmigung der Generalversammlungen sowie der Reichsbehörde (Nr. 13).

Desgleichen kann das Genossenschaftsstatut vorschreiben, daß bis zu 50 %38 der zu leistenden Entschädigungsbeträge von den Abteilungen (Nr. 6) zu tragen sind, in deren Bezirk die Unfälle eingetreten sind.

10. Den Berufsgenossenschaften steht die Beaufsichtigung der Betriebseinrichtungen ihrer Mitglieder, sowie der Erlaß von Bestimmungen zur Verhütung von Unfällen zu. Die zu diesem Zwecke von den Behörden zu erlassenden Bestimmungen sind den Berufsgenossenschaften vorher zur Begutachtung vorzulegen. Desgleichen sind die letzteren befugt, Anträge auf Erlaß solcher Bestimmungen zu stellen.

Die Berufsgenossenschaft kann ferner beschließen, daß das Vorhandensein, das Fehlen oder der mangelhafte Zustand gewisser Betriebseinrichtungen oder Anlagen den Betriebsunternehmer für die infolgedessen eintretenden Unfälle verantwortlich macht.

11. Die Feststellung der Veranlassung und der Art eines jeden Unfalls erfolgt durch die Polizeibehörde unter Zuziehung des Vertrauensmannes der Berufsgenossenschaft sowie eines Vertreters derjenigen Krankenkasse, welcher der Verletzte angehört. Nach Abschluß der Ermittlungen hat sich der Vorstand der Krankenkasse über die zu gewährende Entschädigung gutachtlich zu äußern, worauf die Entscheidung des Vorstandes der Berufsgenossenschaft bzw. der zuständigen Abteilung derselben ergeht. In geeigneten Fällen kann der Vorsitzende des Vorstandes die Entschließung der Mitglieder auf schriftlichem Wege einholen. Gegen die Entscheidung des Vorstandes der Berufsgenossenschaft steht dem Verunglückten und dessen Hinterbliebenen die Berufung auf schiedsrichterliche39 Entscheidung zu. Die Auszahlung der zugebilligten geringeren Entschädigung darf mit Rücksicht auf die eingelegte Berufung nicht verweigert werden.

Die Berufsgenossenschaften und deren Organe haben sich gegenseitig in der Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten zu unterstützen und den zu diesem Behufe an sie ergehenden Requisitionen Folge zu leisten. Desgleichen sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, den auf die Ausführung der Unfallversicherung bezüglichen Requisitionen der Berufsgenossenschaften zu entsprechen.

[ Druckseite 409 ]

12. Das Schiedsgericht besteht aus dem Direktor der Reichsbehörde (Nr. 13) oder dessen Stellvertreter als Vorsitzendem und 4 Beisitzern, die je zur Hälfte dem Kreise der Betriebsunternehmer und dem der Versicherten angehören müssen.

Die Berufung der Beisitzer geschieht durch den Vorsitzenden aus einer Liste von 200 Personen, welche zur Hälfte von den Berufsgenossenschaften, zur anderen Hälfte von den Krankenkassen auf je 3 Jahre präsentiert werden. Die Verteilung der zu Präsentierenden auf die einzelnen Berufsgenossenschaften und Krankenkassen bleibt dem Bundesrat vorbehalten.

Das schiedsgerichtliche Verfahren ist gebührenfrei. Die baren Auslagen desselben fallen dem unterliegenden Teil zur Last.

Im übrigen wird das Verfahren durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats geregelt.

13. Zur Mitwirkung bei der Ausführung des Gesetzes wird eine Reichsbehörde eingesetzt40, welche unter der Leitung des Reichskanzlers steht. Die Ausgaben derselben werden aus Reichsfonds bestritten41.

14. Bezüglich der von den Krankenkassen bzw. den Gemeinden für die ersten 13 Wochen vom Beginn der durch Unfälle verursachten Krankheiten ab zu gewährenden Krankengelder findet ein Regreß gegen die Berufungsgenossenschaften nicht statt. Dagegen haben erstere Anspruch auf Ersatz der an die Hinterbliebenen der Verunglückten gezahlten Sterbegelder.

Bei vorsätzlich oder durch grobes Versehen herbeigeführten Unfällen haften die Betriebsunternehmer sowohl den Krankenkassen und der Gemeinde als den Berufsgenossenschaften für alle Aufwendungen, die von ihnen für die Verunglückten oder für deren Hinterbliebenen nach den Bestimmungen des Krankenkassengesetzes sowie des Unfallversicherungsgesetzes haben gemacht werden müssen.

15. Die Bestimmungen über die Bildung der Berufsgenossenschaften und über die Festsetzung der Gefahrenklassen treten ein Jahr früher in Kraft als die Bestimmungen über die Zwangsversicherung und über die aufgrund derselben zu gewährenden Entschädigungen. Mit dem letzteren Zeitpunkt wird der § 242 des Haftpflichtgesetzes für die nach Maßgabe dieses Entwurfs versicherten Arbeiter und Betriebsbeamten aufgehoben.

A.

Zusammenstellung der zu bildenden Berufsgenossenschaften

Es werden Berufsgenossenschaften gebildet für

1. Die Bergwerks- und Hüttenindustrie,

(Erz- und Eisenerzbergwerke, Erzaufbereitungsanstalten, Eisen- und Stahlhüttenwerke, einschließlich der Eisengießereien, Metallhütten, Bernsteingewinnung.)

2. Die Industrie der Heiz- und Leuchtstoffe, [ Druckseite 410 ] (Steinkohlen- und Braunkohlenbergwerke43, Kohlenwäschen, Kokereien, Schwelereien, Brikettfabriken, Mineralöl- und Paraffin- sowie Stearin- und Kerzenfabriken, Leuchtgasfabriken.)

3. Die Industrie der Maschinen und Transportmittel44

(Kraftmaschinenfabriken, einschließlich der Dampfkesselschmieden, Pumpen-, Spritzen-, Gebläse- und Transportmittelfabriken, ferner Fabriken für Armaturen und Sicherheitsvorrichtungen für Dampfkessel, Werkzeugmaschinen, landwirtschaftliche Maschinen45, Arbeitsmaschinen jeder Art, Lokomotiv- und Eisenbahnwagenfabriken, Schiffsbauanstalten.)

4. Die Metallwarenindustrie. [...]

5. Die chemische Industrie. [...]

6. Die keramische Industrie. [...]

7. Die Textilindustrie. [...]

8. Die Holz- und Papierindustrie. [...]

9. Die Leder- und Gummiwarenindustrie. [...]

10. Die Tabak- und Zigarrenindustrie.

11. Die Spiritusindustrie und Bierbrauereien. [...]

12. Die Zuckerindustrie. [...]

13. Die Mühlenindustrie. [...]

[Erläuterungen, Teildruck]

[Erläuterungen zu Nr. 7, Teildruck] Dagegen ist die Bestimmung im § 35 des letzten Gesetzentwurfs, nach welcher Beiträge von den Mitgliedern der Genossenschaft zu anderen Zwecken als zur Deckung der Entschädigungsbeträge für die Unfallversicherung und der Verwaltungskosten nicht erhoben werden sollten, nicht beizubehalten46, weil dadurch den zum Zwecke der Unfallversicherung gebildeten Berufsgenossenschaften die Ausdehnung ihrer Tätigkeit auf andere Gebiete unmöglich gemacht würde.

Bei keiner Versicherung ist es möglich, die von dem Versicherten zu zahlende Prämie absolut genau nach dem mit seiner Versicherung verbundenen Risiko zu bemessen, so daß bei einer jeden Versicherung auf Gegenseitigkeit ein Teil der Versicherten eine größere, ein anderer Teil eine geringere Last, als ihm zukommen würde, zu tragen hat. Gleichwohl hat man es auf anderem Gebiet bei der genossenschaftlichen Versicherung auf Gegenseitigkeit vermieden, durch die Festsetzung einer zu großen Anzahl von Gefahrenklassen die Abgrenzung derselben untereinander und die Einschätzung der einzelnen Versicherten in dieselben zu erschweren. Während die Privatversicherungsgesellschaften einen jeden Fall individualisieren und sich die Normierung der Prämie unter Berücksichtigung aller Verhältnisse und vornehmlich ihrer Interessen vorbehalten, beschränken z. B. die ständischen Feuerversicherungssozietäten sich meistens auf die Festsetzung weniger Gefahrenklassen, [ Druckseite 411 ] deren Abgrenzung untereinander eine so scharfe ist, daß die Einschätzung der einzelnen Versicherungsobjekte in dieselben in den meisten Fällen nicht die geringsten Schwierigkeiten bietet und die Richtigkeit der Einschätzung von allen Versicherten leicht kontrolliert werden kann.47

Auch bei der Unfallversicherung wird um so mehr davon auszugehen sein, daß bei der Bildung der Gefahrenklassen nur erheblichere und leicht erkennbare Verschiedenheiten in der Unfallgefahr der einzelnen Betriebe Berücksichtigung zu finden haben, als die Erfahrungen über den Umfang der Unfallgefahr noch nicht abgeschlossen sind. Die möglichst scharfe Abgrenzung der Gefahrenklassen, insbesondere nach äußerlich erkennbaren Merkmalen, würde auch den Versicherten eine gewisse Kontrolle über die Richtigkeit der Veranlagung der einzelnen Betriebe zu denselben gewähren und damit das sonst leicht entstehende Mißtrauen gegen die Bevorzugung einzelner beseitigen.48 Dieses erscheint um so notwendiger, als bei der großen Zahl der in den einzelnen Genossenschaften versicherten Betriebe die Veranlagung derselben zu den Gefahrenklassen von verschiedenen Personen wird bewirkt werden müssen, wodurch ohnehin die Garantie für eine gleichmäßige Behandlung der einzelnen Betriebe sich vermindert.

[Erläuterungen zu Nr. 11] Der letzte Gesetzentwurf hat eine Mitwirkung von Vertretern des Arbeiterstandes bei den Unfallverhandlungen und bei der Normierung der den Verunglückten und ihren Hinterbliebenen zu gewährenden Entschädigung nicht vorgesehen, den demselben hieraus gemachten Vorwürfen ist eine Berechtigung nicht abzusprechen. Wird bei den Unfallentschädigungsforderungen der Rechtsweg ausgeschlossen, so bilden die über den Unfall aufgenommenen Verhandlungen die einzige Grundlage für die Festsetzung und Bemessung der zu gewährenden Entschädigung; es erscheint deshalb geboten, daß bei denselben nicht bloß die Berufsgenossenschaften, sondern auch die Entschädigungsberechtigten behufs Wahrung ihrer Interessen vertreten sind. Desgleichen bedarf es der, wenn auch nur gutachtlichen Mitwirkung eines Vertreters des Verunglückten bei Festsetzung der Entschädigung, da demselben eine Garantie dafür geboten werden muß, daß bei dieser Festsetzung alle durch die Untersuchung ermittelten Tatsachen49 angemessene Berücksichtigung gefunden haben. Diese Vertretung des Verunglückten und seiner Hinterbliebenen50, sowohl bei den Unfallverhandlungen als bei Festsetzung der Entschädigung51 wird in einfacher Weise durch den Vorstand derjenigen Krankenkasse, welcher der Verunglückte angehört, bewirkt, der zumindestens aus

[ Druckseite 412 ]

zwei Dritteilen aus Vertrauensmännern der Arbeiter besteht, welche von diesen selbst gewählt sind. [...]

[Erläuterungen zu Nr. 12, Teildruck] Da sich zur Zeit noch nicht übersehen läßt, wie sich die Organisation der Berufsgenossenschaften und der Krankenkassen tatsächlich gestalten wird, so ist die Verteilung der von denselben zu Präsentierenden52 dem Bundesrat vorzubehalten.

Sollte zur größeren Sicherung einer unparteiischen Rechtsprechung die Mitwirkung eines Berufsjuristen für notwendig gehalten werden, so würde sich dieses durch Erhöhung der Zahl der Beisitzer auf 6, von denen 4 aus den Kreisen der Betriebsunternehmer und der Arbeiter vom Vorsitzenden zu berufen, die beiden anderen mit Einschluß des Juristen von dem Bundesrat zu ernennen wären, erreichen lassen.53

[Anlage B: Entwurf der II. Abteilung des Reichsamtes des Innern]54

Grundzüge zu dem Entwurf eines Gesetzes betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter

I. Allgemeine Bestimmungen.

1. Versicherungspflichtige Betriebe.

1) Alle in Bergwerken, Steinbrüchen, Gräbereien (Gruben) oder Fabriken beschäftigten Arbeiter und Betriebsbeamten, letztere, sofern ihr Jahresarbeitsverdienst an Lohn oder Gehalt zweitausend Mark nicht übersteigt, werden gegen die Folgen der Unfälle, welche sie beim Betriebe erleiden, versichert.

[ Druckseite 413 ]

Welche Betriebe55 als Fabriken im Sinne des Gesetzes anzusehen sind, entscheidet im Zweifels- oder Streitfalle das Reichsversicherungsamt (Ziffer 33).

Für Betriebe, welche mit Unfallgefahr für die darin beschäftigten Personen nicht verknüpft sind, kann durch Beschluß des Bundesrats die Versicherungspflicht ausgeschlossen werden.

2. Gegenstand der Versicherung und Maß der Entschädigung.

2) Gegenstand der Versicherung ist der nach Ziffer 3 und 4 zu bemessende Ersatz des Schadens, welcher durch eine Körperverletzung oder durch Tötung entsteht.

3) Der Schadensersatz soll im Fall der Verletzung bestehen:

1. in den Kosten des Heilverfahrens, welche vom Beginn der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls an entstehen;

2. in einer dem Verletzten vom Beginn der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls an für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit zu gewährenden Rente.

Dieselbe ist nach Maßgabe desjenigen Arbeitsverdienstes zu berechnen, welchen der Verletzte während des letzten Jahres seiner Beschäftigung in dem Betriebe, wo der Unfall sich ereignete, an Gehalt oder Lohn durchschnittlich für den Arbeitstag bezogen hat, soweit derselbe vier Mark nicht übersteigt.

War der Verletzte in dem Betriebe nicht ein volles Jahr, von dem Unfalle zurückgerechnet, beschäftigt, so ist der Betrag zugrunde zu legen, welchen während dieses Zeitraumes Arbeiter derselben Art in demselben Betriebe oder in benachbarten gleichartigen Betrieben durchschnittlich bezogen haben.

Die Rente beträgt:

a) in dem Falle völliger Erwerbsunfähigkeit und für die Dauer derselben sechsundsechzig zwei Drittel Prozent des Arbeitsverdienstes;

b) im Falle der teilweisen Erwerbsunfähigkeit und für die Dauer derselben einen Bruchteil der Rente unter a, welcher nach dem Maße der verbliebenen Erwerbsfähigkeit zu bemessen ist, jedoch nicht über fünfzig Prozent des Arbeitsverdienstes betragen darf.

4) Im Falle der Tötung ist als Schadensersatz außerdem zu leisten:

1. Als Ersatz der Beerdigungskosten das Zwanzigfache des nach Ziffer 3 für den Arbeitstag ermittelten Verdienstes.

2. Eine den Hinterbliebenen des Getöteten vom Todestage an zu gewährende Rente, welche nach der Vorschrift der Ziffer 3 zu berechnen ist. Dieselbe beträgt:

a) für die Witwe des Getöteten bis zu deren Tode oder Wiederverheiratung zwanzig Prozent, für jedes hinterbliebene vaterlose Kind bis zu dessen zurückgelegtem fünfzehnten Lebensjahr zehn Prozent und, wenn das Kind auch mutterlos ist oder wird, fünfzehn Prozent des Arbeitsverdienstes.

Die Renten der Witwen und der Kinder dürfen zusammen fünfzig Prozent des Arbeitsverdienstes nicht übersteigen; ergibt sich ein höherer Betrag, so werden die einzelnen Renten in gleichem Verhältnisse gekürzt.

Im Falle der Wiederverheiratung erhält die Witwe den dreifachen Betrag ihrer Jahresrente.

[ Druckseite 414 ]

Der Anspruch der Witwe und der Kinder derselben ist ausgeschlosssen, wenn die Ehe erst nach dem Unfalle geschlossen worden ist;

b) für Aszendenten des Verstorbenen, wenn dieser ihr einziger Ernährer war, für die Zeit bis zu ihrem Tode oder bis zum Wegfall der Bedürftigkeit zwanzig Prozent des Arbeitsverdienstes.

Wenn mehrere der unter b benannte Berechtigten vorhanden sind, so wird die Rente den Eltern vor den Großeltern gewährt.

Wenn die unter b bezeichneten mit den unter a bezeichneten Berechtigten konkurrieren, so haben die ersteren einen Anspruch nur, soweit für die letzteren der Höchstbetag der Rente nicht in Anspruch genommen wird.

Die Hinterbliebenen eines Ausländers, welche zur Zeit des Unfalls nicht im Inlande wohnten, haben keinen Anspruch auf die Rente.

3. Träger der Versicherung (Berufsgenossenschaften). Umlage der Deckungsmittel.

5) Die Versicherung erfolgt auf Gegenseitigkeit durch Berufsgenossenschaften, zu welchen die Unternehmer der unter Ziffer 1 fallenden Betriebe vereinigt werden.

Die Berufsgenossenschaften haben die Rechte juristischer Personen.

6) Der Jahresbedarf der nach Ziffer 3 und 4 zu leistenden Entschädigungen und der Verwaltungskosten wird durch Beiträge aufgebracht, welche auf die Mitglieder der Berufsgenossenschaften nach Maßgabe der Bestimmungen des Genossenschaftsstatuts (Ziffer 13) umgelegt werden.

II. Bildung der Berufsgenossenschaften.

1. Anmeldung der Betriebe durch die Unternehmer.

7) Jeder Unternehmer eines versicherungspflichtigen Betriebes hat denselben binnen einer vom Reichskanzler zu bestimmenden und öffentlich bekannt zu machenden Frist unter Angabe des Gegenstandes und der Art desselben sowie der Zahl der durchschnittlich darin beschäftigten versicherungspflichtigen Personen bei der unteren Verwaltungsbehörde anzumelden.

Für die nicht angemeldeten Betriebe hat die untere Verwaltungsbehörde die Angaben nach ihrer Kenntnis der Verhältnisse zu ergänzen. Sie ist befugt, die Unternehmer nicht angemeldeter Betriebe zu einer Auskunft darüber innerhalb einer zu bestimmenden Frist durch Geldstrafen im Betrage bis zu einhundert Mark anzuhalten.

2. Einsendung der Verzeichnisse der versicherungspflichtigen Betriebe an das Reichsversicherungsamt.

8) Die untere Verwaltungsbehörde hat ein nach den Gruppen, Klassen und Ordnungen der Reichsberufsstatistik geordnetes Verzeichnis sämtlicher unter Ziffer 1 fallenden Betriebe ihres Bezirks aufzustellen und durch Vermittlung ihrer vorgesetzten Behörden, welche die eingehenden Verzeichnisse zu revidieren haben, dem Reichsversicherungsamt einzusenden.

[ Druckseite 415 ]

3. Aufstellung des Plans für die Bildung der Berufsgenossenschaften durch den Bundesrat.

9) Aufgrund der dem Reichsversicherungsamt eingesandten Verzeichnisse stellt der Bundesrat einen nach Betriebszweigen geordneten Plan für die Bildung der Genossenschaften auf. Die letzteren sollen der Regel nach das ganze Reichsgebiet umfassen. Der Plan ist öffentlich bekannt zu machen.

4. Die konstituierende Generalversammlung.

10) Für jede Berufsgenossenschaft werden die nach Ziffer 9 zu derselben gehörenden Betriebsunternehmer von dem Reichsversicherungsamt zur konstituierenden Generalversammlung einzeln eingeladen. Jeder, welcher der Einladung Folge leistet, führt in dieser Versammlung mindestens eine Stimme und, sofern er mehr als 20 zu versichernde Personen beschäftigt, bis zu 200 für je 20 und von da für je 100 mehr beschäftigte Personen eine weitere Stimme. ─ Betriebsunternehmer, welche sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, oder durch gerichtliche Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind, oder ihrer Anmeldepflicht (Ziffer 7) nicht genügt haben, sind nicht stimmberechtigt. Abwesende können sich durch stimmberechtigte Berufsgenossen vertreten lassen. Die Beschlüsse werden von der Versammlung mit Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.

5. Konstituierung der Berufsgenossenschaften.

11) Die konstituierende Generalversammlung hat nach vorgängiger Wahl des Büros und Prüfung der Legitimation der Erschienenen über etwaige Anträge auf anderweitige Abgrenzung der Genossenschaft zu beraten und darüber Beschluß zu fassen. Tritt sie den Anträgen bei, so hat sie dieselben dem Reichskanzler behufs Herbeiführung eines Beschlusses des Bundesrats über dieselben vorzulegen.

Mangels solcher Anträge oder im Fall der Ablehnung derselben schreitet die Versammlung zur Konstituierung der Genossenschaft durch Feststellung des Genossenschaftsstatuts, welches der Genehmigung des Reichskanzlers bedarf.

12) Der Bundesrat entscheidet über die gemäß Ziffer 11 an ihn gebrachten Anträge nach Anhörung der beteiligten Genossenschaften. Nach Maßgabe der getroffenen Entscheidungen haben die bis dahin noch nicht konstituierten Genossenschaften innerhalb einer vom Reichskanzler zu bestimmenden Frist ihre Konstituierung durch Feststellung des Genossenschaftsstatuts zu bewirken.

6. Das Genossenschaftsstatut.

13) Das Genossenschaftsstatut muß die Bezeichnung des Gebiets der Genossenschaft und der Betriebszweige, für welche sie errichtet wird, enthalten und Bestimmung treffen

a) über Namen und Sitz der Genossenschaft;

b) über die etwaige Einteilung der Genossenschaft in Sektionen, sowie die Organisation und Zuständigkeit der Sektionen beziehungsweise der Sektionsorgane;

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c) über die Bildung des Genossenschaftsvorstandes und über den Umfang seiner Befugnisse;

d) über die Zusammensetzung und Berufung der Genossenschaftsversammlung sowie über die Art ihrer Beschlußfassung;

e) über das Stimmrecht der Mitglieder der Genossenschaftsversammlung; Das Statut kann die für die konstituierende Generalversammlung vorgeschriebene Abstufung des Stimmrechts (Ziffer 10) für die späteren Genossenschaftsversammlungen abändern, auch bestimmen, daß die Genossenschaftsversammlung aus einer von den Mitgliedern gewählten Vertretung, insbesondere auch aus Abgeordneten dergemäß lit. c gebildeten Sektionen bestehen soll;

f) über den Maßstab für die Verteilung der Genossenschaftslasten (Ziffer 6), sowie das Einschätzungs- und Reklamationsverfahren;

Löhne und Gehälter, welche durchschnittlich den Betrag von vier Mark für den Arbeitstag übersteigen, können nur mit dem Betrage von vier Mark für den Arbeitstag in Anrechnung gebracht werden; das Statut kann bestimmen, daß die Lasten bis zu 33 1/3 % von der Gesamtheit aller Unternehmer derjenigen Sektion, welcher der vom Unfall betroffene Betrieb angehört, zu tragen sind;

g) über die von den Genossenschaftsmitgliedern alljährlich zu bewirkende Einsendung von Arbeiter- und Lohnnachweisungen für die Zwecke der Umlageberechnungen, und über die Art der Hebung der Mitgliederbeiträge;

h) über die Behandlung der Betriebseinstellungen;

i) über die Aufstellung der Jahresrechnung sowie über deren Prüfung und Abnahme;

k) über die Ausübung der der Genossenschaft nach Ziffer 31 und 32 zustehenden Befugnisse zum Erlaß von Vorschriften behufs der Unfallverhütung und zur Überwachung der Betriebe;

l) über die Abänderung des Statuts, deren Beschlußnahme der Genossenschaftsversammlung vorzubehalten ist.

Solche Abänderungen bedürfen, wie das Statut selbst, der Genehmigung des Reichskanzlers.

7. Nichtzustandekommen des Statuts oder der Wahlen. Weigerung der Pflichter- füllung seitens der Gewählten.

14) Kommt für eine Genossenschaft das Statut rechtzeitig nicht zustande (Ziffer 12), so hat der Reichskanzler ein solches56 zu erlassen. Letzteres bleibt so lange in Geltung, bis ein anderweitiges Statut gemäß Ziffer 12 vereinbart und genehmigt wird.

Solange die Wahl der gesetzlichen Organe einer Genossenschaft nicht zustande kommt, solange ferner diese Organe die Erfüllung ihrer gesetzlichen oder statutarischen Obliegenheiten verweigern, hat das Reichsversicherungsamt diese Obliegenheiten auf Kosten der Genossenschaft wahrzunehmen oder durch Beauftragte wahrnehmen zu lassen.

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8. Abänderung des Bestandes der Genossenschaften.

15) Über Anträge auf Abänderung des Bestandes der Genossenschaften entscheidet der Bundesrat nach Anhörung der beteiligten Genossenschaftsversammlungen.57

III. Mitgliedschaft des einzelnen Betriebes; Anmeldung von Betriebsverände- rungen, Überweisung an eine andere Genossenschaft.

1. Mitgliedschaft des einzelnen Betriebes. Genossenschaftskataster.

16) Mitglied der Genossenschaft ist jeder Unternehmer eines Betriebes derjenigen Industriezweige, für welche die Genossenschaft errichtet ist. Die Mitgliedschaft beginnt für die Unternehmer der zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes versicherungspflichtigen Betriebe mit diesem Zeitpunkt, für die Unternehmer später entstehender oder versicherungspflichtig werdender Betriebe mit dem Zeitpunkt der Eröffnung beziehungsweise des Beginns der Versicherungspflicht derselben.

Die Unternehmer der letzteren Betriebe unterliegen der Anmeldepflicht nach der Vorschrift in Ziffer 7.

17) Aufgrund der dem Reichsversicherungsamte eingesandten Verzeichnisse der versicherungspflichtigen Betriebe (Ziffer 8) und der später erfolgenden Anmeldungen werden von den Genossenschaftsvorständen Genossenschaftskataster geführt. Die Aufnahme der einzelnen Genossen in das Kataster erfolgt nach vorgängiger Prüfung ihrer Zugehörigkeit zur Genossenschaft.

Den in das Kataster aufgenommenen Genossen werden vom Genossenschaftsvorstande Mitgliedsscheine erteilt.

Gegen die Aufnahme in das Kataster sowie gegen die Verweigerung derselben steht den Beteiligten die Berufung an das Reichsversicherungsamt zu.

2. Anmeldung von Betriebsveränderungen; Überweisung an eine andere Genossenschaft.

18) Jeder Betriebsunternehmer ist verpflichtet, Änderungen in dem Betriebe, welche für die Zugehörigkeit zu einer Genossenschaft von Bedeutung sind, seinem

Genossenschaftsvorstande anzuzeigen. Erachtet letzterer die Überweisung an eine andere Genossenschaft für geboten, so teilt er dies dem Betriebsunternehmer und dem beteiligten Genossenschaftsvorstande unter Angabe der Gründe mit.

Wird innerhalb bestimmter Frist gegen diese Mitteilung kein Widerspruch erhoben, so erfolgt die Ab- beziehungsweise Zuschreibung des Betriebes in den Genossenschaftskatastern, sowie von seiten des zuständigen Genossenschaftsvorstandes die Ausstellung eines anderweiten Mitgliedsscheines für den Betriebsunternehmer.

Wird nur von dem Betriebsunternehmer Widerspruch erhoben, während beide Genossenschaftsvorstände die Überweisung übereinstimmend für geboten erachten, so wird gemäß Absatz 2 verfahren. Besteht dagegen unter den Genossenschaftsvorständen [ Druckseite 418 ] selbst über die Notwendigkeit der Überweisung eine Meinungsverschiedenheit, so entscheidet das Reichsversicherungsamt.

IV. Arbeiterausschüsse und Schiedsgerichte.

1. Arbeiterausschüsse.

19) Zum Zweck der Wahl von Beisitzern zum Schiedsgericht (Ziffer 21), der Mitwirkung bei der Untersuchung von Unfällen (Ziffer 22) und der Begutachtung der zur Verhütung von Unfällen zu erlassenden Vorschriften, welche die Arbeiter binden sollen (Ziffer 31), wird für jede Genossenschaft und, sofern die Genossenschaft in Sektionen geteilt ist, für jede Sektion ein Arbeiterausschuß errichtet. Weitere Arbeiterausschüsse können für eine Genossenschaft auf Antrag durch Beschluß des Bundesrats errichtet werden.

Der Arbeiterausschuß besteht aus Vertretern derjenigen Orts- und Fabrikkrankenkassen sowie derjenigen Knappschaftskassen, welchen die in den Betrieben der Genossenschaftsmitglieder beschäftigten versicherten Personen angehören.

Die Wahl erfolgt durch die Vorstände der Kassen unter Ausschluß der denselben angehörenden Vertreter der Arbeitgeber.

Der Arbeiterausschuß soll aus mindestens 12 und höchstens 36 Mitgliedern bestehen.58 Derselbe kann nach Betriebszweigen und örtlicher Abgrenzung in Abteilungen geteilt werden.

2. Schiedsgerichte.

20) Für jede Berufsgenossenschaft und, sofern dieselbe in Sektionen geteilt ist, für jede Sektion, wird ein Schiedsgericht errichtet. Weitere Schiedsgerichte können für eine Genossenschaft auf Antrag durch Beschluß des Bundesrats gebildet werden.

21) Jedes Schiedsgericht besteht aus einem ständigen Vorsitzenden und aus vier Beisitzern. Der Vorsitzende wird aus der Zahl der öffentlichen Beamten59 von der Zentralbehörde des Landes, in welchem der Sitz des Schiedsgerichts belegen ist, ernannt. Für den Vorsitzenden ist in gleicher Weise ein Stellvertreter zu ernennen, welcher ihn in Behinderungsfällen vertritt. Die Beisitzer werden auf vier Jahre zur Hälfte von der Genossenschaft oder, sofern die Genossenschaft in Sektionen geteilt ist, von den beteiligten Sektionen aus den nicht dem Vorstande der Genossenschaft oder den Vorständen der Sektionen angehörenden Mitgliedern der Genossenschaft, zur Hälfte vom Arbeiterausschusse (Ziffer 19) aus den Versicherten gewählt. Für jeden Beisitzer sind ein erster und ein zweiter Stellvertreter zu erwählen.

Die von den Arbeiterausschüssen gewählten Beisitzer erhalten Ersatz für den ihnen infolge ihrer Teilnahme an den Verhandlungen entgangenen Arbeitsverdienst.

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V. Feststellung der Entschädigungen.

1. Anzeige und Untersuchung der Unfälle.

22) Alle Unfälle, welche dem Tod oder eine mehr als dreitägige60 Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben, sind von dem Betriebsunternehmer oder seinem Betriebsleiter nach einem vom Reichskanzler vorzuschreibenden Formular der Polizeibehörde anzuzeigen. Durch die letztere erfolgt die Untersuchung der versicherungspflichtigen Unfälle unter Zuziehung eines Vertreters der beteiligten Genossenschaft, eines Vertreters des zuständigen Arbeiterausschusses und des Betriebsunternehmers.

2. Entscheidungen der Genossenschafts- (und Sektions-) Vorstände.

23) Die Feststellung der Entschädigungen für die durch Unfall verletzten Versicherten61 und für die Hinterbliebenen der durch Unfall getöteten Versicherten erfolgt:

a) sofern die Genossenschaft in Sektionen eingeteilt ist, durch die Vorstände der Sektionen, wenn der Unfall voraussichtlich weder den Tod, noch eine dauernde Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird;

b) in allen übrigen Fällen durch die Vorstände der Berufsgenossenschaften.

24) Die Genossenschaften sind verpflichtet, sich zum Zwecke der schleunigen Feststellung der Entschädigungen einander zu unterstützen.62

Vermag eine Genossenschaft für einzelne entlegene Betriebe ihre Mitwirkung bei der Untersuchung eines Unfalls (Ziffer 22), insbesondere bei der Feststellung der Art der vorgekommenen Verletzungen oder des Vorhandenseins von Hinterbliebenen, nicht ohne erheblichen Zeitverlust oder unverhältnismäßige Kosten eintreten zu lassen, so kann sie die betreffenden Organe jeder anderen Genossenschaft oder die untere Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk sich der Unfall ereignete, ersuchen, ihre Stelle bei der Untersuchung zu vertreten. Diesem Ersuchen muß entsprochen werden. Die durch die Stellvertretung entstehenden baren Auslagen sind von der requirierenden Genossenschaft zu erstatten.

25) Wenn der Verletzte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat, so steht ihm ein Anspruch auf Entschädigung aufgrund dieses Gesetzes nicht zu. Die Ansprüche der Hinterbliebenen werden hierdurch nicht berührt.63

3. Berufung an das Schiedsgericht.

26) Gegen die nach Ziffer 25 getroffenen Entscheidungen ist die Berufung an das Schiedsgericht zulässig. Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung.

Das Verfahren vor dem Schiedsgericht wird durch Kaiserliche Verordnung, welche mit Zustimmung des Bundesrats zu erlassen ist, geregelt.

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VI. Auszahlung der Entschädigungen durch die Post und Erstattung der geleisteten Vorschüsse.

1. Auszahlungen durch die Post.

27) Die Auszahlung der Entschädigungen erfolgt auf Anweisung des zuständigen Genossenschaftsvorstandes durch das Postamt des Wohnorts des Empfangsberechtigten.

2. Erstattungen der geleisteten Vorschüsse.

a) Liquidationen der Zentralpostbehörden.

28) Binnen acht Wochen nach Ablauf jedes Rechnungshalbjahres haben die Zentralpostbehörden den einzelnen Genossenschaftsvorständen Nachweisungen der auf Anweisung derselben geleisteten Zahlungen zuzustellen und gleichzeitig die Postkasse zu bezeichnen, an welche die zu erstattenden Beträge einzuzahlen sind.

Die liquidierten Beträge sind von seiten der Genossenschaftsvorstände binnen sechs Wochen64 nach Empfang der Liquidationen an die bezeichneten Postkassen abzuführen.

b) Umlage der Beiträge durch die Genossenschaftsvorstände.

29) Die von den Zentralpostbehörden zur Erstattung liquidierten Beträge sind von den Genossenschaftsvorständen gleichzeitig mit den Verwaltungskosten nach dem durch das Statut festgestellten Verteilungsmaßstab auf die Genossenschaftsmitglieder umzulegen.

Die Mitglieder der Genossenschaften können gegen die Feststellung ihrer Beiträge binnen zwei Wochen nach erhaltener Zahlungsaufforderung, unbeschadet der Verpflichtung zur vorläufigen Zahlung, bei dem Genossenschaftsvorstande Widerspruch erheben. Wird demselben entweder überhaupt nicht oder nicht in dem beantragten Umfange Folge gegeben, so steht ihnen innerhalb zwei Wochen von der Zustellung der Entscheidung des Genossenschaftsvorstandes an die Beschwerde an das Versicherungsamt zu. Rückständige Beiträge werden in derselben Weise beigetrieben wie Gemeindeabgaben. Unbeibringliche Beiträge fallen der Genossenschaft zur Last und sind bei dem Umlageverfahren des nächsten Rechnungsjahres zu berücksichtigen.65

c) Zwangsverfahren gegen die Genossenschaften.

30) Gegen Genossenschaften, welche mit der Erstattung der liquidierten Beträge (Ziffer 28) im Rückstande bleiben, ist auf Antrag der Zentralpostbehörden von dem Reichsversicherungsamt das Zwangsbeitreibungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.

Das Reichsversicherungsamt ist befugt, zur Deckung der Ansprüche der Postverwaltungen zunächst über bereite Bestände der Genossenschaftskassen zu verfügen. Soweit diese nicht ausreichen, hat dasselbe das Beitreibungsverfahren gegen [ Druckseite 421 ] die Mitglieder der Genossenschaft selbst einzuleiten und bis zur Deckung der Rückstände durchzuführen.

VII. Unfallverhütung.

Überwachung der Betriebe durch die Genossenschaften.

31) Die Genossenschaften sind befugt, für den Umfang der Genossenschaften oder für bestimmte Betriebszweige oder Betriebsarten oder bestimmt abzugrenzende Bezirke Vorschriften

a) über die von den Mitgliedern zur Verhütung von Unfällen in ihrem Betriebe zu treffenden Einrichtungen unter Bedrohung der Zuwiderhandelnden mit Strafzuschlägen zu den Beiträgen,

b) über das in den Betrieben ihrer Mitglieder von den Versicherten zur Verhütung von Unfällen zu beobachtende Verhalten unter Bedrohung mit Geldstrafen bis zu sechs Mark

zu erlassen.

Die Vorschriften bedürfen der Genehmigung des Bundesrats. Vor Einholung der Genehmigung sind die Vorschriften, sofern dieselben nicht für den Umfang der Genossenschaft gelten sollen, den beteiligten Sektionsorganen und die Vorschriften unter lit. b den zuständigen Arbeiterausschüssen zur gutachtlichen Erklärung mitzuteilen.

32) Die Genossenschaften sind befugt, durch Beauftragte die Befolgung der von ihnen aufgrund der ihnen beigelegten Befugnis erlassenen Vorschriften zu überwachen, von den Einrichtungen des Betriebes, soweit sie für die Zugehörigkeit zur Genossenschaft von Bedeutung sind, Kenntnis zu nehmen und behufs Prüfung der von den Betriebsunternehmern eingereichten Arbeiter- und Lohnnacheisungen, die Geschäftsbücher66 und Listen einzusehen, aus welchen die Zahl der beschäftigten Arbeiter und Beamten und die Beträge der verdienten Löhne und Gehälter ersichtlich werden.

Die einer Berufsgenossenschaft angehörenden Betriebsunternehmer sind verpflichtet, den als solchen legitimierten Beauftragten der beteiligten Genossenschaft auf Erfordern den Zutritt zu ihren Betriebsstellen während der Betriebszeit zu gestatten und die bezeichneten Bücher67 und Listen an Ort und Stelle zur Einsicht vorzulegen. Sie können hierzu auf Antrag der Beauftragten von der unteren Verwaltungsbehörde durch Geldstrafen im Betrage bis zu fünfhundert Mark angehalten werden.

Die Beauftragten sowie die Mitglieder der Vorstände der Genossenschaften haben über die Tatsachen, welche durch die Überwachung und Kontrolle der Betriebe zu ihrer Kenntnis gelangen, Verschwiegenheit zu beobachten.68 Die Beauftragten der Genossenschaften sind hierauf von der unteren Verwaltungsbehörde ihres Wohnorts zu beeidigen.

Die durch die Überwachung und Kontrolle entstehenden Kosten gelten als Verwaltungskosten der Genossenschaft. Soweit dieselben in baren Auslagen bestehen, [ Druckseite 422 ] können sie durch den Vorstand der Genossenschaft dem Betriebsunternehmer auferlegt werden, wenn derselbe durch Nichterfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen zu ihrer Aufwendung Anlaß gegeben hat. Gegen die Auferlegung der Kosten findet binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses die Beschwerde an das Reichsversicherungsamt statt.

VIII. Beaufsichtigung der Genossenschaften.

Reichsversicherungsamt.

33) Die Genossenschaften unterliegen in bezug auf die Befolgung des Gesetzes der Beaufsichtigung des Reichsversicherungsamts.

Das Reichsversicherungsamt hat seinen Sitz in Berlin. Es besteht aus mindestens drei Mitgliedern69, einschließlich des Vorsitzenden. Die Mitglieder werden auf Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser, die übrigen Beamten des Reichsversicherungsamts vom Reichskanzler ernannt. 70

Die Ernennung der Mitglieder erfolgt auf Lebenszeit.71

Die Kosten des Reichsversicherungsamts und seiner Verwaltung werden vom Reich getragen. Der Geschäftsgang desselben wird vom Bundesrat geregelt.

34) Die Aufsicht über den Geschäftsbetrieb der Genossenschaften hat sich auf die Beobachtung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften zu erstrecken. Das Reichsversicherungsamt ist jederzeit befugt, eine Prüfung der Geschäftsführung der Genossenschaften vorzunehmen. Die Vorstandsmitglieder und Beamten der Genossenschaften sind auf Erfordern des Reichsversicherungsamts zur Vorlegung der Bücher, Belege und der auf den Inhalt der Bücher bezüglichen Korrespondenzen, sowie der auf die Festsetzung der Entschädigungen und zu zahlenden Jahresbeiträge bezüglichen Schriftstücke verpflichtet. Dieselben können hierzu durch Ordnungsstrafen bis zu fünfhundert Mark angehalten werden.

Das Reichsversicherungsamt entscheidet, unbeschadet der Rechte Dritter, auf Beschwerden über die Geschäftsführung der Genossenschaftsvorstände, soweit der Gegenstand derselben nicht dem schiedsrichterlichen Verfahren vorbehalten ist oder der Entscheidung der ordentlichen Gerichte72 unterliegt, sowie über Streitigkeiten, welche sich auf die Auslegung der Statuten und die Gültigkeit der vollzogenen Wahlen beziehen.

IX. Aufhebung der Haftpflicht der Betriebsunternehmer.

Haftung Dritter.

35) Die in Gemäßheit der Ziffer 1 versicherten Personen und deren Hinterbliebene können gegen den Betriebsunternehmer, in dessen Betrieb die ersteren beschäftigt waren, einen Anspruch auf Ersatz des infolge eines Unfalls erlittenen

[ Druckseite 423 ]

Schadens nur dann geltend machen, wenn73 derselbe den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat.74 In diesem Falle beschränkt sich der Anspruch auf den Betrag, um welchen die den Berechtigten nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften gebührende Entschädigung die ihnen nach Ziffer 3 und 4 zustehende übersteigt.

Die beteiligte Berufsgenossenschaft dagegen kann von dem Betriebsunternehmer die Erstattung aller von ihr in Gemäßheit der Ziffern 3 und 4 zu machenden Aufwendungen nicht nur dann verlangen, wenn er den Unfall vorsätzlich, sondern auch dann, wenn er denselben durch vorsätzliches Zuwiderhandeln gegen die zur Verhütung von Unfällen erlassenen Vorschriften herbeigeführt hat.

Die Haftung eines Dritten, welcher den Unfall vorsätzlich oder durch Verschulden herbeigeführt hat, bestimmt sich nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Jedoch geht die Forderung der Entschädigungsberechtigten an den Dritten auf die Berufsgenossenschaften insoweit über, als die Verpflichtung der letzteren zur Entschädigung nach Ziffer 3 und 4 begründet ist.

X. Schluß- und Strafbestimmungen.

36) Die Polizeibehörden sind verpflichtet, den aufgrund des Gesetzes an sie ergehenden Requisitionen der Schiedsgerichte, Genossenschafts- und Sektionsvorstände, sowie des Reichsversicherungsamts zu entsprechen.

Die zur Begründung und Abwicklung der Rechtsverhältnisse zwischen den Berufsgenossenschaften einerseits und den Versicherten andererseits erforderlichen Verhandlungen und Urkunden sind stempelfrei.

Die Betriebsunternehmer haften für die Erstattung der vorgeschriebenen Meldungen (Ziffer 16, 18, 22) und für die tatsächliche Richtigkeit der von ihnen einzusendenden Nachweisungen (Ziffer 13, 25) bei Vermeidung von Geldstrafen bis zu 500 beziehungsweise 1000 Mark.

Die Bestimmungen des Abschnitts II mit den darauf bezüglichen Strafbestimmungen sowie des Abschnitts VIII treten sofort in Kraft.

Im übrigen wird der Zeitpunkt, mit welchem das Gesetz in Kraft tritt, mit Zustimmung des Bundesrats durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.

Motive.

Den Ausgangspunkt für die auf die gesetzliche Regelung der Arbeiterunfallversicherung gerichteten Bestrebungen bildet § 2 des Haftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871.

Aus der Unzulänglichkeit desselben ist das Bedürfnis der Unfallversicherung erwachsen. Demgemäß handelt es sich zunächst darum, für den Kreis der unter das Haftpflichtgesetz fallenden Arbeiter eine bessere Fürsorge im Falle eines Betriebsunfalls gesetzlich sicherzustellen. Die Vorlage beschränkt sich daher, um nicht durch eine75 an sich wünschenswerte Ausdehnung auf weitere Arbeiterkreise die Schwierigkeiten zu vermehren, vorläufig auf die Arbeiter in den bisher haftpflichtigen [ Druckseite 424 ] Betrieben, wobei die76 Ausdehnung der Unfallversicherung77 auf weitere Kreise der arbeitenden Bevölkerung einem besonderen Gesetze vorbehalten bleibt.

Allerdings bietet die Beschränkung auf die in § 2 des Haftpflichtgesetzes bezeichneten Betriebe insofern eine besondere Schwierigkeit, als dadurch die Notwendigkeit bedingt wird, in irgendeiner Weise eine Norm dafür zu gewinnen, welche Betriebe78 als Fabriken zu betrachten sind. Zu einer solchen Norm kann man auf doppeltem Wege gelangen. Entweder stellt man den Begriff der “Fabrik” gesetzlich fest, was ohne eine gewisse Willkür kaum möglich ist, oder man schafft eine administrative Instanz, welche in zweifelhaften oder streitigen Fällen entscheidet, ob ein konkreter Betrieb als Fabrik anzusehen sei, oder nicht. Die Vorlage hat dem zweiten Wege79 den Vorzug gegeben, weil, wie die Motive zu der österreichischen Gewerbeordnungsnovelle vom 15. März 1883 aufgrund der in Deutschland, Frankreich und der Schweiz angestellten Definitionsversuche ausdrücklich hervorheben, jede Definition an der Vielgestaltigkeit des praktischen Lebens scheitert.80 Salinen81, Aufbereitungsanstalten und Hüttenwerke, welche nach der Praxis als Fabriken im Sinne des Haftpflichtgesetzes anzusehen sind, werden, um Zweifel auszuschließen, in dem Gesetze ausdrücklich als Betriebe, auf welche dasselbe Anwendung finden soll, mit aufzuführen sein.82

Will man sich an der begrifflichen Inkorrektheit nicht stoßen, so würde man vielleicht anstelle des zweiten Absatzes von Ziffer 1 folgende Bestimmung setzen können:

Als Fabrik im Sinne dieses Gesetzes gelten:

a) die zur gewerbsmäßigen Herstellung von Explosivstoffen bestimmten Betriebsanstalten,

b) gewerbliche Betriebsanstalten, in welchen mindestens 3 Personen regelmäßig außerhalb ihrer Wohnungen beschäftigt und gleichzeitig Dampfkessel oder durch elementare Kraft (Wind, Wasser, Dampf, Gas, heiße Luft, Elektrizität) oder durch tierische Kraft bewegte Triebwerke dauernd verwandt werden,

c) gewerbliche Betriebe, in welchen ohne derartige Triebwerke oder Dampfkessel mehr als 10 versicherungspflichtige Personen regelmäßig außerhalb ihrer Wohnungen beschäftigt werden.

Die der früheren Vorlage entsprechende Beschränkung der Versicherung der Betriebsbeamten auf solche mit einem Durchschnittsjahresverdienst bis zu 2000 M rechtfertigt sich aus dem Zusammenhange der Unfallversicherung mit den Bestimmungen des Gesetzes über die Krankenversicherung. Auch das letztere geht über einen Arbeitsverdienst von 2000 M nicht hinaus. Wollte man bei der Unfallversicherung [ Druckseite 425 ] bis zu einem höheren Jahreseinkommen hinaufgehen83, so würde es für die höher bezahlten Beamten an einer Fürsorge für die ersten 13 Wochen fehlen. Sozialpolitisch dürfte auch die Fürsorge für Betriebsbeamte mit einem Jahresverdienst bis zu 2000 M ausreichen. Einmal sind die höher besoldeten Beamten vor Unfällen gesicherter als die im Betriebe stehenden Arbeiter, und sodann kommt in Betracht, daß, wenn man weitergehen wollte, man genötigt sein würde, von der gleichen Berechnung der Renten, wie bei den Arbeitern Ziffer 3 Abs. 2 Abstand zu nehmen. Denn sonst entstände für die beteiligten Beamten der Nachteil, daß sie unter Umständen erheblich ungünstiger gestellt würden, als wenn das Haftpflichtgesetz auf sie Anwendung findet. ─ Um den Preis der Aufhebung dieses Gesetzes ließe sich jene Inkonvenienz vielleicht hinnehmen. Allein die einfache Aufhebung des Haftpflichtgesetzes dürfte auf gewichtige Bedenken stoßen. Denn es fehlt zur Zeit84 nicht nur an allein Vorverhandlungen für die Ersetzung des für die Eisenbahnunternehmungen geltenden § 1 des Gesetzes durch anderweite Vorschriften, sondern es ist auch zu berücksichtigen, daß der § 2 ganz allgemein, und keineswegs allein zugunsten der im Betriebe beschäftigten Personen, die Bestimmung trifft, daß der Betriebsunternehmer für den Schaden haftet, wenn “durch ein85 Verschulden in Ausführung der Dienstverrichtungen der Tod oder die Körperverletzung eines Menschen” herbeigeführt wird. Diese Bestimmung kann in bezug auf die versicherten Arbeiter und Betriebsbeamten für alle Fälle, in denen kein dolus vorliegt, recht wohl aufgehoben werden.86 Dagegen dürfte sie sich in Beziehung auf Dritte, mit dem Betriebe in keiner Berührung stehende und deshalb nicht mitversicherte Personen schwerlich beseitigen lassen.

Endlich kommt in Betracht, daß, wenn bei der Unfallversicherung bis in die mittleren und besser situierten Kreise der Gesellschaft hinauf gegangen würde, demnächst für die Invaliden-, Alters- und Witwenversorgung ein Präjudiz geschaffen werden möchte, dessen Konsequenzen zur Zeit nicht zu übersehen sind.

Zu Ziffer 2 bis 4.

Die nebenstehenden Sätze sind der jüngsten Vorlage entnommen.

Es wird daran festgehalten, daß für die ersten 13 Wochen die Krankenkassen allein aufkommen sollen.

Zu Ziffer 6.

Die Ziffer 6 bringt das Umlageprinzip als Grundlage des Systems zum Ausdruck.

Im Interesse der freien Selbstbestimmung der Berufsgenossenschaften wird die Feststellung des Tarifs, wonach die Umlage der erforderlichen Mittel erfolgen soll, dem Statut zu überlassen sein. Selbst wenn die Beteiligten den am wenigsten rationellen Modus wählen sollten, lediglich die Zahl der in den einzelnen Betrieben beschäftigten Arbeiter ohne Rücksicht auf die verdienten Löhne zum Verteilungsmaßstabe zu machen, oder wenn sie zwar die Höhe der Löhne, nicht aber den Grad der [ Druckseite 426 ] Gefahr in Anschlag bringen wollten, so würde ihnen das unbenommen bleiben können.87 Wollen sie dagegen prozentuale Abstufungen nach Gefahrenklassen oder die Einschätzung des einzelnen Betriebs nach der Art seiner besonderen Gefährlichkeit88 (also sogenannte Individualtarife) einführen, so läßt ihnen die Fassung der Ziffer 6 in Verbindung mit Ziffer 13 auch hierfür den freiesten Raum. Die nötige Garantie für den Schutz des einzelnen wird durch die der Genehmigung89 unterliegenden statutarischen Vorschriften über das Einschätzungs- und Reklamationsverfahren geboten.

Die Ziffer 6 schließt zwar nicht die Ansammlung eines Reservefonds, wohl aber die Erhebung von Beiträgen zu fremdartigen Zwecken aus.90

Zu Ziffer 7 bis 9.

Die Anmeldung der versicherungspflichtigen Betriebe und die Einsendung von Nachweisungen derselben ist erforderlich, damit der Bundesrat in den Besitz des zur Abgrenzung der Genossenschaften erforderlichen Materials gelange, und demnächst eine spezielle Einladung der einzelnen zur konstituierenden Generalversammlung erfolgen könne. Die betreffenden Einladungsschreiben bilden die unentbehrliche, in geeigneter Weise kaum anders zu beschaffende Legitimation für die in der Generalversammlung Erscheinenden. Die Zahl der Stimmen, zu deren Führung der einzelne gemäß Ziffer 11 berechtigt ist, wird in dem Einladungsschreiben angegeben. ─

Entstehen Zweifel darüber, ob ein einzelner Betrieb nach Ziffer 1 versicherungspflichtig und in die Nachweisung aufzunehmen ist, so entscheidet das Reichsversicherungsamt, welches sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes ins Leben gerufen wird.

Die Einsendung der Nachweisungen erfolgt an die eben genannte Behörde, damit hier bereits eine Prüfung und Gruppierung vorgenommen werden kann, aufgrund deren der Reichskanzler die unter Ziffer 9 vorgesehene Abgrenzung der Berufsgenossenschaften dem Bundesrat zur Beschlußfassung vorzulegen imstande ist.

Diese Abgrenzung ist zunächst eine bloß vorläufige. Die definitive91 Genossenschaftsbildung dagegen soll nicht ohne Mitwirkung der Beteiligten erfolgen.

Die Initiative der Reichsbehörden ist unentbehrlich, um zu formell brauchbaren, alle Industriegruppen umfassenden Willenserklärungen der Betriebsunternehmer zu gelangen.

Der Gedanke, die Genossenschaftsbildung dem freiwilligen Übereinkommen der Betriebsunternehmer zu überlassen, fuhrt bei dem Versuche, ihn gesetzgeberisch zu formulieren, zu großen Schwierigkeiten und erweist sich überdies als kaum ausführbar. Auf der einen Seite ist nämlich mit Sicherheit anzunehmen, daß die freiwillige Genossenschaftsbildung bei den erfahrungsmäßig überall hervortretenden [ Druckseite 427 ] Sonderinteressen sachlicher und persönlicher Art zur Gründung zahlreicher kleiner, eng abgegrenzter Genossenschaften fuhren würde, deren Leistungsfähigkeit mindestens zweifelhaft ist, und auf der anderen Seite würden voraussichtlich manche Industriezweige von den freiwilligen Bildungen mit oder gegen ihren Willen ausgeschlossen bleiben. Diese Residua, welche zur Bildung eigener Genossenschaften nicht immer ausreichen würden, müßten dann irgendwelchen freiwillig errichteten Genossenschaften angeschlossen werden. Damit stände man aber vor der unerwünschten Notwendigkeit zwangsweiser Änderungen der letzteren.

Die hier vorgeschlagene vorläufige Genossenschaftsabgrenzung dagegen, welche sich selbstverständlich an schon vorhandene Berufsverbände tunlichst anschließen92 und den Wünschen der Beteiligten nach Möglichkeit Rechnung tragen wird93, gewährt im Zusammenhalt mit dem weiter vorgesehenen Verfahren die Bürgschaft, daß der erste und wichtigste Schritt zur Ausführung des Gesetzes sachgemäß und unter tunlichster Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten erfolgt.

Zu Ziffer 10 bis 12.

Die Vorschriften unter Ziffer 10 bis 12 haben den Zweck, die Einwirkung der Beteiligten auf die Genossenschaftsbildung zu organisieren und die letztere auf dem Boden der freien Entschließung der Berufsgenossen zum Abschluß zu bringen.

Nachdem von seiten des Bundesrats der Plan für die Abgrenzung der großen zur Genossenschaftsbildung geeigneten Betriebsgruppen bekannt gemacht ist, werden die den einzelnen Gruppen angehörenden Betriebsunternehmer zu einer Generalversammlung berufen, deren erste Aufgabe es ist, zu der geplanten Genossenschaftsabgrenzung Stellung zu nehmen. Werden Anträge auf Abänderung nicht gestellt, oder wird die vorläufige Abgrenzung, derartigen Anträgen entgegen, von der Versammlung gutgeheißen, so steht nichts entgegen, unverzüglich mit der Konstituierung der Genossenschaft und der Feststellung des Statuts vorzugehen. Werden dagegen Abänderungsanträge gestellt und von der Versammlung angenommen, so ist es zunächst erforderlich, dieselben zur Erledigung zu bringen. Solche Anträge können sich richten:

a) auf die Teilung der Genossenschaft in zwei oder mehre[re] Genossenschaften, sei es nach örtlicher Begrenzung, sei es nach Industriezweigen oder nach beiden Gesichtspunkten zugleich,

b) auf die Vereinigung der Genossenschaft mit einer anderen Genossenschaft,

c) auf die Abtrennung einzelner der Genossenschaft zugewiesenen Betriebszweige und deren Vereinigung mit anderen Genossenschaften,

endlich

d) auf die Übernahme einzelner Betriebszweige aus anderen Genossenschaften.94

Insofern diese Anträge andere Genossenschaften in Mitleidenschaft ziehen (b, c, d), sind deren Erklärungen herbeizuführen95; und erst nachdem der Bundesrat über die gestellten Anträge entschieden hat, ist von seiten der antragstellenden Versammlung mit der Feststellung des Statuts vorzugehen. ─

[ Druckseite 428 ]

Das Selbstbestimmungsrecht der einzelnen ist bei den hier gemachten Vorschlägen somit bis an diejenige Grenze gewahrt, welche durch die Errichtung von Berufsgenossenschaften und die Nötigung des einzelnen, einer dieser Genossenschaften anzugehören, durch die im Prinzip zu verlangende innere Homogenität derselben und die Notwendigkeit, in absehbarer Zeit zum Abschlusse zu gelangen, von selbst gegeben ist.

Zu Ziffer 13 im allgemeinen:

Das Prinzip der Selbstbestimmung und Selbstverwaltung der Genossenschaften ist, wie überhaupt, so auch in Ziffer 13 bis in die äußersten Konsequenzen durchgeführt.

Um so weniger kann ─ zum Schutz der Minoritäten ─ das Erfordernis der Genehmigung der Statuten beziehungsweise der Statutänderungen aufgegeben werden. Die Versagung der Genehmigung an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen zu knüpfen, wird hier so wenig wie bei den Beschlüssen des Bundesrats über die auf Abänderung der Genossenschaftsabgrenzung gerichteten Anträge möglich sein.

Mit der Feststellung des Statuts hat die konstituierende Generalversammlung ihre Aufgabe erfüllt. ─ Das weitere Leben der Genossenschaft: Einberufung der nächsten Genossenschaftsversammlung zur Vorstandswahl pp. entwickelt sich auf dem Boden des Statuts. ─ Innerhalb der durch das letztere gezogenen Schranken steht der Genossenschaft die freie Verwaltung ihrer Angelegenheiten zu.

Zu Ziffer 13 im einzelnen:

Durch lit. b wird den Genossenschaften die Beschlußfassung über die Frage, ob und wie sie zur Sektionsbildung übergehen wollen (Sektionen nach Industriezweigen, nach örtlicher Begrenzung, nach beiden kombiniert), frei überlassen.96 Ebenso ist die Entscheidung der Sektionsorganisationsfrage (Sektionsversammlung, -vorstand, Kreis- und Lokalausschüsse oder Vertrauensmänner) sowie der Frage der Zuständigkeit, der Sektionen und der Sektionsorgane, vorbehaltlich der Bestimmung unter Ziffer 23 in ihre Hand gelegt. ─

Eine gemäß lit f. etwa beschlossene Übertragung eines Teils der Last (bis zu 33 1/3 %) auf die Sektionen wird die Genehmigung nur finden, wenn die Sektionen leistungsfähig genug gebildet sind. Sind sie das, so spricht für eine solche Übertragung der Umstand, daß die Sektionen dadurch ein selbständiges Interesse an der vorsichtigen Feststellung der Entschädigungen und überhaupt an einer sparsamen und gewissenhaften Wirtschaft bekommen.97

Daß die Genossenschaftsversammlungen aus Abgeordneten der Sektionsversammlungen bestehen und auf diese Weise ein Aufbau von unten nach oben stattfinde, erscheint zwar zweckmäßig, dürfte indes der Beschlußfassung der konstituierenden Generalversammlung zu überlassen sein (lit. d).98

[ Druckseite 429 ]

Die unter lit. f gegebene Vorschrift, daß (für den Fall der Berücksichtigung der verdienten Löhne bei Feststellung des Verteilungsmaßstabs) die Löhne nur mit durchschnittlich höchstens 4 Mark für den Arbeitstag in Anrechnung gebracht werden sollen, entspricht der in Ziffer 3 vorgesehenen Beschränkung der Höhe der zu leistenden Renten.

Zu Ziffer 14.

Das hier vorgesehene Kompelle ist unentbehrlich, um bis zu einem bestimmten Zeitpunkte die Organisation in Wirksamkeit zu setzen.

Zu Ziffer 15.

Anträge auf Abänderung des Bestandes einer Genossenschaft können infolge veränderter Verhältnisse sowohl von einer Genossenschaft als solcher, als auch von einzelnen Mitgliedern ausgehen. Daß die beteiligten Genossenschaften darüber zu hören sind, versteht sich von selbst. Die Entscheidung dürfte nur dem Bundesrate übertragen werden können, der von vornherein als die für die Genossenschaftsbildung in letzter Instanz maßgebende Stelle gedacht worden ist.

Zu Ziffer 16 und 17.

Jeder Betriebsunternehmer wird kraft des Gesetzes Mitglied derjenigen Genossenschaft, zu welcher er nach Maßgabe der Abgrenzung der letzteren und nach Maßgabe des von ihm betriebenen Industriezweigs gehört. Die Anwendung dieses Grundsatzes auf den konkreten Fall wird dergestalt zu konstatieren sein, daß sowohl für die Beteiligten wie99 für die Behörden volle Klarheit über die Zugehörigkeit zur Genossenschaft herrscht. Dies soll durch die Einrichtung von Genossenschaftskatastern 100 und die Ausstellung von Mitgliedscheinen erreicht werden. Die letzteren sind Beurkundungen des unter den Beteiligten bestehenden Einverständnisses oder der im Streitfalle vom Reichsversicherungsamt getroffenen Entscheidung über die Zugehörigkeit eines bestimmten Betriebes zu einer bestimmten Genossenschaft.

Die Eintragung des einzelnen Betriebes in das Kataster erfolgt nach vorgängiger Prüfung durch den Genossenschaftsvorstand. Die vom Reichsversicherungsamt erstmalig erfolgte Einrangierung eines Betriebes (Ziffer 10) kann einer selbstverwaltenden Korporation gegenüber um so weniger entscheidend sein, als jener ersten Klassifizierung naturgemäß eine völlig erschöpfende Prüfung jedes einzelnen Falles nicht immer wird vorangehen können. Überdies handelt es sich um wichtige vermögensrechtliche Interessen der Genossenschaften und der einzelnen Berufsgenossen (bei 1000 M Jahresverdienst hat ein zur Invalidität führender Unfall eines Arbeiters einen Belastungswert von 7875,9 M, ein tödlicher Unfall von 2713,5 M).

Daß möglichst bald101 die Zugehörigkeit der einzelnen Betriebe zu einer bestimmten Genossenschaft festgestellt werde, ist notwendig zum Zweck der Legitimation der einzelnen für die Teilnahme an den Genossenschaftsversammlungen, zur Beseitigung jedes Zweifels darüber, welche Genossenschaft für den einzelnen Unfall aufkommen wird, und zum Zweck der rechtzeitigen Abgrenzung des Kreises [ Druckseite 430 ] der Genossen, auf welche nach Ablauf des ersten Rechnungshalbjahrs die zur Auszahlung gelangten Entschädigungen umzulegen sind.

Zu Ziffer 18.

Die hier vorgesehene Anzeigepflicht ist für die Erhaltung des ordnungsmäßigen Bestandes der Genossenschaft und für die Herbeiführung der Übereinstimmung zwischen dem Genossenschaftskataster und den dem Wechsel unterworfenen Verhältnissen der einzelnen Betriebe unentbehrlich. Die Anzeigepflicht wird im Gesetze unter Strafbestimmungen zu stellen sein. Herrscht zwischen den beteiligten Genossenschaftsvorständen über die Zugehörigkeit eines Betriebes Übereinstimmung, so wird es dabei bewenden können. Andernfalls wird nur übrigbleiben, das Reichsversicherungsamt entscheiden zu lassen.

Zu Ziffer 19.

Die Einrichtung der Arbeiterausschüsse und der denselben zugewiesene Wirkungskreis ist der jüngsten Vorlage entnommen.

Die Bezirke der Arbeiterausschüsse, der Schiedsgerichte (Ziffer 20) und der Sektionen ─ sofern diese gebildet sind, sonst der Genossenschaften ─ decken sich. Es darf angenommen werden, daß die Sektionsbildung die Regel bilden wird.

Die Wahl der Mitglieder des Arbeiterausschusses erfolgt aufgrund eines von der höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk die Sektion ihren Sitz hat, zu erlassenden Regulativs tunlichst mit örtlicher Abgrenzung der Wahlbezirke derart, daß die der Sektion angehörenden Industriezweige im Arbeiterausschusse vertreten sind. Ist die Genossenschaft nicht in Sektionen eingeteilt, so wird das Regulativ von dem Reichskanzler erlassen.102

Die im Absatz 1 dem Bundesrat beigelegte Befugnis entspricht der in Ziffer 20 ausgesprochenen analogen Ermächtigung in betreff der Schiedsgerichte.

Zu Ziffer 20 und 21.

Die Einrichtung der Schiedsgerichte und deren Zuständigkeit beruht ebenfalls auf den Vorschriften der Vorlage vom Jahre 1882.

Als eine Institution von besonderer Bedeutung sind die Schiedsgerichte aus dem Rahmen der von der Entschädigungsfeststellung handelnden Vorschriften herauszuheben und zusammen mit den Arbeiterausschüssen in einem besonderen Abschnitt zu behandeln.

Die Bestimmung über die Einsetzung beider Institutionen kann nicht den lediglich aus Arbeitgebern zusammengesetzten Genossenschaften überlassen werden, es muß vielmehr in dieser Beziehung durch das Gesetz Vorsorge getroffen werden. Denn das Schiedsgericht bildet die einzige und darum überaus wichtige Instanz für die Arbeiter, um zu ihrem Recht zu gelangen, wenn sie mit den Feststellungen der Genossenschafts- und Sektionsvorstände, welche hier als Richter in eigener Sache entscheiden, nicht zufrieden sind. Das Haftpflichtgesetz gibt den Arbeitern für ihre Ansprüche innerhalb der Haftpflicht einen unbeschränkten Rechtsschutz. Die Unfallversicherung darf sie in dieser Beziehung wenigstens darin nicht schlechter stellen, daß die in erster und letzter Instanz entscheidenden Schiedsgerichte in ihren Augen weniger erreichbar sind als die ordentlichen Gerichte. Wollte man den Arbeitern hier die Geltendmachung ihrer Ansprüche erschweren, so steht zu besorgen, [ Druckseite 431 ] daß in ihnen das Gefühl einer bis zur Rechtsverweigerung gesteigerten Erschwerung der Rechtsverfolgung wachgerufen werden würde. Namentlich bei den vorstandsseitig gar nicht oder nur teilweise anerkannten Invaliditätsfällen werden die Arbeiter das größte Gewicht darauf legen, vor dem Schiedsgericht ihre Sache persönlich zu vertreten, ihre vermeintlich unbrauchbar gewordenen Glieder vorzuzeigen. Diesem Anspruche läßt sich in der Tat die Berechtigung nicht absprechen.

Unter diesen Umständen läge vielleicht der Gedanke nahe, statt ständiger fliegende Schiedsgerichte zu errichten, deren Vorsitzende ein für allemal ernannt, deren Beisitzer aber in jedem einzelnen Falle zur Hälfte von den Genossenschaftsorganen und zur Hälfte von den am Orte des Unfalls vorhandenen Krankenkassenvorständen gewählt würden, um die Verhandlungen an Ort und Stelle führen zu lassen. Gegen diese Lösung spricht indessen einerseits die Schmälerung der Kompetenz der Arbeiterausschüsse und namentlich die dadurch bedingte Notwendigkeit häufiger Beisitzerwahlen sowie andererseits die Möglichkeit des Herandrängens unberechtigter lokaler Einflüsse auf die Entscheidung des Falles und die Möglichkeit verschiedenartiger Entscheidungen gleichartiger Fälle, die sich in derselben Sektion ereignen. ─ Der in Ziffer 21 formulierte Vorschlag dürfte daher den Vorzug verdienen. ─ Nur wird gegen die abschließende Bestimmung der Zahl und des Bezirks der Schiedsgerichte durch die Genossenschaften ein Korrektiv zu geben sein, welches in der dem Bundesrat erteilten Befugnis, weitere Schiedsgerichte zu errichten, gefunden wird. Da die Beisitzer der letzteren zur Hälfte von den Arbeiterausschüssen gewählt werden sollen, ist dem Bundesrat in Ziffer 19 die entsprechende Ermächtigung auch hinsichtlich der Arbeiterausschüsse beigelegt.

Aus Vorstehendem ergeben sich die schwerwiegenden Bedenken, welche gegen die Ideen im Interesse der Gleichheit der Rechtssprechung nur ein Schiedsgericht für jede Genossenschaft oder gar für mehrere Genossenschaften zu errichten, im Interesse der Arbeiter geltend zu machen sind.

Auf der anderen Seite aber empfiehlt es sich auch nicht, lokal begrenzte Schiedsgerichte, die für mehrere Genossenschaften zu fungieren hätten, einzuführen. Der organische Zusammenhang mit den einzelnen Genossenschaften, die Klarheit und Durchsichtigkeit der Verhältnisse würde dadurch getrübt, und die praktische Lösung der Besetzungsfrage in den einzelnen Fällen ungemein erschwert werden.

Zu Ziffer 22.

Für die Untersuchung der Unfälle bedarf es einer außerhalb der Parteien stehenden Instanz. Da die Genossenschaft selbst Partei ist, so liegt es am nächsten, die Feststellung des Unfalls der Polizeibehörde zu übertragen. Sie hat die Autorität des öffentlichen Amts für sich, ist dem Ort des Unfalls nahe, in der Regel mit den Personen und Betrieben bekannt und zu schleunigem Eingreifen jederzeit in der Lage.

Im Interesse der Genossenschaft wird aber die Zuziehung eines Vertreters derselben und im Interesse des Verletzten die Zuziehung eines Vertreters des Arbeiterausschusses ebenso wie die Zuziehung des Betriebsunternehmers geboten sein.

Indem den Arbeiterausschüssen auf diese Weise eine fortlaufende Mitwirkung bei der Untersuchung der Vorfälle eingeräumt wird, gibt man dieser Institution, deren geringe Kompetenz bei der Beratung der jüngsten Vorlage bemängelt wurde, einen größeren Inhalt und schult die Mitglieder der Ausschüsse für die Begutachtung von Unfallverhütungsvorschriften (Ziffer 31).

[ Druckseite 432 ]

Zu Ziffer 23.

Die Bestimmung unter Ziffer 23 weist die Feststellung der Entschädigung bei den leichteren Unfällen den Sektionsvorständen, bei den schwereren den Genossenschaftsvorständen zu. Sie entspricht dem ganzen Aufbau der Organisation auch für den Fall, wenn durch das Statut ein Teil der Last den Sektionen übertragen wird. (Ziffer 13 lit. f).

Zu Ziffer 24.

Wenn eine Genossenschaft sich bei den anzustellenden tatsächlichen Ermittlungen durch eine andere Genossenschaft oder durch die untere Verwaltungsbehörde vertreten läßt, so muß die Feststellung der Entschädigungen selbst, ebenso wie die korrespondierende Zahlungsanweisung an die Post doch durch die direkt beteiligte Genossenschaft erfolgen. Die letztere hat dann eventuell auch vor dem Schiedsgericht den Fall mit zum Austrag zu bringen.

Zu Ziffer 25.

Diese Vorschrift entspricht dem § 82 der jüngsten Vorlage.

Zu Ziffer 26.

Der Berufung an das Schiedsgericht ist eine aufschiebende Wirkung nicht beigelegt, damit der Verletzte oder seine Erben wenigstens in betreff des von den Vorständen nach Ziffer 23 festgesetzten Betrages alsbald eine Zahlungsanweisung erhalten. ─ Daß die letztere rechtzeitig ausgestellt werde, kann nötigenfalls durch das Reichsversicherungsamt im Aufsichtswege erzwungen werden.

Was das schiedsrichterliche Verfahren anlangt, so empfiehlt es sich, mit den Einzelbestimmungen über dasselbe, da sie lediglich Ausführungsbestimmungen sind, den Gesetzentwurf nicht zu belasten.

Zu Ziffer 27.

Die Betreuung der Postverwaltungen mit der Auszahlung der Entschädigungen erleichtert den Entschädigungsberechtigten die Erhebung der ihnen zustehenden Beträge; sie gewährt überdies den Vorteil, daß dadurch die Genossenschafts- und Sektionsorgane von einer komplizierten Kassenführung entlastet werden.

Zu Ziffer 28.

Jede Genossenschaft hat bei den Zentralpostverwaltungen ihr Vorschußkonto, welches im Wege direkter Korrespondenz jährlich abgewickelt wird. Der Vermittlung einer Reichszentralstelle, wie sie nach dem System der jüngsten Vorlage unentbehrlich103 war, bedarf es hier nicht mehr. Dieselbe würde im Gegenteil die Abwicklung nur verzögern.

Zu Ziffer 29 und 30.

Die Vorschriften über das Umlageverfahren innerhalb der Genossenschaft sind Konsequenzen der grundlegenden Ideen des Gesetzes. Ebenso ist das in Ziffer 30 vorgesehene administrative Beitreibungsverfahren gegen säumige Genossenschaften nicht entbehrlich.

Zu Ziffer 31 und 32.

Die nebenstehenden Vorschriften entsprechen denjenigen der jüngsten Vorlage. Wenn in Ziffer 31 neben Betriebszweigen auch Betriebsarten genannt sind, so ist bei den letzteren an die Form und die Mittel, in und mit denen der Betrieb sich [ Druckseite 433 ] vollzieht, gedacht, also an Dampfbetrieb im Gegensatz zum Handbetrieb, an den Betrieb mit Zentrifugen (Trockenschleudern), Treibriemen, Aufzügen usw. Betriebsarten, welche bei den verschiedensten Betriebszweigen vorkommen.

Zu Ziffer 33 und 34.

Das Reichsversicherungsamt ist nach Analogie des Patentamts (Patentgesetz vom 25. Mai 1877 (Reichsgesetzblatt Seite 501) gebildet. Seine Errichtung erscheint notwendig, damit die Zweifels- und Streitfragen104, welche gewerblichen Anlagen als Fabriken anzusehen und als solche versicherungspflichtig sind, im ganzen Reiche einheitlich entschieden werden, und damit die Streitigkeiten der Genossenschaften untereinander sowie die Streitigkeiten der Betriebsunternehmer mit den Genossenschaften vor einer mit der nötigen Autorität ausgestatteten Instanz zum Austrag gebracht werden können. Außerdem bedarf es einer Behörde, welche die Geschäftsführung der Genossenschaftsvorstände zu überwachen und auf Beschwerden über die letzteren, soweit ihr Gegenstand nicht dem schiedsrichterlichen Verfahren vorbehalten ist oder der Entscheidung der ordentlichen Gerichte105 unterliegt sowie über Streitigkeiten, welche sich auf die Auslegung der Statuten und die Gültigkeit der vollzogenen Wahlen beziehen, zu entscheiden hat.

Zu Ziffer 35, Absatz 2:

Während die Gesetzesvorlage vom Jahre 1882 die Betriebsunternehmer den Betriebsgenossenschaften pp. gegenüber auch für diejenigen Unfälle haftbar erklärte, welche durch “grobes Verschulden” derselben verursacht worden, lassen die Grundzüge diese Haftbarkeit nur in dem beschränkteren Maße eintreten, daß die Unfälle die Folge vorsätzlichen Zuwiderhandelns gegen die zur Unfallverhütung erlassener Vorschriften sind. Es wird damit beabsichtigt, die Betriebsunternehmer, welche durch ihre Beiträge die ganze Versicherungslast tragen, der unerquicklichen Prozesse wegen angeblichen groben Verschuldens zu überheben. Denn das “grobe Verschulden” ist ein so unsicherer Rechtsbegriff106, daß Fälle dieser Art erfahrungsmäßig stets zu weitläufigen Prozessen Anlaß geben.

[Anlage D107]

Genereller Plan der zu bildenden Berufsgenossenschaften

1. Berufsgenossenschaft für Eisen- und Erzgewinnung sowie für Eisen- und Erzverhüttung.

2. Berufsgenossenschaft für Stein- und Braunkohlenbergwerke.

3. Berufsgenossenschaft für Stein- und Schieferbrüche, Tongräbereien, Ziegeleien, keramische und Glasindustrie.

[ Druckseite 434 ]

4. Berufsgenossenschaft für fabrikmäßige Betriebe zur Verarbeitung edler und unedler Metalle.

5. Berufsgenossenschaft für Kleineisen- und Maschinenfabriken.

6. Berufsgenossenschaft für Fabrikbetriebe zur Herstellung von musikalischen, mathematischen, physikalischen, chemischen, optischen und chirurgischen Apparaten und Instrumenten sowie für Uhrenfabrikation.

7. Berufsgenossenschaft für Salzgewinnung, Salzverarbeitung, chemische Industrie, Farben-, Seife- und Lichtfabrikation.

8. Berufsgenossenschaft für die Fabrikation von Explosivstoffen und Zündwaren sowie für Gasanstalten.

9. Berufsgenossenschaft für Textil- und Bekleidungsindustrie.

10. Berufsgenossenschaft für Papierfabriken und verwandte Betriebe.

11. Berufsgenossenschaft für Leder- und Gummiwarenfabriken.

12. Berufsgenossenschaft für Horn-, Holz- und Strohindustrie.108

13. Berufsgenossenschaft für Mühlenbetriebe und Nahrungsmittelbereitung.

14. Berufsgenossenschaft für Brauerei, Brennerei und Essigfabrikation.

15. Berufsgenossenschaft für die Tabakindustrie.

16. Berufsgenossenschaft für den fabrikmäßigen Betrieb polygraphischer Gewerbe.

Die Zugehörigkeit der einzelnen Betriebszweige ergibt sich aus dem beigefügten speziellen Plane.

Die Berufsgenossenschaften werden für das Gebiet des deutschen Reichs gebildet.

Spezieller Plan für die Einteilung der unter das Haftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 (Reichsgesetzbl. S. 207) fallenden Betriebszweige in Berufsgenossenschaften. 109

1. Berufsgenossenschaft für Eisen- und Erzgewinnung sowie für Eisen- und Erzverhüttung. Darunter gehören:110

a) Eisenbergwerke, Eisensteingruben, Braunsteingruben, Aufbereitungsanstalten für Eisenerze, Eisenhüttenwerke, Eisenhammerwerke, Eisen-, Hoch-, Frisch-, Puddelöfen, Eisengießereien und Emaillierwerke, Fabriken zur Herstellung eiserner Geschosse und Röhren, Streckwerke für Eisen und Stahl, Eisenwalzwerke, Drahtfabriken, Drahtspinnereien, Eisendrahtziehereien, Telegraphendrahtfabriken, Stahlwerke, Gußstahl- und Bessemerwerke.

Gewehrfabriken, Geschützgießereien111 könnten zu Berufsgenossenschaft 5 gelegt werden.

b) Metallbergwerke außer den unter a) genannten Eisenbergwerken, Bleibergwerke, Erzgruben außer den unter a) genannten Eisenstein- pp. Gruben, Kobaltgruben, Kupferbergwerke, Pochwerke, Silbererzbergwerke, Zink- und Galmeierzgruben, [ Druckseite 435 ] Antimongruben, Erzaufbereitungsanstalten, Antimonhütten, Arsenikhütten112, Gold- und Silberhütten, Gold- und Silberraffinerien, Goldwäschereien, fabrikmäßig betriebene Nickelfabriken und Nickelhütten, Quecksilberhütten113, Scheideanstalten für Gold und Silber, Silberhütten, Kupferwalzwerke, Wismuthütten, Zinkhütten, Zinkweiß- und Zinkgraufabriken, Bleiweißfabriken (Zinkweiß-, Zinkgrau- und Bleiweißfabriken lassen sich auch unter die chemischen Fabrikbetriebe [Berufsgenossenschaft 7] einreihen114), Schlackensteinfabriken (Schlackensteinfabriken gehören, wenn selbständig betrieben, mit den Schamottsteinfabriken zur Berufsgenossenschaft 3).

2. Berufsgenossenschaft für Stein- und Braunkohlenbergwerke.

Dahin gehören:115

Braunkohlengruben, Steinkohlengruben116, Verkokungsanstalten, Brikettfabriken, Preßkohlenfabriken, Kohlenziegel fabriken.

Zu erwägen, ob diesen Genossenschaften nicht die Industrie der Torfgewinnung117 pp. zuzulegen, also: Torfgräbereien (schon jetzt118 haftpflichtig119) und Torfstiche, Torfbereitungsanstalten, Preßtorffabriken, Torfdüngerfabriken und endlich, weil anderweit nicht wohl unterzubringen120: die auf Gewinnung von Asphalt, Erdöl, Bernstein gerichteten Betriebe sowie Asphaltfabriken, Asphaltfilzfabriken, Asphaltwarenfabriken, Erdölraffinerien und Bernsteinwarenfabriken.121

3.122 Berufsgenossenschaft für Stein- und Schieferbrüche, Tongräbereien, Ziegeleien, keramische und Glasindustrie.

Dahin gehören:123

a) Marmorbrüche, Steinbrüche, Schieferbrüche124, Griffelfabriken, Bleistiftfabriken125, Marmormühlen, Marmorsägemühlen, Marmorschleifereien, Märbelmühlen, Mühlsteinfabriken, Schiefertafelfabriken, Schleifsteinfabriken, Schreibtafelfabriken, Steinplattenfabriken, Kreidebrüche, Kreidemühlen und Kreidefabriken, Kreidestiftfabriken, Steinsägereien, Steinsprengungsbetriebe, Fabriken für grobe Steinwaren.

[ Druckseite 436 ]

Immerhin fraglich, ob hierher zu bringen: Fabriken für feine Steinwaren (von den Achat- und Edelsteinschleifereien bis zu den Gipsfiguren-, Grabmal-, Porphyr-, Granit-, Sandsteinwaren, Serpentin- und Syenitwarenfabriken)126

b) Betriebe zur Gewinnung von Kies und Sand sowie zur Gewinnung und Herstellung von Kalk, Zement, Traß, Gips, Schwerspat und Mergel als Annalinfabriken (Annalin-Milchweiß, sehr fein zerteilter Gips), Kies- und Sandbaggereien, Zementfabriken, Zementgräbereien, Zementgußfabriken, Zementsteinwarenfabriken, Farberdefabriken und -gräbereien, Gipsbrennereien und Gipsfabriken, Gipsbrüche, Gipsmühlen, Gräbereien von Infusorienerde und Fabriken zu deren Bearbeitung, Kalkbrüche, Kalkbrennereien, Kiesgruben, Magnesitbrüche und -gruben, Mörtelfabriken, Betriebe zur Gewinnung von Phosphorit, Sandgruben, Schlämmkreidefabriken, Schmirgelfabriken, Mergelgruben, Schwerspatgruben, Strontianitgruben, Traßfabriken, Traßgruben, Traßmühlen, Ziegelmehlfabriken.127

c) Lehm- und Tongräbereien, Kaolingräbereien und -Schlämmereien, Massemühlen, Quarz- und Glasurmühlen:

Feldspatbrüche, Glasurmühlen, Kaolingruben, Kaolinschlämmereien, Lehmgruben, Lenzinfabriken (Lenzin: feiner weißer geschlämmter Ton, Zusatz zur Papiermasse), Massefabriken (für glasierte und verglaste Tonwaren), Massemühlen, Quarzmühlen, Tongruben.

d) Fabrikmäßig betriebene Ziegeleien und Tonröhrenfabriken:

Backsteinfabriken, Schamottesteinfabriken, Dachziegel fabriken, Drainröhrenfabriken, fabrikmäßige Pfannenbäckereien, Tonröhrenfabriken, Trottoirsteinfabriken.

e) Fabrikmäßige Töpferei: Bauornamentenfabriken, fabrikmäßige Kannen- und Krugbäckereien, Fabriken für Kunsttonwaren, Ofenfabriken, Tonpfeifenfabriken, Schmelztiegelfabriken, Siderolit- und Terralitfabriken, Steinröhrenfabriken, Terrakottenfabriken, Topf- und Tongeschirrfabriken.

f) Fayence- und Porzellanfabriken: Fayencefabriken, fabrikmäßig betriebene Kitt- und Brennanstalten, Majolikafabriken, Porzellanfabriken, Fabriken zur Herstellung porzellanener Puppenköpfe, Steingutfabriken.

g) Glashütten und verwandte Betriebe: Edelsteinimitationsfabriken, Glasbläsereien, Glasfabriken und Glashütten, Glasperlen- und Glasknopffabriken, Glasschleifereien mit Fabrikbetrieb, Glasspinnereien, Hohlglasfabriken, Lüstresteinfabriken, Tafelglasfabriken, Uhrglasfabriken.

h) Spiegelglasfabriken, Spiegelfabriken, Spiegelschleifereien

Zu erwägen bleibt, ob diese Genossenschaft etwa zu teilen wäre.128

4. Berufsgenossenschaft für fabrikmäßige Betriebe zur Verarbeitung edler und unedler Metalle. [...]

[ Druckseite 437 ]

[Ursprüngliche Fassung Robert Bosses]

b eine solche Fixierung allerdings weniger dienen. Sie läßt sich aber meines Dafürhaltens schwer umgehen, wenn man später die Absicht verfolgen sollte, diese Gemeinschaften

Registerinformationen

Personen

  • Bödiker, Tonio (1843─1907) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Boetticher, Karl Heinrich von (1833─1907) Staatssekretär des Innern
  • Bosse, Robert (1832─1901) Direktor der II. Abteilung für wirtschaftliche Angelegenheiten im Reichsamt des Innern
  • Gamp, Karl (1846─1918) Geh. Regierungsrat im preuß. Handelsministerium bzw. Reichsamt des Innern
  • Lohmann, Theodor (1831─1905) Geheimer Oberregierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Moeller, Dr. Ernst von (1834─1886) Unterstaatssekretär im preuß. Handelsministerium
  • Rantzau, Kuno Graf zu (1843─1917) Legationsrat im Auswärtigen Amt, Schwiegersohn Bismarcks
  • 1BArchP 15.01 Nr. 386, fol. 2─11 Rs., mit Randbemerkungen von der Hand Bismarcks, Anlagen: ebd., fol. 13─149 Rs.; Konzept von der Hand Bosses, mit Abänderungen und Ergänzungen v. Boettichers, die durch aa gekennzeichnet sind: ebd., 15.01 Nr. 385, fol. 172─179 Rs. »
  • 2Vgl. Nr. 111. »
  • 3B.: verschmelzen? »
  • 4B.: gewisse Kennzeichen der Fabrik (Betriebsart Maschinen gewisser Kraft combiniert mit Arbeiterzahl) sollte das Gesetz enthalten. Falls die danach doch zweifelhaft, der subsidiären Entscheidung des Amtes oder B(undes)rates unterliegen. »
  • 5B.: annähernd, supplementäre Entscheidung »
  • 6B.: erschöpfenden »
  • 7B.: besser, hindert aber nicht, daß gewisse durchschlagende Kennzeichen (gefährliche Maschine) schon im Gesetz stehen. Das gleiche gilt für den Begriff “Gruben”. »
  • 8B.: lieber nicht, vorläufig flüssig zu halten »
  • 9B.: jedenfalls »
  • 10B.: besser »
  • 11B.: ja »
  • 12B.: lieber nicht; wird es verlangt, so kann man es concedieren, wenn nur die Remedur von Mißständen nach Maßgabe der gemachten Erfahrungen eine leichte (B[undes]rat) bleibt, ohne neues Gesetz. »
  • 13B.: doch zu versuchen; sonst scheitert das Ganze an endloser Debatte über dieses De- tail. »
  • 14B: was ist Streitfall? »
  • 15B.: nicht nur im Streitfalle nach Maßgabe der Erfahrung. »
  • 16Gamp argumentiert auf den Seiten, auf die hier Bezug genommen wird, “technisch” (Verschiedenheit des von Krankenkassen und Berufsgenossenschaften erfaßten Personenkreises) und (sozial-)politisch: Der Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften erfolge bislang im Rahmen von Arbeitsordnungen, und so solle es bleiben, infolgedessen ginge das Problem der Arbeiterausschüsse bzw. von deren gutachtlicher Stellungnahme zu Unfallverhütungsvorschriften über den Bereich der Unfallversicherung hinaus, und so scheine es nicht geboten, dieselbe bei der gegenwärtigen Gelegenheit zu regeln. »
  • 17B.: doch nötig »
  • 18B.: vorzuziehen »
  • 19B.: ja »
  • 20B.: ja »
  • 21B.: einverstanden »
  • 22B.: in oberster Instanz Einheit nötig. 2 Instanzen? 1 local 1 principiell? Freie Bewegung nötig, um nach Maßgabe der Erfahrung in wahlverwandte Genossenschaften (mit Genehmigung) überzugehen. Die Genossenschaftsbildung wird von der Altersversorgung mehr haben als von Unfall p.p. Für letztere erst nach Loslösung von Haftpflicht und Einfügung der bisher nicht haftpflichtigen Betriebe erforderlich, um der Institution ihr Gewicht zu geben »
  • 23B.: einverstanden, der ganze Satz angestrichen. »
  • 24B.: irrelevant »
  • 25B.: einv(erstanden) »
  • 26Vermerk von Boediker: Nicht doch! cf. Grundzug 4. »
  • 27B.: ja »
  • 28In diesem (überliefert: BArchP 15.01 Nr. 385, fol. 170─170 Rs., Ausfertigung von der Hand Graf Rantzaus) hatte Bismarck mitgeteilt: Mir scheint, daß die Unfälle schwerer Art, welche übrigbleiben, nachdem die den Krankenkassen zufallenden bis zu 13 Wochen ausgeschieden sind, allein maßgebend sein sollten für die Klassifizierung behufs Versicherung derjenigen Unfälle, welche von dem Krankengesetz nicht getroffen werden. »
  • 29B.: Die müßten dann verschiedene Tarife für ihre heterogenen Genossen normieren »
  • 30B.: S. 39 [hier S. 407 f.] »
  • 31B.: ja »
  • 32Ausfertigung mit Randbemerkungen Bismarcks: BArchP 15.01 Nr. 386, fol. 13─57. Die Ausfertigung ist auf gebrochenen Foliobogen geschrieben, linksseitig der einzelne “Grundzug” (Ziffer), rechtsseitig nachgesetzt die jeweils dazugehörende Erläuterung; die Grundzüge drucken wir vollständig ab, also: fol. 13─57 Rs., die Erläuterungen dazu nur teilweise bzw. nur die von B. mit Bemerkungen versehenen vollständig, also: fol. 33─34 Rs., 44 Rs.-45 Rs., 47 Rs.-50 Rs. Auf der Ausfertigung finden sich auch eckige Klammern und einzelne Ergänzungen von der Hand Gamps, die wohl als Vorlage für eine weitere Ausarbeitung dienen sollten, diese haben wir bei unserem Abdruck nicht berücksichtigt. ─ Das Konzept dieses Entwurfs ist nicht überliefert. Die Erstfassung seines Entwurfs hatte Gamp am 19.10. fertiggestellt: Grundzüge für den Entwurf eines Unfallversicherungsgesetzes nebst Erläuterungen (BArchP 15.01 Nr. 385, fol. 108─157 Rs. mit kritischen Randbemerkungen v. Boettichers u. Bosses). Die an Bismarck weitergeleitete, hier abgedruckte Zweitfassung seines Entwurfs sandte Gamp am 26.10.1883 ─ aus dem preuß. Handelsministerium? ─ an von Boetticher mit Begleitschreiben, in dem er u.a. ausführte: Mit Rücksicht auf die Bestimmung Eurer Exzellenz, daß bei der Redaktion des Entwurfs davon auszugehen sei, daß derselbe eventuell dem Volkswirtschaftsrat vorgelegt werden könne, habe ich geglaubt, von einer ausführlichen Begründung der Notwendigkeit, die Bildung der Berufsgenossenschaften durch Gesetz zu regeln und nur ausnahmsweise die Ausscheidung einzelner Industriezweige aus denselben zu gestatten, absehen zu sollen, da die Gründe, welche diese Beschränkung der freiwilligen Genossenschaftsbildung bedingen, in der Absicht Sr. Durchlaucht liegen, die Berufsgenossenschaft zum Träger weiterer, insbesondere politischer Rechte zu machen und diese Gründe dem Volkswirtschaftsrat nicht wohl mitgeteilt werden können. (BArchP 15.01 Nr. 385, fol. 168─168 Rs.) »
  • 33B.: dem B(undes)rat vorzubehalten oder provisorisch herzustellen, so daß Übertritt oder Emanzip(ation) auf Antrag jederzeit tunlich, wenigstens drei bis fünf Jahre lang bis Erfahrung da. »
  • 34B.: bis 3 (korrigiert: 5, evtl. auch umgekehrt) Jahre lang, “Ausnahmsweise” durchgestrichen »
  • 35B.: Welcher? »
  • 36B.: wenn sie potent sind, sollten diese Unterabteilungen die in ihnen vorkommenden Unfälle separat berechnen und die Kosten in sich aufbringen. Die Höhe der bei ungleicher Gefahr von jeder Klasse zu leistenden Beiträge wird sonst Streitquelle. Die höher Gefährdeten sind oft die zahlreicheren und potenteren und werden die gefahrlosen zu scharf heranziehen, “Gefahrenklassen” unterstrichen. »
  • 37B.: warum die Einschränkung? »
  • 38B.: warum generell einschränken? Sind die Abteilungen potent dazu, so ist es richtiger, daß jede ihren Schaden prima facie in sich aufbringt. »
  • 39B.: wer? »
  • 40B.: deren Mitglieder vom Bundesrat zu wählen und zweier Mitglieder des B(undes)rats? (analog Reichsschulden(kommission) und Invalidenfonds, der B(undes)r(at) muß mitwirken. »
  • 41B.: Ausschuß des B(undes)rates? »
  • 42B.: nur der? »
  • 43B.: zu sondern? Hinter Braunkohlenbergwerke hat B. eine schließende Klammer gesetzt »
  • 44B.: von Metall, “Transportmittel” durchgestrichen »
  • 45B.: hölzern?? »
  • 46B.: illimitierte Besteuerungsgewalt der Mitglieder?? »
  • 47B.: Die Repartition innerhalb jeder Gefahrenklasse ist immer das Gerechteste, aber ga (nz) u(nd) wenn nicht genau, doch annähernd durchfuhrbar. primo loco sollte sie gelten, subsidiär Rückgriff auf verwandte Klassen. »
  • 48B.: die Erfahrung allein kann hierin orientieren, deshalb muß Lösung, Sonder-Verband, Versetzung in den ersten Jahren leicht bleiben, sobald ein Antrag auf Ausscheiden, auf eigenen Verband oder auf Ausstoßung gestellt wird. »
  • 49B.: Diese Tatsachen haben nach Aufhebung der Haftpflicht nicht mehr die frühere Bedeutung. Der Eintritt des Unfalls an sich begründet den Anspruch des Beschädigten, ohne Schuldfrage. ─ “ermittelte Tatsachen” unterstrichen »
  • 50B.: local oft schwierig, außer in Städten oder dichtere Bevölkerung; entbehrliche Verhandlungen sind zu vermeiden. »
  • 51B.: dabei allerdings »
  • 52B.: Vorläufig »
  • 53B.: 4 sind wenig; aber lieber mehr Arbeiter oder geschäftsfremde Laien als Juristen. Der Jurist ist an sich nicht gerechter wie jeder andre Bürger; er kennt nur mehr Gesetze und Verordnungen auswendig, auf die aber kommt es hier nicht an, sondern auf Billigkeit und practische Lebenserfahrung. Der ganze Absatz gestrichen, “größeren Sicherung einer unparteiischen Rechtsprechung” ist unterstrichen und mit ?? versehen. »
  • 54Ausfertigung mit Randbemerkungen Bismarcks: BArchP 15.01 Nr. 386, fol.58─123 Rs.; Reinkonzept der “Grundzüge” von Schreiberhand und der “Motive” von der Hand Bödikers mit erheblichen Abänderungen bzw. Ergänzungen von Bödiker (28.10.), Bosse (29.10.) und Boetticher (15.11.): BArchP 15.01 Nr. 385, fol. 180─228. Die Erstfassung seines Entwurfs, der dieser Zweit- bzw. Abteilungsfassung zugrunde lag, hatte Tonio Bödiker am 18.10.1883 fertiggestellt und Grundzüge zu dem Entwurf eines Gesetzes betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter auf der Grundlage der Organisation nach Berufsgenossenschaften und der Beschränkung auf den Rahmen des Haftpflichtgesetzes vom 7.6.1871 betitelt. Diese (metallographierte) Erstfassung ist überliefert: BArchP 15.01 Nr. 385, fol.48─77 (mit wenigen Randbemerkungen, von der Hand von Mocllcrs?) und fol. 78─107 (mit Randbemerkungen von Boettichers) sowie 90 Lo 2 Nr. 17, fol. 127─ 154 mit Randbemerkungen Lohmanns, die im wesentlichen die zur Organisation not wendigen Fristen, die sich auf 130 Wochen summieren, abschätzen. Lohmann notiert so als Resultat: Also nahezu 3 Jahre nach Verkündigung des Gesetzes, ehe dasselbe wirksam wird. Verkündigung etwa 1. Juli 1884. Beginn der Wirksamkeit frühestens 1. April 1887, wahrscheinlich viel später. »
  • 55B.: ? danach, gesetzliche) Definition »
  • 56B.: nach-Anhör (ung) unter Zustimmung des Vers(icherungs)amtes »
  • 57B.: In den ersten Jahren mehr Beweglichkeit, bis die Erfahrung festgestellt; etwa Reichsversich(erungs)amt oder Bundesrats-Ausschuß »
  • 58B.: Zu viele? 7─15? »
  • 59B.: nicht richterliche »
  • 60B.: Wie verhält sich dazu die Krankenkasse, der die Abhaltungen unter 13 W(ochen) zufallen? ─ “mehr als dreitägige Arbeitsunfähigkeit” unterstrichen »
  • 61B.: cf S. 83 [= 22.] »
  • 62B.: cf. S. 83 »
  • 63B.: ? »
  • 64B.: kurz »
  • 65B.: Wer legt sie inzwischen aus? Post? Betriebsfonds? »
  • 66B.: Alle? »
  • 67B.: Einsicht aller Bächer durch Concurrenten? ─ vgl. dazu auch Nr. 138 Anm. 20─23. »
  • 68B.: Und wenn nicht? »
  • 69B.: Reicht nicht (7)? 9? »
  • 70B.: Ein ständiger, auf 3 Jahre gewählter Ausschuß des Bundesrates? Oder analog R(eichs)schuld(enkommission) und (Reichs-)Invalidenamt? Der Einfluß des B(undes)rates sollte vorwiegen, nicht der des Kanzlers »
  • 71B.: Staaten? Auf drei oder ein Jahr. 3?, 5 Staaten und 4, 6? gewählte Mitglieder? »
  • 72B.: Welche Gegenstände sind das? »
  • 73B.: sie nachweisen, daß (als Satzergänzung) »
  • 74B.: Was zu beweisen »
  • 75B.: die, “eine” durchgestrichen »
  • 76B.: demnächstige (als Satzergänzung) »
  • 77B.: auch (als Satzergänzung) »
  • 78B.: gesetzlich (als Satzergänzung) »
  • 79B.: beide combinieren »
  • 80B.: sie gibt doch Anhalt für die Entscheidung der Behörde, die sonst aus dem Warum zu nehmen. »
  • 81B.: ?, “Salinen” unterstrichen »
  • 82B.: Das ist schon die “Combination”. »
  • 83B.: facultativ, gestatten, nicht vorschreiben »
  • 84B.: ? »
  • 85B.: wessen? “sein”? Wenn das bleibt, so bleiben auch die Prozesse. Der Verletzte kann jeder Arbeiter sein. »
  • 86B.: Ja »
  • 87B.: Wenn sie gleich beteiligt wären. »
  • 88B.: Scheint doch gerechter. »
  • 89B.: Es ist besser, den “freisten Raum” durch Gesetz einzuschränken, als nur durch Behördengenehmigung »
  • 90B.: Gut, “zu freundlichen Zwecken” unterstrichen »
  • 91B.: wird sie in absehbarer Zeit aber je “definitiv” werden können? Die technische Entwicklung ändert die Verhältnisse. »
  • 92 B.: Ja »
  • 93B.: Ja, “vorläufige” doppelt unterstrichen »
  • 94B.: gut ─ Die Punkte a) ─ d) am Rande angestrichen »
  • 95B.: gewiß, “deren Erklärungen herbeizuführen” unterstrichen »
  • 96B.: ist nicht ungerechte Heranziehung der minder gefährlichen Betriebe zu fürchten?, “frei überlassen” unterstrichen »
  • 97B.: Auch die Aufsicht über Schutzvorkehrung aufmerksamer betreiben. »
  • 98B.: Vorsicht gegen Schöpfung einer contribuens plebs ohne wahrhaftes Stimmrecht, Ausbeutung der kleinen gefahrlosen durch die potenten gefährlichen Betriebe. »
  • 99B.?: als auch »
  • 100B.: zunächst flüssigen »
  • 101B.: Nur nicht “definitiv” »
  • 102B.: R(eichs)vers(icherungs)amt »
  • 103B.: warum? »
  • 104B.: Diese würden bei genereller Ausdehnung der Einrichtung schließlich wegfallen. »
  • 105B.: Welche Gegenstände sind das?, “ordentliche Gerichte” unterstrichen »
  • 106B.: Besonders am grünen Richtertisch!, “unsicherer Rechtsbegriff” unterstrichen und am Rande doppelt angestrichen. »
  • 107BArchP 15.01 Nr. 386, fol. 131─136; erster Entwurf von der Hand Bosses v. 15.10.1883: BArchP 15.01 Nr. 385, fol. 33─47 Rs. (wohl als erste Diskussionsgrundlage), zweiter Entwurf: ebd., fol. 236─252. Bismarck hat noch viele der aufgezählten Betriebstypen mit Zahlen versehen, um eine andere Eingruppierung vorzuschlagen, auf deren Wiedergabe haben wir hier verzichtet. »
  • 108B.: mit Naturkraft »
  • 109B.: Maschinenbetrieb? »
  • 110B.: sind nicht Gruben, Bergwerke u(nd) Fabriken zu sondern? vielleicht auch Öfen, Hoch, Gießereien? Hütten »
  • 111B.: nicht gleichartig, Geschützgießereien mit Gewehrfabriken mit Klammer verbunden und davor die Randbemerkung »
  • 112B.: chemische, Gifte »
  • 113B.: chem(isch) »
  • 114B.: ja »
  • 115B.: Gruben, Bergw(erke), Fabriken »
  • 116B.: In sich nicht gleich, mit Torfgewinn(ung), (-)bruch, nicht verwandt in Haftpflicht; Steinkohlengruben und Braunkohlengruben durch Klammer verbunden, dahinter die Randbemerkung »
  • 117B.: wohl kaum, wenn nicht mit Dampfinaschinenbetr(ieb): schon c(on)f(e)r zu 3. pag(ina) s(e)q(uens) »
  • 118B.: bei Handbetrieb? »
  • 119B.: ?! »
  • 120Dieser Halbsatz unterstrichen, dann ?? kein Grund zu heterogenen Verbindungen. Ma- schinenbetrieb(/)art entscheidet über Gefährlichkeit »
  • 121Bernstein unterstrichen, heterogen »
  • 122 Torf »
  • 123 mit oder ohne Maschine? »
  • 124“Marmorbrüche” bis “Schieferbrüche” eingeklammert »
  • 125die beiden letzten Worte eingeklammert, andres ?? »
  • 126 Brüche d(es) Maschinenbetrieb(s) bedingen nicht die gleichen Folgen u(nd) Unterlagen; nachfolgend mehrere Angaben von Betriebstypen unterstrichen »
  • 127 Brüche apart u(nd) Bearbeitung apart. Der Gegenstand ist weniger entscheidend als die Betriebsmittel/Maschinen »
  • 128Bismarcks Marginalisierung endet mit dieser 3. Kategorie, nur unter “14. Berufsgenossenschaft für Brauerei, Brennerei und Essigfabrikation” (fol. 149) findet sich neben “Branntweinbrennereien, Fabrikmäßige Essenzfabriken” seine Randbemerkung Maschinenfrage »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 125, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

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