II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 75

1883 Januar 13

Bericht1 des bayerischen Gesandten in Berlin Hugo Graf von und zu Lerchenfeld-Koefering an den bayerischen Staatsminister des königlichen Hauses und Außenminister Krafft Freiherr von Crailsheim

Auszug, Teildruck

[Bismarck will das Krankenversicherungsgesetz akzeptieren]

[...] Es scheint jetzt festzustehen, daß der Reichskanzler das Krankenkassengesetz ohne gleichzeitige Annahme des Unfallgesetzes akzeptieren wird. Er hat sich in diesem Sinne gegenüber den Abgeordneten geäußert, welche zum Empfang der Kaiserspende an die Überschwemmten sich bei ihm eingefunden hatten.2 Seine Mitarbeiter waren über die Erklärung erstaunt, denn vor nicht langer Zeit hatte Fürst Bismarck noch neuerdings seine Abneigung gegen die Trennung der beiden

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Entwürfe geäußert. Das Motiv, welches er für seine Auffassung anführte, war, daß das Krankenkassengesetz, welches den Beteiligten bedeutende Lasten auferlege, isoliert unpopulär sei und politisch ungünstig wirken würde. Die Kompensation hätte der arme Mann3 in dem Unfallgesetze gefunden, welches demselben nur Vorteile und keine Lasten bringe.

Registerinformationen

Personen

  • Lohmann, Theodor (1831─1905) Geheimer Oberregierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Wyneken, Dr. Ernst Friedrich (1840─1905) Philosoph und Theologe, Freund Theodor Lohmanns
  • 1BayHStA MArb 1242, n.fol., Entwurf (mit Ausführungen zu weiteren Themenkomplexen): Bayer. Gesandtschaft Berlin 1053. »
  • 2Die VIII. Kommission des Reichstags hatte in ihrer 21. Sitzung am 13.12.1883 auf Vorschlag des Freiherrn v. Franckenstein (nur gegen die Stimme von Dr. Max Hirsch) beschlossen, nach Abschluß der 1. Lesung des Krankenversicherungsgesetzes gleich mit der 2. Lesung zu beginnen, also die 1. Lesung des Unfallversicherungsgesetzes zurückzustellen; v. Boetticher hatte es dem Urteil der Kommission überlassen, welchen Weg sie einschlagen wollte (BArchP 01.01 Nr. 3070, fol. 256).Die sog. parlamentarische Notstandskonferenz fand am 9.1.1883 statt; aus Heinrich von Poschingers Bericht (Fürst Bismarck und die Parlamentarier, 1. Bd., 2. Aufl., Breslau 1894, S. 251 ff.) geht hervor, daß Frhr. von Franckenstein ein Tischnachbar Bismarcks war. »
  • 3Vgl. zum Begriff: Bd. 2 der I. Abteilung dieser Quellensammlung, S. 594. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 75, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

Permalink: https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/id/q.02.02.01.0075

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