II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 81

1883 Mai 5

Bericht1 über die sechste Sitzung der VIII. Reichstagskommission

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[Beratung und Abstimmung über die §§ 5 und 7 der zweiten Unfallversicherungsvorlage, einstimmige Ablehnung des Reichszuschusses]

In der Sitzung vom 5. [Mai] kam es nach nochmaliger lebhafter Diskussion über die Belastung der Krankenkassen, besonders der freien Hilfskassen, an welcher sich die Abg. v. Maltzahn, v. Hertling, Dr. Buhl, Dr. Boettcher, Lohren, Dr. Langerhans2, Dr. Hirsch und Geh. Oberregierungsrat Lohmann beteiligten, zur Abstimmung über § 5. Für den Antrag, die Karenzzeit endlich gänzlich zu streichen, stimmten von den anwesenden 27 Mitgliedern (ein nationalliberales Mitglied fehlte) nur die 12 Liberalen, wodurch auch der Zusatzantrag Buhl wegfiel. Die kombinierten Anträge von Hertling-Maltzahn, welche für die Heilungskosten eine vierwöchentliche, für die Geldunterstützung eine 13wöchentliche Karenzzeit für die krankenversicherungspflichtigen Personen vorschreibt, wurden mit 14 gegen 13 Stimmen (die Liberalen und der konservative Abg. Ebert3) angenommen; hierauf ward der so modifizierte § 5 mit 15 gegen 12 Stimmen genehmigt.4 Es folgte die Abstimmung über § 7, worüber die Diskussion schon in den ersten Sitzungen stattgefunden hatte. Der Antrag Hirsch-Gutfleisch, wonach die Unfallversicherung durch die Unternehmer bei einer zugelassenen (Privat-) Versicherungsanstalt beziehungsweise Genossenschaft zu bewirken ist, wurde mit 16 gegen 11 Stimmen (1 nationalliberales Mitglied stimmte dagegen) abgelehnt. Das gleiche Schicksal traf alle anderen Anträge mit einer Ausnahme; der Antrag von Hertling ward mit allen gegen 9, der Antrag Lohren gegen 2, ein Antrag von Maltzahn gegen 4 Stimmen abgelehnt. Dagegen wurde auf Antrag von Hertling-Maltzahn die gänzliche Streichung des Reichszuschusses einstimmig beschlossen (Sensation) und hierauf abgelehnt. Die Frage der Organisation und der Verteilung der Lasten ist hiernach gänzlich unentschieden geblieben.

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Registerinformationen

Personen

  • Lieber, Dr. Ernst Philipp (1838─1902) Jurist, MdR (Zentrum)
  • Schirmeister, Heinrich von (1817─1892) Landrat a.D., MdR (Liberale Vereinigung)
  • Stolberg-Wernigerode, Otto Graf zu (1837─1896) Großgrundbesitzer und Standesherr, Vizekanzler und Stellvertreter Bismarcks
  • 1ZfV, 7. Jg. 1883, S. 221, Sitzungsprotokoll: BArchP 01.01 Nr. 3080, fol. 201─203. »
  • 2Dr. Paul Langerhans (1820─1909), prakt. Arzt, seit 1881 MdR (Fortschrittspartei). »
  • 3Karl Ebert (1838─1889), Bergwerkbesitzer, seit 1881 MdR (konservativ). »
  • 4Vgl. BArchP 15.01 Nr. 384, fol. 107; vgl. auch Nr. 86. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 81, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

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