II. Abteilung, 2. Band, 1. Teil

Nr. 14

1881 Oktober 24

Bericht1 des Staatssekretärs des Innern Karl Heinrich von Boetticher an den Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck mit Nachschrift

Reinschrift mit Randbemerkungen Bismarcks

[Änderungsvorschläge zur Ausdehnung der geplanten Unfallversicherung auf Baubetriebe, Grundzüge eines Krankenkassengesetzes (mit allgemeinem Versicherungszwang) sind ergänzend zur Unfallversicherungsvorlage entworfen worden, um die Probleme von Geschäftslast durch “kleine” Unfälle und Simulation zu lösen, Vorschlag einer 13wöchigen statt 4wöchigen Karenzzeit (Ablehnung durch Bismarck, der statt dessen Korporationen mit Zentralstelle und “Hunderten von Lokalstellen” befürwortet), Kritik an Reichszuschuß und Beitragsfreiheit für Arbeiter in der bisher vorgesehenen Form, Berechnung der Beitragsgrundlage, Organisation und Verwaltung der Unfallversicherungsgenossenschaften; Nachschrift: Plädoyer für freiwillig gebildete Korporationen, Argumentation gegen Bismarcks Vorstellungen von Zwangskorporationen als Versicherungsträger und Umlageverfahren]

Nachdem der Gesetzentwurf, betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter, unter Berücksichtigung der Reichstagsverhandlungen und -beschlüsse einer nochmaligen Prüfung unterzogen ist, gestatte ich mir im folgenden einige Fragen, welche vor der neuen Redaktion des Entwurfes der Entscheidung bedürfen, der Entschließung Eurer Durchlaucht gehorsamst zu unterbreiten.

I. Die Bauarbeiter sind, soweit sie nicht in Anlagen für Bauarbeiten (Bauhöfen) beschäftigt werden, durch Absatz 3 des § 1 nur in soweit dem Versicherungszwange unterworfen, als die Baubetriebe durch Beschluß des Bundesrats für versicherungspflichtig erklärt werden würden.

Der ursprüngliche Entwurf wollte alle “bei der Ausführung von Bauten beschäftigten Arbeiter” dem Versicherungszwang unterwerfen und die Verpflichtung des Betriebsunternehmers demjenigen auferlegen, für dessen Rechnung der Bau ausgeführt wird.2 Schon im Volkswirtschaftsrat wurde hiergegen das Bedenken erhoben, daß es praktisch unausführbar sein werde, einen jeden zur Versicherung heranzuziehen, welcher vielleicht nur für wenige Tage einen oder einige Arbeiter mit Bauarbeiten, [ Druckseite 34 ] z. B. mit der Reparatur eines Daches beschäftige, und daß dieses Bedenken auch nicht durch eine Unterscheidung zwischen Neubauten und Reparaturen gehoben werden könne, da letztere häufig umfangreicher und gefährlicher als erstere seien.

Bei der Beratung des Gesetzes im Bundesrate wurde dieses Bedenken als zutreffend anerkannt. Ein Vorschlag, die Unfallversicherung der Bauarbeiter in der Weise zu regeln, daß nicht derjenige, für dessen Rechnung der einzelne Bau ausgeführt werde, sondern der Gewerb[e]treibende (Bauhandwerker, Bauunternehmer etc.), welcher Bauarbeiter in seinem Gewerbebetriebe beschäftige, die Versicherung derselben zu bewirken habe, erwies sich gleichfalls als unannehmbar, weil bei dieser Regelung wohl die im Dienste eines Gewerb[e]treibenden stehenden, nicht aber diejenigen zahlreichen Arbeiter versichert werden würden, welche z. B. bei Bauausführungen im Regiebetriebe direkt ohne die Vermittlung eines Gewerb[e]treibenden für Arbeiten bei Bauausführungen engagiert werden.

Da ein anderer, das Verhältnis erschöpfend regelnder Vorschlag nicht gemacht werden konnte, so wurde die oben erwähnte Bestimmung in den Entwurf aufgenommen, wodurch die Regelung der Versicherung der Bauarbeiter der Beschlußnahme des Bundesrates vorbehalten wurde. Diese Bestimmung hat im Reichstage lebhafte Anfechtung erfahren.3 Von allen Seiten wurde es als ein Mangel bezeichnet, daß für eine Klasse von Arbeitern, welche besonders häufig von Betriebsunfällen betroffen werden, die Wohltat der Versicherung von einer Beschlußfassung des Bundesrats abhängig gemacht werde, für welche das Gesetz nicht einmal die Grundzüge enthalte, und während auch die Freunde des Gesetzentwurfes eine diesen Mangel ausfüllende Bestimmung nicht vorzuschlagen vermochten, wurde von den Gegnern desselben in diesem Mangel ein Beweis dafür gefunden, daß dem Gesetzentwurf ein falsches System zugrunde liege, indem behauptet würde, daß die hervorgetretene Schwierigkeit lediglich in dem Systeme des präventiven Versicherungszwanges ihren Grund habe, und sofort beseitigt sein würde, wenn man sich mit der verschärften Haftpflicht4 und dem darin liegenden indirekten Versicherungszwange begnüge.

Unter diesen Umständen dürfte es dringend wünschenswert sein, die Versicherung der Bauarbeiter wenigstens in ihren Grundzügen durch das Gesetz zu regeln, zumal nicht zu verkennen ist, daß die bisherige Bestimmung des Entwurfs lediglich ein durch die Kürze der Zeit gebotener Notbehelf war und die in der Sache liegenden [ Druckseite 35 ] Schwierigkeiten dadurch nicht geringer werden, daß man ihre Lösung der Beschlußnahme des Bundesrates überläßt.

Nach eingehenden Erwägungen, bei welchen auch eine von mir erbetene Äußerung des königlich preußischen Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten in Betracht gezogen ist5, glaube ich die Aufnahme folgender Bestimmungen in den Gesetzentwurf empfehlen zu sollen:

Als Absatz 2 des § 1:

“Dasselbe gilt von Arbeitern und Betriebsbeamten, welche von einem Gewerbetreibenden, dessen Gewerbebetrieb sich auf die Ausführung von Bauarbeiten erstreckt, in diesem Betriebe beschäftigt werden, sowie von sonstigen bei der Ausführung von Bauten beschäftigten Arbeitern und Betriebsbeamten, soweit dieselben nicht, ohne im Dienste eines Gewerb[e]treibenden zu stehen, lediglich einzelne Reparaturarbeiten ausführen.”

Statt des bisherigen § 14:

“Als Betriebsunternehmer gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb erfolgt. Für die in § 1 Absatz 2 bezeichneten Betriebe treffen die dem Betriebsunternehmer nach diesem Gesetze obliegenden Verpflichtungen, soweit es sich um Arbeiter und Betriebsbeamte handelt, welche von einem Gewerb[e]treibenden beschäftigt werden, diesen, soweit es sich um sonstige bei der Ausführung eines Baues Beschäftigte handelt, denjenigen, welcher die Ausführung des Baues im Ganzen als Unternehmer übernommen hat, sofern ein solcher Unternehmer nicht vorhanden ist, den Bauherrn. Über die Ausführung dieser Bestimmung können durch Beschluß des Bundesrates nähere Vorschriften erlassen werden.”

Hiernach würden alle Bauarbeiter, welche von einem Handwerksmeister oder sonstigen Baugewerbtreibenden beschäftigt werden, von diesem für die ganze Dauer des Arbeitsverhältnisses zu versichern6 sein, ohne Rücksicht darauf, ob sie nur in der Werkstatt oder zeitweilig bei der Ausführung eines von ihrem Arbeitgeber übernommenen Baues beschäftigt würden. Denjenigen dagegen, welcher einen Bau ausführen läßt, würde eine Versicherungspflicht7 nur für die ohne Vermittlung eines Gewerb[e]treibenden direkt von ihm angenommenen Arbeiter obliegen. Würde z. B. ein öffentliches Gebäude im Rohbau im Regiebetriebe aufgeführt, dagegen die Herstellung der Türen und Fenster, des Verputzes, der Malereien usw. an Handwerksmeister übertragen, so würden von der öffentlichen Verwaltung, welche den Bau ausführen läßt, nur die beim Rohbau beschäftigten Arbeiter zu versichern sein, während alle übrigen schon durch die Versicherung gedeckt wären, welche von den mit Ausführung der einzelnen Arbeiten beauftragten Handwerksmeistern für ihren Gewerbebetrieb im Ganzen abgeschlossen ist. Ebenso würde der Besitzer eines Gebäudes, welcher eine Reparatur an demselben einem Handwerksmeister überträgt, nicht für die Versicherung der dieselbe ausführenden Arbeiter verantwortlich sein. Damit ihn aber auch dann, wenn er durch einen Arbeiter, welcher weder bei einem Gewerb[e]treibenden in Arbeit steht, noch selbst Gewerb[e]treibender [ Druckseite 36 ] ist, einzelne Reparaturarbeiten ausführen läßt, nicht die Verantwortung für eine in diesem Falle praktisch unausführbare Versicherung treffe, ist dem Absatz 2 des § 1 der einschränkende Zusatz beigefügt: “soweit dieselben nicht usw.”

Da von vornherein schwer zu übersehen ist, ob für die Verteilung der Verantwortlichkeit für die Versicherung, wie sie im § 14 geregelt ist, nicht noch nähere Vorschriften erforderlich werden, so ist dem Bundesrate die Befugnis, solche zu erlassen, vorbehalten.

Daß die Ausführung dieser Bestimmungen auf mancherlei Schwierigkeiten stoßen wird, ist nicht zu verkennen. Solche werden namentlich bei Bauten, für welche die Obliegenheiten des Betriebsunternehmers zwischen dem Bauherrn und den von ihm engagierten Handwerksmeistern geteilt ist und noch mehr bei der Durchführung des Versicherungszwanges gegenüber den Gewerb[e]treibenden hervortreten: in letzterer Beziehung hauptsächlich deshalb, weil es zahlreiche Handwerker gibt, welche, wie Anstreicher, Glaser, Klempner und dergleichen nicht immer und nicht ausschließlich Bauarbeiten ausführen, während doch auch sie, soweit sie sich mit Bauarbeiten beschäftigen, in die Versicherung einbezogen werden müssen, wenn nicht zahlreiche, oft erheblichen Gefahren ausgesetzte Arbeiter unversichert bleiben sollen.

Da es indessen nicht gelungen ist, einen einfacheren und sichereren Weg zur Regelung der Versicherung der Bauarbeiter aufzufinden, und die Ausschließung der letzteren von der Unfallversicherung nicht wird in Frage kommen können, so dürfte nichts anderes übrigbleiben, als vorläufig die oben formulierten Bestimmungen in den Gesetzentwurf aufzunehmen.

II. Die Karenzzeit, welche nach dem Entwurf vier Wochen betragen sollte, und vom Reichstage auf zwei Wochen herabgesetzt wurde, wird nur beibehalten werden können, wenn gleichzeitig der Resolution des Reichstags entsprechend die bereits in den Motiven in Aussicht gestellte Revision der Krankenkassengesetzgebung in der Richtung erfolgt, daß jedem durch einen Unfall betroffenen Arbeiter während der Karenzzeit eine angemessene Unterstützung aus einer Krankenkasse gesichert wird.

Ich habe daher die Frage der künftigen Regelung der Krankenversicherung unter Zuziehung einiger mit dem bestehenden Krankenkassenwesen praktisch vertrauten Staats- und Kommunalbeamten in der wirtschaftlichen Abteilung des Reichsamts des Innern einer eingehenden Beratung unterziehen und aufgrund des Ergebnisses die Grundzüge eines Gesetzentwurfes aufstellen lassen, über welche ich mich beehren werde, Eurer Durchlaucht binnen kurzem eine besondere Vorlage gehorsamst zu unterbreiten.8

[ Druckseite 37 ]

Diese Grundzüge nehmen, soweit sie für die Regelung der Unfallversicherung in Betracht kommen ─ statt des bisherigen, durch Erlaß eines Ortsstatuts bedingten ─ einen unbedingten und allgemeinen Zwang zur Krankenversicherung9 in Aussicht, welchem neben anderen namentlich alle unter das Unfallversicherungsgesetz fallenden Arbeiter unterworfen werden sollen. Als Minimum der Unterstützung, welche von den zu errichtenden Krankenkassen im Krankheitsfalle zu gewähren ist, soll neben freier ärztlicher Behandlung und freier Arznei ein mindestens für die Dauer von dreizehn10 Wochen zu zahlendes Krankengeld im Betrage von mindestens der Hälfte des ortsüblichen Tagelohnes festgesetzt werden. Die Beiträge zu den Krankenkassen sollen, soweit es sich um die unter das Unfallversicherungsgesetz fallenden Arbeiter handelt, zu zwei Dritteln von diesen11, zu einem Drittel von den Arbeitgebern geleistet werden, während nach den bisherigen gesetzlichen Vorschriften nur eine Ermächtigung der Gemeindebehörden bestand, die Arbeitgeber, soweit sie Fabrikbesitzer sind, bis zu einem Drittel des Gesamtbeitrags heranzuziehen.

Wenn auf diese Weise allen unter das Unfallgesetz fallenden Arbeitern auch in denjenigen Krankheitsfällen, in denen die Erwerbsunfähigkeit Folge eines Unfalles ist, für die ersten dreizehn Wochen eine angemessene Unterstützung aus der Krankenkasse gesichert wird, so entsteht die Frage, ob es sich nicht empfiehlt, für die Unfallversicherung statt der bisher in Aussicht genommenen vierwöchigen eine dreizehnwöchige Karenzzeit eintreten zu lassen.

Überwiegende Gründe der Zweckmäßigkeit dürften für die Bejahung dieser Frage sprechen. 12

Für die sozialpolitische Wirkung des Unfallversicherungsgesetzes wird es von der größten Bedeutung sein, ob die demnächstige Reichsversicherungsanstalt imstande sein wird, ihre Geschäfte in einer alle Beteiligten befriedigenden Weise abzuwickeln. Zur Erreichung dieses Zieles dürfte es aber dringend geboten sein, den [ Druckseite 38 ] Umfang jener Geschäfte auf das erreichbar geringste Maß zu beschränken, und namentlich, soweit irgend mit dem Zwecke des Gesetzes vereinbar, alle Geschäfte von der Reichsversicherungsanstalt fernzuhalten, welche ihrer Natur nach für die Abwicklung durch eine große zentrale Anstalt nicht geeignet13 sind.

Nach einer aufgrund der bisherigen Erfahrungen der Unfallversicherungsgesellschaften vom Versicherungsdirektor Molt14 angestellten Berechnung15, würden bei 2 Millionen Arbeitern, welche etwa unter das Gesetz fallen werden, jährlich im Durchschnitt 104 00016 Unfälle eintreten. Diese würden sich nach ihren Wirkungen folgendermaßen verteilen:

1. Fälle der Erwerbsunfähigkeit bis 4 Wochen

74 800

2. Fälle der Erwerbsunfähigkeit von 4 Wochen bis 13 Wochen

20 933

3. Fälle vorübergehender Erwerbsunfähigkeit von mehr als 13 Wochen

1 867

4. Fälle dauernder Erwerbsunfähigkeit

3 600

5. Todesfälle

2 80017

Soll in allen diesen Fällen die Entschädigung aus der Reichsversicherungsanstalt erfolgen, so würde derselben eine Geschäftslast erwachsen, welche von einer Behörde schwerlich noch in befriedigender Weise bewältigt werden könnte. Selbst wenn die Reichsversicherungsanstalt ihren Geschäftsbetrieb so dezentralisierte, daß die Feststellung der Entschädigung in allen Fällen vorübergehender Erwerbsunfähigkeit den Verwaltungsstellen18 überlassen19 und nur für die Fälle der dauernden Invalidität und des Todes der Zentralstelle übertragen würde, so müßte dieser doch auch in den Fällen der ersteren Art mindestens eine Revision und Genehmigung der von den Verwaltungsstellen vorgenommenen Feststellungen vorbehalten bleiben20, wenn der Gefahr einer völligen Ungleichmäßigkeit und selbst einer weitgreifenden finanziellen Schädigung der Anstalt vorgebeugt werden sollte21. Für den Geschäftsbetrieb der Zentralstelle würden sich demnach bei gänzlichem Wegfall der Karenzzeit jährlich 6400 Schadensfeststellungen und 97 600 Revisionen oder auf jeden Arbeitstag im Jahre etwas über 21 Schadensfeststellungen22 und 325 Revisionen ergeben und selbst bei einer Karenzzeit von 4 Wochen würde die Zahl der letzteren täglich noch 76, die Zahl der Schadensfeststellungen und Revisionen zusammen [ Druckseite 39 ] täglich noch fast 100 betragen23, während bei einer Karenzzeit von 13 Wochen diese Zahl auf 8267 im Jahre und 27 bis 28 für den Tag sinken würde.

Für das Maß der Geschäftslast, welche der Zentralstelle aus der Schaden[s]regulierung erwachsen würde, kommt in Betracht, daß die Revisionen ebensowenig wie die Schadensfeststellungen ohne Einsicht der Entschädigungsverhandlungen vorgenommen werden können24, daß letztere schon deshalb unvermeidlich ist, weil in jedem Falle ein Urteil darüber gewonnen werden muß, ob gegen den Unternehmer ein Regreßanspruch wegen groben Verschuldens zu erheben sein, und daß ohne Zweifel in vielen Fällen eine Nachinstruktion erforderlich werden würde. Die Bewältigung dieser Geschäftslast würde eine Behörde von so großem Umfange erfordern, daß ein einheitlicher und übersichtlicher Geschäftsbetrieb dadurch im höchsten Maße gefährdet werden würde. 25

Wie umfangreich die Geschäfte der Zentralbehörde ohnehin schon sein würden, ergibt sich aus dem Umstande, daß, wenn man die Zahl der durchschnittlich auf einen Betrieb fallenden Arbeiter ─ wahrscheinlich zu hoch ─ auf 20 annimmt, bei der Reichsversicherungsanstalt 100 000 Versicherungen laufen würden. Die Zahl der jährlich neu entstehenden oder veränderten Betriebe wird man auf 10 % der Gesamtzahl, also auf 10 000 veranschlagen müssen, so daß ─ abgesehen von der erstmaligen Einschätzung sämtlicher Betriebe ─ fortlaufend in jedem Rechnungsjahre für 10 000 Anlagen die Einschätzung in Gefahrenklassen vorgenommen werden muß.26 Auch diese Einschätzungen werden an der Zentralstelle revidiert werden müssen, und dasselbe gilt für die Berechnung und Vereinnahmung der Prämienzahlungen, deren Zahl sich vierteljährlich auf 100 000, im Jahre also auf 400 000 belaufen wird.

Bei einem solchen Geschäftsumfange liegt die Gefahr einer bürokratischen und schablonenmäßigen Geschäftsführung sehr nahe.27 Namentlich würde sich die Zentralverwaltung bei der Unmöglichkeit, die einzelnen Fälle sorgfältig zu prüfen, durch ihre Verantwortlickeit leicht dahin führen lassen, jeden Entschädigungsanspruch, welcher irgendwie zweifelhaft wäre, ohne weiteres bis zur gerichtlichen Verurteilung abzulehnen und damit in den Fehler der Inkulanz und Härte zu verfallen, welcher die Reichsversicherungsanstalt bald unpopulär machen würde.

Empfiehlt sich hiernach eine möglichst lange Karenzzeit schon im Interesse tunlichster Einschränkung des Geschäftsumfanges der Reichsversicherungsanstalt, so spricht dafür ferner der Umstand, daß die Fälle vorübergehender Erwerbsunfähigkeit sich ihrer Natur nach sehr wenig zur Abwicklung durch eine zentrale Behörde eignen. Sollte die Gewährung der Unterstützung in diesen Fällen so lange aufgeschoben werden, bis der Unterstützungsanspruch von der Zentralbehörde anerkannt wäre, so würde der Mangel sofortiger Hilfe den Verletzten nicht selten in die empfindlichste Not versetzen oder doch seinen Haushalt so ruinieren, daß der Schaden [ Druckseite 40 ] durch die nachträgliche Leistung der Entschädigung gar nicht wieder gut gemacht werden könnte.28 Andererseits würde aber die vorläufige Gewährung der Unterstützung die Gefahr in sich schließen, daß in vielen Fällen eine Wiedereinziehung der zu Unrecht geleisteten Unterstützungen durch die Zahlungsunfähigkeit der Empfanger unmöglich gemacht würde. Daß diejenige Kontrolle, welche erforderlich ist, um Simulationen zu verhüten, nur an Ort und Stelle und mit der erforderlichen Strenge nur von solchen Organen ausgeübt werden kann29, welche an der Verhütung der Simulationen ein unmittelbares Interesse haben, wird durch die Erfahrungen aller größeren Krankenkassen zur Genüge bestätigt. Die Gefahr der Simulation besteht aber nicht bloß darin, daß bei geringfügigen Verletzungen Entschädigungsansprüche erhoben werden, wo bei strenger Kontrolle eine Erwerbsunfähigkeit gar nicht anerkannt werden würde, sie kann eine Schädigung der Kasse auch dadurch herbeiführen, daß in Fällen, wo eine Erwerbsunfähigkeit wirklich eingetreten ist, die Unterstützung länger bezogen wird, als die Erwerbsunfähigkeit dauert. Insofern liegt die Gefahr der Simulation bei jedem Falle vorübergehender Erwerbsunfähigkeit vor, und die Reichsanstalt würde kein Mittel haben, sich gegen diese Gefahr, die naturgemäß und erfahrungsmäßig desto größer wird, je größer der Umfang der Kasse ist, wirksam zu schützen. Am zweckmäßigsten würde es daher sein, wenn alle Fälle vorübergehender Erwerbsunfähigkeit in dem engeren Kreise der örtlichen Krankenkassen30 abgewickelt und die Tätigkeit der Reichsversicherungsanstalt auf die Fälle dauernder Invalidität und auf Todesfälle beschränkt werden könnte. Dem steht indessen der Umstand entgegen, daß zahlreiche Fälle vorkommen, in denen von vornherein nicht feststeht, ob die Erwerbsunfähigkeit eine dauernde oder eine vorübergehende sein wird, und daß daher irgendeine Zeitgrenze festgestellt werden muß, von welcher ab die Reichsanstalt einzutreten hat. Für diese Begrenzung eignet sich aber der Zeitraum von 13 Wochen, schon insofern, als die meisten Krankenkassen bereits jetzt die Krankenunterstützung für diesen Zeitraum gewähren. Außerdem lehrt die Erfahrung, daß unter denjenigen Fällen, in denen die Erwerbsunfähigkeit länger als 13 Wochen dauert, nur verhältnismäßig wenige sind (nach der oben gegebenen Übersicht unter 5467 nur 1867), in denen die Erwerbsunfähigkeit nicht eine dauernde ist, so daß also mit dieser Begrenzung das Ziel, der Reichsversicherungsanstalt nur die Fälle dauernder Invalidität zuzuweisen, nahezu erreicht werden würde. Gegen die Verlängerung der Karenzzeit auf 13 Wochen wird ohne Zweifel geltend gemacht31 werden, daß dadurch die Lage der Arbeiter gegenüber der durch das Haftpflichtgesetz geschaffenen verschlechtert werde, indem ihnen statt der vollen Entschädigung aus den Mitteln der Arbeitgeber eine nur teilweise Entschädigung aus einer Kasse geboten werde, deren Mittel sie zum größeren Teile selbst aufzubringen haben würden. Demgegenüber ist indessen darauf hinzuweisen, daß die Arbeiter in den allermeisten Fällen vorübergehender Erwerbsunfähigkeit schon bisher auf die Unterstützung der Krankenkassen angewiesen sind, da die Zahl der haftpflichtigen Unfälle, welche schon im allgemeinen nur [ Druckseite 41 ] einen kleinen Teil aller Unfälle ausmacht, bei den geringfügigeren Unfällen erfahrungsmäßig im Verhältnis zu den nicht haftpflichtigen noch viel geringer ist. Außerdem kommt in Betracht, daß nach § 4 des Haftpflichtgesetzes die Leistung der Krankenkasse schon jetzt auf die vom Unternehmer zu leistende Entschädigung anzurechnen ist, wenn der letztere zu der Krankenkasse ein Drittel der Beiträge leistet. Im übrigen wird die Lage der Arbeiter nicht unerheblich durch die Bestimmung verbessert werden, nach welcher der Unternehmer stets ein Drittel der Krankenkassenbeiträge leisten soll, während es bisher von der Bestimmung der Gemeinde32 abhängig war, ob er überhaupt einen Beitrag zu leisten hatte, und endlich dürfte, um dem Arbeiter für die ersten 13 Wochen die gleiche Unterstützung zu sichern, wie er sie nach dieser Zeit aus der Reichsversicherungsanstalt erhält, nichts im Wege stehen, zu bestimmen, daß die Krankenkassen in Krankheitsfallen, welche durch Betriebsunfälle herbeigeführt sind, an Krankengeld statt der Hälfte des Arbeitslohnes zwei Drittel desselben zu gewähren haben.

Wenn auch bei dieser Regelung noch der Einwand erhoben werden kann, daß der Arbeiter, wenn ein Teil der Unfallentschädigung aus den Krankenkassen gedeckt wird, zugunsten des Arbeitgebers belastet werden würde33, weil er zu den Krankenkassen einen höheren Beitrag leiste, so wird diesem Einwande durch den Hinweis darauf begegnet werden können, daß das Verhältnis, in welchem Arbeitgeber und Arbeiter zur Unfallversicherungsprämie beitragen, zugunsten des letzteren abgeändert wird.34

III. Die Bestimmungen des Entwurfs über das Beitragsverhältnis und über den Zuschuß des Reiches zur Versicherungsprämie werden in der praktischen Anwendung so erhebliche Unzuträglichkeiten mit sich bringen, daß eine Abänderung derselben dringend wünschenswert sein dürfte. Die in § 13 vorgesehene Klasseneinteilung (750 M, 1000 M, 1200 M) erfordert in jedem Vierteljahr eine Berechnung, welche dem Arbeitgeber ein höchst kompliziertes und schwieriges Geschäft aufbürdet, der Reichsversicherungsanstalt eine wirksame Kontrolle fast unmöglich macht, und die Arbeiter in sehr ungleichmäßiger und deshalb häufig unbilliger Weise trifft.

Ob der Arbeiter überhaupt einen Beitrag zu leisten hat, hängt davon ab, ob sein Verdienst fürs Jahr 750 M nicht übersteigt.35 Als Jahresarbeitsverdienst soll der 300fache Betrag des täglichen Arbeitsverdienstes gelten. Bei der vierteljährlichen Berechnung entsteht zunächst der Zweifel, ob dieselbe für das Vierteljahr im Ganzen oder für jeden einzelnen Arbeitstag vorgenommen werden soll. Ist der Arbeiter während sämtlicher Arbeitstage des Vierteljahrs bei gleichbleibendem Lohne beschäftigt gewesen, so ist die Rechnung einfach: er gehört in diesem Falle der untersten Klasse an, wenn sein Vierteljahresverdienst nicht über 187 1/2 M (750 M : 4) betragen hat. Ist er zwar bei gleichem Lohne, aber nicht während aller Arbeitstage des Vierteljahres beschäftigt gewesen, so kann schon nicht mehr die Summe seines Vierteljahresverdienstes maßgebend sein; derselbe wird vielmehr durch die Zahl [ Druckseite 42 ] der Tage, während welcher er beschäftigt gewesen ist, zu dividieren, und der daraus sich ergebende Tagesverdienst36 mit 300 zu multiplizieren sein, um den für die Klasseneinteilung maßgebenden Jahresverdienst festzustellen. Zweifelhaft und noch schwieriger wird die Berechnung, wenn der Arbeiter bei wechselnder Lohnhöhe, sei es während des ganzen Vierteljahres, sei es während eines Teils desselben beschäftigt gewesen ist. Streng genommen würde in diesem Falle für jeden einzelnen Arbeitstag festzustellen sein, ob der Arbeiter unter oder über 2 M 50 Pf. (750 M : 300) verdient hat und demnach für den einzelnen Tag beitragspflichtig ist oder nicht. Da diese Berechnung praktisch undurchführbar sein würde, so bleibt nichts anderes übrig, als den Durchschnittsverdienst gelten zu lassen, welcher sich ergibt, wenn der gesamte Vierteljahresverdienst mit der Zahl der Tage, während welcher der Arbeiter beschäftigt gewesen ist, dividiert wird. Bei dieser Art der Berechnung wird aber eine große Ungleichmäßigkeit in der Heranziehung der Arbeiter zu Beiträgen nicht vermieden werden können.37 Wenn der Arbeiter A zwei Vierteljahre so beschäftigt gewesen ist, daß er für die Hälfte der Arbeitstage jedes Vierteljahrs 2 M und für die andere Hälfte 3 M Lohn bezogen hat, so bleibt er in beiden Vierteljahren vom Beitrag befreit, weil sein Durchschnittslohn in beiden Vierteljahren nicht über 2 M 50 Pf. betragen hat. Dagegen würde der Arbeiter B, welcher im ersten Vierteljahre für alle Arbeitstage 2 M, dagegen im zweiten Vierteljahre für alle Arbeitstage 3 M Lohn bezogen hätte, und für das erste Vierteljahr vom Beitrage befreit bleiben, dagegen für das zweite denselben zahlen müssen, obgleich er in dem ganzen halben Jahre nicht mehr verdient hätte, als der Arbeiter A.

Dieselben Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten wiederholen sich bei der Berechnung, welche darüber entscheidet, ob der Arbeiter zu der Klasse mit Verdienst bis zu 1000 M oder zu derjenigen mit Verdienst von über 1000 M gehört, und demgemäß entweder ein Drittel oder die Hälfte der Prämie zu tragen hat.38

Die Scheidung der Arbeiter nach der Lohnhöhe in solche, für welche der Prämienbeitrag vom Reiche gezahlt wird, und solche, welche diesen Beitrag selbst zahlen müssen, ist daneben noch mit dem weiteren Übelstande verbunden, daß die Befreiung großen Massen von Arbeitern zuteil werden wird, für welche die darin liegende Unterstützung aus öffentlichen Mitteln keine Berechtigung hat, während sie andererseits einer großen Zahl nicht zuteil wird, für welche das Bedürfnis, sofern ein solches überhaupt anzunehmen ist, in weit höherem Maße Platz greift. Zunächst werden die zahlreichen jugendlichen und unverheirateten Arbeiter, welche meistens, auch in Gegenden und Industriezweigen mit hohen Löhnen, den Lohnsatz von 2 M 50 Pf. pro Tag noch nicht erreichen, vom Beitrage befreit, obwohl sie wirtschaftlich ungleich günstiger stehen, als die verheirateten Arbeiter derselben Gegend und desselben Industriezweiges, welche jenen Lohnsatz vielleicht nur um ein Geringes überschreiten. Ebenso wird in Gegenden, wo der Preis der notwendigen Lebensbedürfnisse und folgeweise der Arbeitslohn niedrig ist, die Befreiung der Mehrzahl aller Arbeiter und darunter auch denjenigen zuteil, welche [ Druckseite 43 ] mit einem Lohnsatze von 2 M 50 Pf. nach den Verhältnissen der betreffenden Gegend ihr gutes Auskommen haben, während in anderen Gegenden mit höheren Preisen und höheren Löhnen viele Arbeiter, welche trotz ihres höheren Lohnes ein viel weniger gutes Auskommen haben als jene, selbst die Beiträge leisten müssen.

Es ist zu besorgen, daß auf diese Weise bei denjenigen, welche von der öffentlichen Unterstützung ausgeschlossen werden, ein Maß von Mißgunst und Unzufriedenheit entstehen wird, demgegenüber die Befriedigung, welche bei den von Beiträgen befreiten hervorgerufen wird, nur ein zweifelhafter Gewinn sein würde.

Betrachtet man aber ─ von der Annahme ausgehend, daß der Beitrag des Arbeiters auf den Unternehmer abgewälzt werde ─ den Reichsbeitrag als ein Mittel, um die Industrie vor einer, ihre Konkurrenzfähigkeit gefährdenden Überlastung zu schützen, so wird auch dieser Erfolg durch die im § 13 des Entwurfs vorgenommene Scheidung wesentlich in Frage gestellt, da die letztere die Wirkung hat, daß der in dem Reichsbeitrage liegende Zuschuß zu den Produktionskosten nicht allen Unternehmungen desselben Industriezweiges in gleichem Maße zuteil wird und daß auf diese Weise die natürlichen Konkurrenzbedingungen zugunsten des einen und zuungunsten des anderen Unternehmers künstlich verschoben werden. Der Grund liegt darin, daß bei jener Scheidung der Reichsbetrag denjenigen Unternehmungen, welche niedrige Löhne zahlen, in viel höherem Maße zugute kommen wird, als denjenigen, welche hohe Löhne zu zahlen haben.

Wenn beispielsweise von zwei Werken der Großeisenindustrie das eine in Oberschlesien belegene jährlich 2 Millionen Mark, das andere in Westfalen belegene 3 Millionen Mark Löhne zahlt und bei der großen Verschiedenheit der Löhne in beiden Gegenden von der Gesamtlohnsumme des ersteren 3/4, von derjenigen des letzteren 1/4 auf Arbeiter mit 750 Mark Jahreslohn und darunter fielen, so würden bei einer Versicherungsprämie von 3 % das erstere Werk jährlich 15 000 Mark, für das letztere dagegen nur 7500 Mark an Reichsbeitrag gezahlt werden. Das erstere Werk würde an Versicherungsprämie 3 Prozent von 2 000 000 M = 60 000 M weniger 15 000 M = 45 000 M zu zahlen haben.

Das letztere dagegen 3 Prozent von 3 000 000 M = 90 000 M weniger 7500 M = 82 500 M

oder mit anderen Worten, das erstere Werk würde durch die Versicherungsprämie mit 2 1/4 %, das letztere dagegen mit 2 3/4 % seiner Gesamtlohnsumme belastet werden.39

Die Konkurrenzbedingungen des letzteren Werkes würden daher gegenüber dem ersteren um 1/2 % der Lohnsumme verschlechtert werden.

Eine völlige Beseitigung der mit der Klasseneinteilung verbundenen Übelstände würde nur dadurch zu erreichen sein, daß entweder für alle Arbeiter der Beitrag auf das Reich übernommen40,

oder unter Beseitigung des Reichszuschusses die ganze Prämie vom Unternehmer getragen41, [ Druckseite 44 ] oder gleichfalls unter Beseitigung des Reichszuschusses sämtlichen Arbeitern ein gleicher Beitrag auferlegt würde.42

Wirtschaftlich dürften der Beseitigung des Reichszuschusses erhebliche Bedenken nicht entgegenstehen. Bei einer Prämie von 3 % des Lohns würde der Arbeiter nach dem vom Reichstage beschlossenen Fuße 1 % beizutragen haben. In seiner Wirkung würde dies bei dem vorgesehenen Zahlungsmodus mit einer Lohnherabsetzung von demselben Betrage identisch sein. Lohnschwankungen vom gleichen und höheren Betrage kommen im gewöhnlichen Gange der Industrie sehr häufig vor43, ohne eine Erschütterung des Haushalts der davon betroffenen Arbeiter zu veranlassen. Lohnherauf- oder herabsetzungen von 5 % sind nichts seltenes; sie ergeben beispielsweise bei einem Wochenlohn von 9 Mark für die Woche 45 Pfennige44, während der Prämienbetrag für denselben Wochenlohn nur 9 Pfennige45 betragen würde. Bei den meisten Arbeitern wird das Opfer aber noch viel geringer werden, da schon nach der Heymschen Berechnung 3 % der höchste Prämiensatz sein und der durchschnittliche Prämiensatz sich schwerlich über 1 1/2 %, das ist für den Arbeiter 1/2 % erheben würde.46 Nach den später von Sachverständigen angestellten Berechnungen darf man sogar annehmen, daß selbst für die gefährlichsten Industriezweige der letztere Satz nicht überschritten werden wird. Für die große Mehrzahl der Arbeiter würde sich dann der Prämienbetrag so niedrigstellen, daß demselben eine wirtschaftliche Bedeutung kaum noch beigemessen werden könnte. Ein solcher würde allerdings auch bei dem niedrigsten Betrage verbleiben, wenn für die Beiträge eine Art der Hebung stattfinden sollte, welche, wie diejenige der direkten Steuern, mit exekutivischer Beitreibung und Pfändung verbunden wäre. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr werden die Beiträge bei der vorgesehenen Art der Hebung in dieser Beziehung die Natur einer indirekten Steuer annehmen.

Die sozialpolitische Wirkung des Reichszuschusses ist allerdings nicht durchaus abhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung desselben, wird aber, wie oben dargelegt, durch die Ungleichmäßigkeit, mit welcher die Unterstützung den Arbeitern zugute kommt, erheblich beeinträchtigt, wenn nicht ganz aufgehoben werden, sofern nicht dazu übergegangen werden soll, für sämtliche Arbeiter den Beitrag aus Reichsmitteln zu bestreiten.47

Gegen die gänzliche Befreiung der Arbeiter von Beiträgen, möchte sie auf diesem Wege oder auf dem der ausschließlichen Belastung der Arbeitgeber48 erzielt werden, spricht ganz abgesehen von der finanziellen Bedeutung der Maßregel, vor allem die Erwägung, daß es mit der Gerechtigkeit im Widerspruch stehen würde, dem Arbeiter auch in solchen Fällen, wo seine Verletzung auf eigene Leichtfertigkeit, Unaufmerksamkeit oder Ungeschicklichkeit oder auf noch gröberes Verschulden zurückzuführen ist, einen Entschädigungsanspruch einzuräumen, ohne ihn durch einen Prämienbeitrag zu einer, wenn auch noch so geringen Gegenleistung

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heranzuziehen.49 Durch eine solche, dem allgemeinen Rechtsbewußtsein zuwiderlaufende50 Regelung dürfte in Arbeiterkreisen leicht eine Auffassung befördert werden, welche für die weitere Entwicklung der sozialen Verhältnisse unerwünschte Folgen haben könnte.51

Ein weiteres Bedenken gegen die gänzliche Befreiung der Arbeiter von Beiträgen liegt darin, daß die genossenschaftliche Regelung der Unfallversicherung, welche unbedenklich als die wünschenswerteste bezeichnet werden kann52, zu ihrer vollkommensten Ausbildung nur gelangen kann, wenn auch der Arbeiter in ihr nicht bloß als berechtigtes, sondern auch als verpflichtetes Glied seine Stellung erhält.53 Nur unter dieser Voraussetzung könnte durch die Regelung der Unfallversicherung eine ähnliche, auch die Arbeiter mitumfassende korporative Organisation54, wie sie für die Knappschaftskassen, wenn auch noch mit manchen Mängeln behaftet55, bereits besteht, allmählich für sämtliche Industriezweige erreicht, und damit eine Grundlage für die gewerbliche Selbstverwaltung gewonnen werden, welche in ihrer weiteren Ausbildung sowohl für die wirtschaftliche wie für die soziale Entwicklung der Industrie von größter Bedeutung werden könnte.

Soll der Reichszuschuß in der Form der Beitragsleistung aufrechterhalten und nicht etwa auf die Übernahme der Verwaltungskosten der Reichsversicherungsanstalt beschränkt werden, so dürfte es sich empfehlen, die Verwendung desselben so zu regeln, daß die oben dargelegten Übelstände tunlichst vermindert und namentlich die Klasseneinteilung der Arbeiter, wenn nicht ganz beseitigt, so doch möglichst abgeschwächt und vereinfacht werden. Dies ließe sich erreichen, wenn statt der Scheidung der Arbeiter in solche, für welche wegen ihres geringen Arbeitsverdienstes der Beitrag vom Reiche geleistet wird, und in solche, welche diesen Beitrag selbst zu zahlen haben, eine für alle Arbeiter platzgreifende Unterscheidung stattfände zwischen demjenigen Teile des Arbeitsverdienstes, für welchen der Arbeiterbeitrag vom Reiche gezahlt würde und demjenigen, für welchen die Arbeiter den Beitrag selbst zu zahlen haben würden. 56

Von dem Grundsatze ausgehend, daß derjenige Betrag des Lohnes, welcher als “Existenzminimum” anzusehen ist, für jeden Arbeiter beitragsfrei bleiben solle, würde man für diesen Teil des Lohnes den Beitrag aller Arbeiter auf das Reich zu übernehmen, für den überschießenden Teil des Lohnes aber allen Arbeitern einen nach gleichem Verhältnis bemessenen Beitrag aufzuerlegen haben.

Wenn dieser Vorschlag zur Ausführung kommen sollte, so müßte das “Existenzminimum” niedriger gegriffen werden als die im § 13 des Entwurfs angenommene Grenze von 750 M. Bemäße man dasselbe auf 450 Mark Jahresverdienst oder 1 M

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50 Pf. Tagesverdienst, so blieben alle Arbeiter, deren Lohn diesen Betrag nicht überstiege, ganz von Beiträgen verschont57. Die höher gelohnten aber würden für die ersten 450 M ihres Arbeitsverdienstes dieselbe Befreiung, wie jene, genießen und nur für den überschießenden Teil ihres Verdienstes einen Beitrag zu zahlen haben, welcher bei geringer Überschreitung des Existenzminimums kaum merklich sein und mit steigendem Lohne ganz allmählich und genau im Verhältnis der Lohnsteigerung sich erhöhen würde.

Diese Regelung würde den Vorzug haben, daß die Wohltat des Reichszuschusses sämtlichen Arbeitern zugute käme, daß der schroffe Gegensatz zwischen beitragsfreien und beitragspflichtigen Arbeitern, welcher nach dem jetzigen § 13 des Entwurfs an der Grenze der 750 Mark eintreten und oft nur auf einem Lohnunterschiede von wenigen Pfennigen für den Tag beruhen würde, hinwegfiele, und ebenso der Eventualität vorgebeugt würde, daß derselbe Arbeiter in Veranlassung einer kaum merklichen Veränderung seines Lohnes für seinen ganzen Arbeitsverdienst bald beitragsfrei, bald beitragspflichtig wäre. Wenn daneben der Berechnung des beitragsfreien Teils des Lohnes nicht mehr der Jahresarbeitsverdienst, sondern der durchschnittliche Tagesverdienst des betreffenden Kalendervierteljahres zugrunde gelegt würde, so würden auch die geschäftlichen Schwierigkeiten, auf welche die praktische Handhabung des § 13 stoßen würde, so weit beseitigt werden, als es bei Aufrechterhaltung einer teilweisen Beitragsfreiheit der Arbeiter überhaupt möglich wäre.

Diesen Erwägungen würde folgende Fassung des § 13 Rechnung tragen.

§ 13. Die Versicherungsprämie ist aufzubringen für denjenigen Teil des Arbeitsverdienstes, welcher sich ergibt, wenn auf jeden vollen Tag der Beschäftigung in dem Betriebe 1 M 50 Pf. Arbeitsverdienst gerechnet werden, zu einem Viertel vom Reiche, zu drei Vierteln vom Betriebsunternehmer, für den Rest des Arbeitsverdienstes zu zwei Dritteln vom Betriebsunternehmer, zu einem Drittel vom Versicherten. 58

Durch diese Bestimmung würde die dem Unternehmer obliegende Rechnungsoperation dahin vereinfacht, daß er für jeden Arbeiter nur die Zahl seiner Arbeitstage und die Summe seines Arbeitsverdienstes zu ermitteln hätte.59 Die Zahl der Arbeitstage mit 1 M 50 Pf. multipliziert würde denjenigen Betrag ergeben, für welchen das Reich 1/4, der Unternehmer 3/4 zu zahlen hätte. Der Rest, welcher sich ergibt, wenn der letztere Betrag vom Gesamtarbeitsverdienste abgezogen wird, würde denjenigen Betrag bilden, für welchen der Unternehmer 2/3, der Arbeiter 1/3 der Prämie zu zahlen hätte.

Daß der Beitrag des Reiches nicht mehr auf 1/3, sondern auf 1/4 der Prämie bemessen wird, rechtfertigt sich dadurch, daß das Reich nach dem neuen Vorschlage nicht mehr nur für einen Teil der Arbeiter, sondern für sämtliche Arbeiter einen Beitrag zu zahlen haben würde. Die gesamte der Industrie zugute kommende [ Druckseite 47 ] Leistung des Reiches würde sich wahrscheinlich nicht niedriger stellen, als bei der bisher in Aussicht genommenen Art des Zuschusses60.

Daß endlich der Beitrag des Arbeitgebers im Ganzen eine Erhöhung erleidet, rechtfertigt sich dadurch, daß die Gesamtprämie durch den Eintritt der Krankenkassen für die ersten dreizehn Wochen der Erwerbsunfähigkeit eine Minderung erfahren wird, welche, da der Arbeitgeber zu den Krankenkassen nur mit einem Drittel herangezogen werden soll, zum größeren Teile diesem zugute kommt.

IV. Über die Verhältnisse der Unfallversicherungsgenossenschaften dürften in dem wieder vorzulegenden Entwurf, soweit tunlich, die näheren Vorschriften aufzunehmen sein, welche nach dem bisherigen § 56 der Beschlußnahme des Bundesrats vorbehalten bleiben sollten.

Die Grundzüge der aufzunehmenden Vorschriften sind in der Anlage zusammengestellt. 61 Durch dieselben werden die Zulassung, die Organisation und Verwaltung der Genossenschaften bis auf einen Punkt vollständig geregelt. Dieser eine Punkt, dessen Regelung der Beschlußnahme des Bundesrats vorbehalten wird, betrifft die Minimalzahl der Arbeiter, welche die Voraussetzung der Zulassung einer Genossenschaft bilden soll. Da die Genossenschaften die Verpflichtung übernehmen sollen, statt der Versicherungsprämien, die Deckungskapitalien für die in jedem Vierteljahre entstehenden Entschädigungsansprüche zu zahlen, so müssen sie durch ihren Umfang eine Garantie dafür bieten, daß sie auch unter allen Umständen zur Zahlung dieser Kapitalien imstande sind. Welcher Umfang aber erforderlich ist, um diese Garantie zu bieten, hängt von dem Grade der Gefährlichkeit der zu einer Genossenschaft vereinigten Betriebe und namentlich davon ab, in welchem Grade dieselben der Gefahr von Massenunglücken ausgesetzt sind. In einem Industriezweige, in welchem nach der Art des Betriebes lebensgefährliche Verletzungen nur selten vorkommen und die gleichzeitige Verunglückung einer größeren Zahl von Arbeitern überhaupt nicht zu erwarten ist, wie z. B. in Spinnereien, genügt vielleicht schon die Vereinigung von Unternehmungen, welche zusammen 10 000 Arbeiter beschäftigen, um die erforderliche Garantie der Leistungsfähigkeit zu bieten, während dagegen z. B. im Bergbau, in welchem ein einziges Massenunglück die Aufbringung sehr bedeutender Kapitalien erforderlich machen kann, eine Genossenschaft, deren Mitglieder 100 000 Arbeiter beschäftigen, vielleicht kaum die nötige Sicherheit bieten würde. Wie hoch in den einzelnen Industriezweigen die Zahl der Arbeiter zu bemessen ist, welche die Voraussetzung für die Zulassung einer Genossenschaft bilden soll, läßt sich erst aufgrund derselben Ermittlungen und Berechnungen feststellen, welche die Grundlage für die Aufstellung der Prämientarife bilden. Die Beschlußnahme darüber wird daher dem Bundesrate überlassen werden müssen. (I)

Die Organisation und Verwaltung soll für jede Genossenschaft durch ein Statut geregelt werden (II), dessen notwendiger Inhalt durch das Gesetz festgestellt wird. Die darauf bezüglichen Bestimmungen der Grundzüge gehen von der Auffassung aus, daß als die eigentlichen Träger der Genossenschaft, aus welchen die zu ihrer [ Druckseite 48 ] Vertretung und Verwaltung berufenen Organe (Generalversammlung und Vorstand X.) hervorgehen, die Arbeitgeber62 angesehen werden sollen, daß dagegen die von allen Seiten als wünschenswert bezeichnete Mitwirkung der Arbeiter durch die Bildung eines besonderen mit bestimmt abgegrenzten Befugnissen ausgestatteten Arbeiterausschusses hergestellt werden soll. Es könnte in Frage kommen, ob nicht statt dessen, nach dem Vorgange der Organisation der Knappschaftskassen auf Begründung gemeinsamer aus Arbeitgebern und Arbeitern zusammengesetzter Organe Bedacht zu nehmen wäre. Dagegen dürfte indessen die Erwägung sprechen, daß die Mitwirkung der Arbeiter in solchen gemeinsamen Organen, in denen sie mit Rücksicht auf das bestehende Beitragsverhältnis doch immer die Minderheit bilden würden, nur eine scheinbare bleiben, eine Bürgschaft für die Wahrung der Interessen der Arbeiter nicht bieten und deshalb diesen eine Befriedigung nicht gewähren würde. Wird dagegen ein besonderer Ausschuß (XI.) errichtet, welchem neben dem Rechte, von der Verwaltung und Rechnungsführung Kenntnis zu nehmen und in Fällen, bei denen die Interessen der Arbeiter mit in Frage kommen, durch seinen Einspruch die Entscheidung der Behörde herbeizuführen, bei gewissen Einrichtungen der Genossenschaft eine gleichberechtigte Mitwirkung eingeräumt wird, so dürfte dadurch den Arbeitern eine wirksame Vertretung und zugleich das befriedigende Bewußtsein eines wirklichen ihrer Bedeutung entsprechenden Einflusses auf die Verwaltung gewährt werden63. Was das Verhältnis der Genossenschaften zur Reichsversicherungsanstalt anlangt, so wird zur Sicherung eines geordneten Geschäftsbetriebes der letzteren Vorsorge zu treffen sein, daß ein Wechsel zwischen genossenschaftlicher Versicherung und direkter Versicherung bei der Reichsanstalt immer nur beim Beginn eines neuen Rechnungsjahres zulässig ist, und daß die Reichsanstalt stets rechtzeitig von den Betrieben Kenntnis erhält, welche durch Teilnahme an einer Genossenschaft aus der direkten Versicherung ausscheiden (V., XV., XVI.). Im übrigen wird das Verhältnis so geregelt, daß für jeden festgestellten Entschädigungsanspruch das Deckungskapital von der Reichsversicherungsanstalt berechnet und die Summe dieser Kapitalien am Schlusse jedes Vierteljahres oder (je nach Vereinbarung) jedes halben oder ganzen Rechnungsjahres von dem Vorstande der Genossenschaft unter Anrechnung der Summe der vom Reiche zu leistenden Prämienbeiträge eingezahlt wird, wobei Meinungsverschiedenheiten über die in Rechnung zu stellenden Beträge, welche nicht gütlich ausgeglichen werden können, zur Entscheidung des Reichskanzlers gelangen. Für den Fall, daß die Deckungskapitalien nicht eingezahlt werden, wird der Reichsversicherungsanstalt das Recht eingeräumt, dieselben direkt von den Mitgliedern pro rata der Zahl ihrer Arbeiter beitreiben zu lassen (VII.). Da die Genossenschaften voraussichtlich Vermögen nicht ansammeln, sondern immer nur die zur Deckung ihrer jedesmaligen Verpflichtungen erforderlichen Mittel aufbringen werden, so würde es keinen Sinne haben, die Reichsversicherungsanstalt zu verpflichten, das Beitreibungsverfahren zunächst gegen die Genossenschaft als solche und erst, wenn dies ohne Erfolg geschehen wäre, gegen die einzelnen Mitglieder zu richten.

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Dem in den Verhandlungen des Reichstags vielfach lautgewordenen Wunsche, es möge den Beteiligten eine Mitwirkung bei der Feststellung der Entschädigungsansprüche eingeräumt werden, wird für die Genossenschaften durch Einführung eines schiedsrichterlichen Verfahrens Rechnung getragen werden können (XII.), da durch die vorhandene Organisation die Bildung der Schiedsgerichte erleichtert wird, und an der höheren oder niedrigeren Feststellung nicht die Reichsversicherungsanstalt, sondern nur die Beteiligten, aus denen das Schiedsgericht hervorgeht, ein Interesse haben.

Die Regelung der schiedsrichterlichen Entscheidung ist in doppelter Weise möglich: entweder so, daß für jeden Entschädigungsfall ein aus der Wahl des Genossenschaftsvorstandes und des Entschädigungsberechtigten hervorgehendes Schiedsgericht ad hoc berufen wird, oder so, daß ein aus der Wahl des Genossenschaftsvorstandes und des Arbeiterausschusses hervorgehendes ständiges Schiedsgericht bestellt wird. Im letzteren Falle würden Genossenschaften mit ausgedehntem Bezirke auch mehrere ständige Schiedsgerichte mit örtlich abgegrenzter Zuständigkeit errichten können.

Welche dieser beiden Arten der Schiedsgerichte eine Genossenschaft einfuhren will, wird man ihr überlassen können, durch das Statut zu entscheiden. Für beide Fälle dürfte aber durch eine gesetzliche Vorschrift dafür Sorge zu tragen sein, daß an jeder schiedsrichterlichen Entscheidung neben den gewählten Schiedsrichtern eine den Kreisen der Beteiligten nicht angehörende Person als Obmann oder Vorsitzender teilnimmt.

Unter No. XIII, XIV, XV der Grundzüge ist das Recht der Genossenschaften, zur Verhütung von Unfällen Vorschriften, sowohl für ihre Mitglieder als für die von denselben beschäftigten Arbeiter zu erlassen, und deren Befolgung durch Beauftragte überwachen zu lassen, zu regeln versucht worden.

Für beide Arten von Vorschriften ist die Genehmigung vorbehalten und zwar je nach dem Umfange des Genossenschaftsbezirks, der höheren Verwaltungsbehörde, der Landeszentralbehörde oder des Reichskanzlers. Die für die Arbeiter zu erlassenden Vorschriften sollen, bevor sie zur Genehmigung vorgelegt werden, dem Arbeiterausschuß zur Erklärung mitgeteilt und diese Erklärung der für die Genehmigung zuständigen Stelle mit vorgelegt werden.

Diese Kautelen dürften erforderlich sein, um gegen eine willkürliche und schikanöse Handhabung des den Genossenschaften eingeräumten Rechtes Schutz zu gewähren. Ebenso dürfte es, da die Genossenschaften mit dieser Funktion in die Tätigkeit der staatlichen Verwaltungsbehörden hinübergreifen, erforderlich sein, zu bestimmen, daß die von der Genossenschaft mit der Überwachung der Betriebe Beauftragten den Behörden, in deren Bezirken sie ihre Tätigkeit ausüben, angezeigt und verpflichtet werden, den staatlichen Aufsichtsbeamten über die Ergebnisse ihrer Tätigkeit auf Erfordern Mitteilung zu machen.

Wie die Bildung einer Genossenschaft dadurch bedingt sein muß, daß sie die nötigen Garantien für die Erfüllung ihrer Aufgabe bietet, so wird auch die Schließung64 einer bestehenden Genossenschaft für den Fall vorgesehen werden müssen, daß sie aufgehört hat, diese Garantien zu bieten (XVII). Das wird anzunehmen sein, [ Druckseite 50 ] wenn die Arbeiterzahl der Genossenschaftsmitglieder dauernd unter die Minimalzahl sinkt (No. 1) oder wenn die Genossenschaft so schlecht verwaltet wird, daß das unter No. VII vorgesehene Beitreibungsverfahren eingeleitet werden muß (No. 3).

Außerdem aber liegt es im öffentlichen Interesse, solche Genossenschaften nicht fortbestehen zu lassen65, welche bei der Aufnahme und Ausschließung von Mitgliedern willkürlich verfahren. Wenn den Genossenschaften auch das Recht einzuräumen sein wird, die Bedingungen der Aufnahme und des Ausschusses durch ihr Statut zu regeln, so wird es doch nicht zu dulden sein, daß sie die Zurückweisung neuer oder die Ausschließung vorhandener Mitglieder aus anderen Gründen, vielleicht aus Rücksichten, welche mit der Aufgabe der Genossenschaft außer aller Beziehung stehen, vornehmen. Gegen Genossenschaften, welche sich eines solchen Verfahrens schuldig machen, wird demnach die Schließung66 für zulässig zu erklären sein. (No. 2).

Die unter No. XVIII für den Fall der Auflösung oder Schließung einer Genossenschaft vorgesehenen Bestimmungen entsprechen demjenigen, was zur Sicherung einer ordnungsmäßigen Abwicklung der Geschäfte für ähnliche wirtschaftliche Vereinigungen in der neueren Gesetzgebung regelmäßig vorgeschrieben ist.67

Abgesehen von den vorstehend erörterten Punkten wird eine Abänderung des Entwurfs noch hinsichtlich verschiedener einzelner Bestimmungen in Frage kommen. Es handelt sich dabei indessen nur um minder wichtige, zum Teil nur um Fassungsänderungen. Ich glaube daher, diese Punkte vorläufig unerörtert lassen zu dürfen und bitte Eure Durchlaucht gehorsamst um hochgeneigte Ermächtigung,

unter Berücksichtigung der vorstehend erörterten Vorschläge eine neue Redaktion des Entwurfs aufstellen zu lassen.

Ich bemerke dabei noch gehorsamst, daß eine definitive Feststellung des Entwurfs und namentlich der Motive desselben wohl erst tunlich sein dürfte, wenn die Ergebnisse der angeordneten Unfallstatistik vorliegen werden.

Nachschrift

In dem Hohen Erlasse vom 10. d. M.68, bei dessen Eintreffen dieser Bericht bereits nahezu abgeschlossen war, haben Eure Durchlaucht ausgesprochen, daß die Aufnahme der Landwirtschaft in das Unfallversicherungsgesetz sehr erleichtert werden würde, wenn die korporative Versicherung, welche in der diesjährigen Vorlage fakultativ aufgefaßt sei, obligatorisch gemacht werde.

Die Regelung der Unfallversicherung auf der Grundlage von Zwangskorporationen oder Genossenschaften würde meines gehorsamsten Erachtens eine völlige Änderung des Systems bedingen69, auf welchem der bisherige Gesetzentwurf beruht. An die Stelle einer Versicherung bei der Reichsversicherungsanstalt gegen feste Prämien, welche nach dem Entwurf die Regel bilden soll, würde allgemein die [ Druckseite 51 ] für die Unfallversicherungsgenossenschaften in Aussicht genommene Versicherung auf Gegenseitigkeit treten70, bei welcher nicht mehr feste Prämien erhoben, sondern Beiträge in der durch den Jahresbedarf der Genossenschaft bedingten Höhe auf deren Mitglieder umgelegt werden würden.

Die Reichsversicherungsanstalt würde damit allgemein auf diejenige Funktion beschränkt werden, welche ihr nach dem Entwurf für die fakultativen Genossenschaften zugedacht ist, und welche darin besteht, daß sie für die festgestellten Entschädigungsansprüche die Deckungskapitalien berechnet und einkassiert und dagegen den Entschädigungsberechtigten die ihnen zuerkannten Renten auszahlt.71 Sie würde also zu einer einfachen Rentenkaufanstalt werden, welche weder mit der Feststellung der Entschädigungen, noch mit der Einziehung der Versicherungsprämien etwas zu tun hätte.72 Auch das schwierige Geschäft der Aufstellung von Prämientarifen würde hinwegfallen; an die Stelle der letzteren würde die Einteilung der Betriebe in Klassen je nach ihrer Gefährlichkeit treten, welche für die Eingliederung jedes Betriebes in eine Zwangsgenossenschaft entscheidend sein würde. Ja, es würde die Frage entstehen, ob ein ausreichender Grund vorliege, die Reichsanstalt für die obenbezeichnete beschränkte Funktion überhaupt beizubehalten.73 Wenn die nach dem Entwurf in Aussicht genommenen fakultativen Genossenschaften gehalten sein sollen, die Deckungskapitalien für die entstehenden Entschädigungsansprüche an die Reichsanstalt abzuführen, so findet dies seine Rechtfertigung darin, daß diese Genossenschaften sich auflösen oder geschlossen werden können und folgeweise keine Sicherheit für die nicht auf einmalige Zahlungen, sondern auf fortlaufende Renten gerichteten Entschädigungsansprüche bieten. Durch die Bildung von Zwangsgenossenschaften aber, welche nicht wieder eingehen können, würden dauernde und bei richtiger Bemessung ihres Umfanges zweifellos zahlungsfähige Rechtssubjekte geschaffen werden, welche ihren Gläubigern d. h. den Entschädigungsberechtigten eine ausreichende Sicherheit74 für die dauernde und vollständige Befriedigung ihrer Rentenansprüche gewähren und damit die Schaffung einer zentralen Reichsanstalt für diese Funktion überflüssig machen würden.75

Es ist nicht zu verkennen, daß von dieser Seite betrachtet, die zwangsgenossenschaftliche Regelung der Unfallversicherung große Vorzüge vor der Versicherung durch eine zentrale Reichsanstalt haben würde. Ohne Zweifel wäre es sehr erwünscht, wenn das Reich der Belastung mit einer Verwaltung, deren Schwierigkeit und Kompliziertheit aus den Erörterungen unter II dieses Berichts erhellt, überhoben und an die Stelle einer bürokratischen Verwaltung, welche zur Berücksichtigung der Verschiedenheit konkreter Verhältnisse wenig befähigt ist, eine genossenschaftliche Geschäftsführung gesetzt werden könnte, bei welcher die verschiedenartigen Interessen der Beteiligten eine Vertretung finden könnten und die Entscheidung über Fragen, deren Beurteilung auf einer Prüfung örtlicher Vorgänge und [ Druckseite 52 ] persönlicher Verhältnisse beruht, nicht an eine entfernte Zentralstelle verlegt zu werden braucht.

Auch darin würde ein großer Vorzug liegen, daß jeder Industriezweig, für welchen eine Genossenschaft gebildet würde, seinen gesonderten Haushalt für sich führen und es in seiner Hand haben würde, durch strenge Beaufsichtigung der Betriebe und sorgfältige Prüfung bei Feststellung der Entschädigungen, die Kosten der Unfallversicherung auf das möglichst geringe Maß herabzudrücken.

Endlich würde es auch im Interesse der ganzen Volkswirtschaft liegen, wenn die Ansammlung bedeutender, aus allen Gegenden des Reichs zusammenfließender Kapitalien an einem Punkte, welche mit dem Geschäftsbetriebe einer Reichsanstalt verbunden sein würde, vermieden und damit einer Vergrößerung der Gefahr, welche in der wachsenden Aufsaugung der in der Peripherie der Volkswirtschaft sich bildenden Kapitalien durch die großen Verkehrsmittelpunkte liegt, vorgebeugt werden könnte.

Auf der anderen Seite wird es der sorgfältigsten Erwägung der Fragen bedürfen, ob die genossenschaftliche Regelung der Unfallversicherung nicht einen erheblichen Teil ihrer Vorzüge einbüßen würde, wenn sie zwangsweise durchgeführt werden müßte, und ob in der Organisierung der Zwangsgenossenschaften, in der allgemeinen und dauernden Durchführung des Zwangsbeitritts und in der Beaufsichtigung der genossenschaftlichen Geschäftsführung der Gesetzgebung und Verwaltung nicht unlösbare76 Aufgaben gestellt werden würden.77 Die nächste Aufgabe würde eine Einteilung sämtlicher der Unfallversicherung unterworfenen Betriebe nach dem Grade ihrer Gefährlichkeit sein, welche so erschöpfend und genau78 sein müßte, daß aufgrund derselben jeder einzelne Betrieb einer Genossenschaft zugewiesen werden könnte. Ferner würde es unerläßlich sein, jeder Genossenschaft einen solchen Umfang zu sichern, daß sie ihre Unfallgefahr für sich zu tragen vermöchte.79 Dazu würde keine noch so genaue Berufsstatistik ausreichen; es müßte auch eine ebenso genaue Unfallstatistik hinzukommen. Eine solche ist nicht vorhanden80 und wird auch durch die jetzt schwebenden Ermittlungen nicht beschafft werden. Diese Schwierigkeit würde allerdings auch für die bei dem Systeme des jetzigen Entwurfs erforderliche Einteilung in Gefahrenklassen eintreten81, hier aber in viel geringerem Grade, weil sie nur vorübergehende Bedeutung haben würde. Die zahlreichen Fehler, welche anfangs ohne Zweifel gemacht werden würden, könnten aufgrund der von der Reichsversicherungsanstalt selbst zu sammelnden Erfahrungen82 im Laufe der Zeit verbessert werden, ohne daß in der Organisation des Versicherungsbetriebes eine Änderung einzutreten brauchte. Bei dem Systeme der Zwangsgenossenschaften dagegen würde jede Verbesserung der anfänglichen Einteilung einen Eingriff83 in den Bestand und die Organisation der bereits bestehenden [ Druckseite 53 ] Genossenschaften bedingen, und durch die Geltendmachung der widerstreitenden Interessen sowohl der einzelnen Betriebsunternehmer wie der beteiligten Genossenschaften erschwert werden.84

Eine weitere Aufgabe würde die Beantwortung der Frage sein, ob alle zu einer Gefahrenklasse gehörenden Betriebe zu einer das ganze Reich umfassenden Genossenschaft vereinigt werden oder ob mehrere Genossenschaften derselben Gefahrenklasse mit örtlich abgegrenzten Bezirken gebildet werden sollen. Auch die hierfür maßgebenden Momente, also namentlich Zahl und Umfang der zu einer Gefahrenklasse gehörenden Betriebe, sowie ihre örtliche Verteilung, müßten im voraus feststehen85, da die Entscheidung über die Bezirkseinteilung getroffen sein müßte, bevor die Organisierung der Genossenschaften in Angriff genommen werden könnte86, während doch vor Beendigung der letzteren das Gesetz nicht würde in Kraft treten können. Für die Organisation selbst würde die Frage entstehen, ob die Verfassung und Verwaltung der Genossenschaften unmittelbar durch das Gesetz und folgeweise für alle wesentlich gleich geregelt87 oder ob jeder Genossenschaft überlassen werden soll, ihre Verfassung und Verwaltung unter Beobachtung der im Gesetz gegebenen allgemeinen Vorschriften durch ein Genossenschaftsstatut selbst festzustellen.88 Die große Verschiedenheit der Anforderungen, welche je nach dem Umfange einer Genossenschaft, nach der größeren oder geringeren Gefährlichkeit der ihr angehörenden Betriebe und der mehr oder weniger zerstreuten Lage der letzteren an die Verfassung und den Verwaltungsapparat zu stellen wären, dürfte das Betreten des ersteren Weges untunlich machen. Dagegen würde mit der zweiten Alternative der Übelstand verbunden sein, daß der Zeitpunkt, mit welchem das Gesetz in Kraft treten könnte, in unbestimmte Ferne gerückt werden würde, weil schwerlich ein Mittel zu finden wäre, durch welches die Genossenchaften gezwungen werden könnten89, ihre Organisation binnen einer bestimmten Frist zum Abschluß zu bringen. Auch der größte Eifer der mit der Organisationsarbeit betrauten Behörden, würde bei mangelnder Willigkeit der Beteiligten in dieser Beziehung keine Bürgschaft für die rechtzeitige Beendigung dieser Arbeit bieten. Das einzige Mittel, das Inkrafttreten des Gesetzes zu einem bestimmten Zeitpunkt zu sichern, würde darin bestehen, daß den säumigen Genossenschaften eine Verfassung und die erforderlichen Verwaltungsorgane oktroyiert würden.90 Damit würde aber schon an die Stelle einer selbstverwaltenden Genossenschaft eine mehr bürokratisch und mit polizeilichen Mitteln verwaltete Anstalt treten.91

Noch schwieriger würde die Aufgabe werden, nach beendigter Organisation der Genossenschaften jeden einzelnen Betrieb derjenigen Genossenschaft, zu welcher er nach der gesetzlichen Einteilung gehört, einzugliedern. Neben dem Bestreben, sich den damit verbundenen Lasten so lange als möglich zu entziehen, würden auch der [ Druckseite 54 ] niedrige Bildungsstand zahlreicher Unternehmer und ihre Unfähigkeit, die ihnen gesetzlich obliegenden Pflichten zu verstehen, dazu beitragen, daß eine etwa statuierte Anmeldepflicht in vielen Fällen nicht erfüllt würde, und selbst die Ermächtigung der Genossenschaftsverwaltung, die nicht gemeldeten Betriebe ex officio zu den Genossenschaftsbeiträgen heranzuziehen, wird desto weniger imstande sein, diesem Mangel abzuhelfen, je ausgedehnter der Bezirk der Genossenschaft und je zerstreuter die Lage der der Genossenschaft zugewiesenen Betriebe wäre.92 Handelte es sich darum, alle innerhalb eines gewissen Bezirks belegenen93 Betriebe jeglicher Art zu einer gemeinsamen Versicherung heranzuziehen, wie es bei der Verwaltung der Reichsversicherungsanstalt der Fall sein würde, so wäre diese Aufgabe durch Vermittlung der Polizeibehörden einigermaßen zu lösen. Dagegen würde die Kontrolle darüber, ob die in einem Polizeibezirke belegenen Betriebe, welche vielleicht fünfzig verschiedenen Genossenschaften angehören, ein jeder bei seiner Genossenschaft angemeldet sei, eine Aufgabe sein, welche die Leistungsfähigkeit vieler Polizeibehörden übersteigen würde. 94

Dazu kommt, daß bei noch so sorgfältiger Einteilung der Industriezweige nicht wenige Fälle vorkommen würden, in welchen Zweifel darüber entstehen, welcher Genossenschaft ein Betrieb zuzuweisen sei.95 Namentlich würde dieser Zweifel bei Betrieben eintreten, welche Arbeiten verschiedener Industriezweige in sich vereinigen. Hier könnte es ebensowohl geschehen, daß eine Genossenschaft sich weigerte96, einen bei ihr angemeldeten Betrieb anzunehmen, wie umgekehrt, daß ein Betriebsunternehmer den Beitritt zu einer Genossenschaft, welche ihn als Mitglied in Anspruch nähme, ablehnte. In beiden Fällen müßte von irgendeiner staatlichen Behörde97 die Entscheidung getroffen werden, und es würde schwer sein, Garantien dafür zu schaffen, daß es nicht häufig zu ungleichmäßigen und widerstreitenden Entscheidungen käme.98 Auf alle Fälle würde schon dieser Teil der Genossenschaftsverwaltung nicht ohne ein starkes Eingreifen der Polizei zu bewältigen sein, und zwar würde es sich hierbei nicht um ein vorübergehendes, lediglich zur erstmaligen Organisation der Genossenschaften erforderliches Eingreifen, sondern um eine dauernde Mitwirkung der Polizei99 handeln, weil fortlaufend für die richtige Eingliederung der abgeänderten, und der neuentstehenden Betriebe Sorge getragen werden müßte.

Die Notwendigkeit eines noch tieferen, dauernden Eingreifens der Polizei in die genossenschaftliche Verwaltung würde sich aus dem Bedürfnis ergeben, die einzelnen Unternehmer, wenn man sie zwingt, einer bestimmten Genossenschaft beizutreten, auch gegen unbillige Behandlung durch dieselbe zu schützen. 100 Auch zwischen den einzelnen gewerblichen Unternehmungen, für welche die Gefährlichkeit, [ Druckseite 55 ] soweit sie durch die Natur des Betriebes bedingt wird, eine gleiche ist, werden immer große Verschiedenheiten hinsichtlich der wirklichen Gefährlichkeit bestehen, welche durch die größere oder geringere Vollkommenheit der Betriebseinrichtungen, sowie durch die größere oder geringere Tüchtigkeit der Betriebsleitung und des Arbeiterpersonals bedingt sind.101 Auch die eingehendsten Vorschriften, welche die Genossenschaft über die Betriebseinrichtungen erlassen konnte, und die schärfste Kontrolle derselben102, würden diese Verschiedenheiten nur sehr allmählich und niemals bis zu dem Grade auszugleichen vermögen, daß sie für das Maß der Gefährlichkeit der einzelnen Betriebe bedeutungslos würden. Außerdem würde man den Genossenschaften eine uneingeschränkte Befugnis zum Erlaß solcher Vorschriften nicht einräumen können; da in diesem Falle die Gefahr eintreten würde, daß sie Anforderungen stellten, welche einzelne Unternehmer überhaupt nicht erfüllen könnten.103 Den Genossenschaften müßte daher, wenn ihre Bedeutung für die Herabdrückung der Versicherungskosten und die Verhütung von Unfällen nicht wesentlich beeinträchtigt werden sollte, die Befugnis eingeräumt werden, die Beiträge ihrer Mitglieder nach dem Maße der Gefährlichkeit ihrer Betriebe abzustufen. 104 Damit wäre aber zugleich die Notwendigkeit gegeben, nicht nur gewisse Normen für die Einführung von Beitragsklassen aufzustellen, sondern auch eine über den Genossenchaften stehende Instanz105 zu schaffen106, welche Beschwerden über unrichtigte Einschätzung in die Beitragsklassen zu entscheiden hätte. Beides würde mit großen Schwierigkeiten107 verbunden sein; die Aufstellung von Normen, weil dieselben nicht für alle Industriezweige gleich sein könnten und eine eingehende Berücksichtigung der Eigentümlichkeiten der verschiedenen Betriebsarten erfordern würde, die Schaffung einer Beschwerdeinstanz, weil die Entscheidung der fraglichen Beschwerden, eine Vertrautheit mit den Betriebsverhältnissen der verschiedenen Industriezweige voraussetzen würde, wie sie bei den Behörden gewöhnlich nicht zu finden ist und außerhalb des Kreises der Beteiligten108 auch sonst nur selten angetroffen wird. Je sorgfältiger ferner diese dem Staate vorzubehaltende Funktion gehandhabt würde, und je mehr sie folgeweise in die Selbstverwaltung der Genossenschaften eingriffe, desto größer würde die Gefahr werden, daß das Interesse der Mitglieder der Genossenschaft an der Verwaltung derselben und der Eifer, bei derselben mitzuwirken, abgeschwächt würde.

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Alle im Vorstehenden erörterten Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten fallen bei den auf Freiwilligkeit beruhenden Versicherungsgenossenschaften hinweg.109 An die Stelle einer auf gesetzlichem Wege im voraus festzustellenden Einteilung der gesamten Industrie in Genossenschaften würde die freie Wahl der Beteiligten110 treten und das Interesse derselben an einer möglichst billigen Versicherung würde eine richtige Gruppierung der verschiedenen Betriebe nach Gefährlichkeit und Belegenheit sicherer hervorrufen, als es irgendeine gesetzliche Regelung vermöchte.111 Jede polizeiliche Einwirkung, welche den Zweck hätte, den Genossenschaften ihre Mitglieder zuzuführen oder diese bei jenen zu erhalten, würde hinwegfallen. Bei der Freiheit jedes Unternehmers sich von einer Genossenschaft fernzuhalten oder aus derselben auszutreten, wenn ihre Bedingungen ihm unvorteilhaft erscheinen, und bei der Befugnis der Genossenschaft, Mitglieder, denen gegenüber sie ihre Vorschriften nicht durchführen könnte, auszuschließen, würde kein öffentliches Interesse mehr vorliegen, in die Handhabung dieser Vorschriften einzugreifen, und den Genossenschaften würde nach allen Seiten hin diejenige Freiheit der Bewegung eingeräumt werden können, welche als die Voraussetzung einer kräftigen und erfolgreichen Entwicklung der genossenschaftlichen Selbstverwaltung bezeichnet werden darf.

Allerdings würde die Beibehaltung des Prinzips der Freiwilligkeit mit dem Nachteile verbunden sein, daß es ungewiß bliebe, in welchem Umfange die genossenschaftliche Regelung der Unfallversicherung Platz greifen würde, und daß auf eine allgemeine Durchführung dieser Form der Versicherung nicht gerechnet werden könnte.

Unter diesen Umständen liegt die Erwägung nahe, ob nicht eine Regelung der Unfallversicherung möglich sein würde, durch welche, wenn auch nicht ein unter allen Umständen wirksamer indirekter Zwang, so doch ein so starker Antrieb zur genossenschaftlichen Versicherung geschaffen würde, daß wenn auch nicht die sofortige und allgemeine Durchführung der letzteren, so doch eine allmählich wachsende und schließlich nahezu allgemeine Verbreitung derselben gesichert werden könnte. Die erste Voraussetzung der Betretung dieses Weges wäre allerdings die Ersetzung des bisher in Aussicht genommenen, durch polizeiliche Einwirkung und Kontrolle vermittelten direkten Versicherungszwanges, durch den auch in der ursprünglichen Vorlage an den Bundesrat in Aussicht genommenen indirekten Zwang, welcher darin bestehen würde, daß denjenigen Unternehmern, welche der gesetzlichen Versicherungspflicht nicht genügen, für den Fall eines in ihren Betrieben vorkommenden Unfalles die Verpflichtung auferlegt würde, die entstehenden Entschädigungsansprüche aus eigenen Mitteln zu decken, und zwar könnte, um das Zwangsmittel noch wirksamer zu machen, dem Unternehmer in diesen Fällen statt der gesetzlich limitierten Entschädigungsbeträge die volle112 Entschädigung auferlegt werden. Darin würde eine Unbilligkeit deshalb nicht gefunden werden können, weil jeder Unternehmer sich gegen die ihm drohende Gefahr durch Erfüllung der gesetzlichen Versicherungspflicht sichern könnte. Der Einwand aber, daß bei [ Druckseite 57 ] dieser Form des Versicherungszwanges immer Fälle vorkommen könnten, in welchen der Arbeiter den ihn gesetzlich zustehenden Anspruch nicht würde realisieren können, weil sein Arbeitgeber nicht versichert habe und zur eigenen Zahlung der Entschädigung außerstande sei, ist seinerzeit bei Aufstellung des ersten Entwurfs nicht als durchschlagend angesehen und dürfte auch eine durchschlagende Bedeutung nicht in Anspruch nehmen können.

Die Gewährung einer unbedingten Sicherheit der Befriedigung individueller Rechtsansprüche hat bis jetzt in unserem Rechtssystem nirgends eine Stelle gefunden. Sie würde die Einführung eines völlig neuen Prinzips bedeuten, dessen Konsequenzen für verwandte Verhältnisse zu ziehen, kaum möglich sein, wohl aber voraussichtlich mit der Zeit gefordert werden würde. Dieselben Gründe, welche sich für die unbedingte Sicherstellung der hier fraglichen Entschädigung anführen lassen, könnten auch für den Arbeitslohn selbst, an dessen Stelle ja jene treten soll, geltend gemacht werden. So mannigfach aber auch die Vorschriften sind, durch welche die bestehende Gesetzgebung der Lohnarbeiter in dem unverkümmerten Bezuge seines Arbeitslohnes zu schützen sucht, so wird doch schwerlich der Versuch gemacht werden, die Sicherheit dieses Bezuges über alle natürlichen Wechselfälle der menschlichen Verhältnisse zu erheben.113

Wird die Zulässigkeit eines indirekten, statt eines direkten Versicherungszwanges anerkannt, so würde es sich fragen, ob derselbe so gestaltet werden könnte, daß er die genossenschaftliche Versicherung wenigstens als Regel zur Folge hätte. Zu dem Ende den Beitritt zu einer Genossenschaft als den einzigen zulässigen Weg zur Erfüllung der Versicherungspflicht hinzustellen, würde nicht angänglich sein, wenn man nicht wieder in das System der Zwangsgenossenschaften zurückverfallen114 wollte, denn es gibt eine nicht geringe Zahl von Betrieben, welche wegen ihrer isolierten Lage und aus anderen Gründen freiwillig von einer Genossenschaft gar nicht oder nur unter übermäßig harten Bedingungen aufgenommen werden würden, und die Bedrohung der Nichterfüllung der Versicherungspflicht mit schweren Nachteilen läßt sich nur rechtfertigen, wenn man zugleich dem Unternehmer die Möglichkeit gibt, die Verpflichtung auf einem Wege zu erfüllen, welcher nicht gleichfalls schweren Nachteil für ihn im Gefolge hat. Dagegen würde es legislatorisch nicht als unzulässig bezeichnet werden können, wenn dem Unternehmer zwar freigestellt würde, die Versicherungspflicht auf dem ihm vorteilhaft erscheinenden Wege zu erfüllen, gleichzeitig aber denjenigen, welche sie durch Eintritt in eine Versicherungsgenossenschaft erfüllten, Vorteile geboten würden, welche den übrigen versagt blieben. Diese Vorteile könnten etwa darin bestehen, daß nur den Mitgliedern der Genossenschaften gestattet würde, ihre Arbeiter zu den Versicherungsbeiträgen heranzuziehen115, oder daß ihnen eine höhere Heranziehung gestattet würde, als den übrigen, oder auch darin, daß den Genossenschaften, wenn auch zunächst nur auf eine gewisse Reihe von Jahren, eine Beihilfe aus Reichsmitteln zugesichert würde, welche etwa nach einem bestimmten Prozentsatze ihrer jährlichen Versicherungsbeiträge bemessen werden könnte.

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Mit der Beibehaltung einer Reichsversicherungsanstalt würde eine solche Regelung allerdings kaum verträglich sein, da es nicht wohl angängig sein dürfte, diejenigen Unternehmer, welche es vorziehen würden, diese Anstalt zu benutzen, von vornherein durch ungünstigere Bedingungen zu benachteiligen. Der gedachten Regelung würde ferner das Bedenken entgegenstehen, daß, wenn die genossenschaftliche Versicherung wirklich die erwünschte Verbreitung fände, der Geschäftsbetrieb der Reichsanstalt nicht groß genug bleiben würde, um noch einen so bedeutenden Verwaltungsapparat, wie er bei der Ausdehnung auf das ganze Reich nichtsdestoweniger erforderlich wäre, zu rechtfertigen. Endlich würde auch zu besorgen sein, daß der Reichsversicherungsanstalt im wesentlichen nur die Betriebe mit ungünstigem Risiko zufallen und infolgedessen ihre Prämiensätze unverhältnismäßig hoch werden würden.

Unter diesen Umständen würde die Betretung des oben angedeuteten Weges allerdings nur unter der Voraussetzung möglich sein, daß wenigstens einstweilen auf die gänzliche Beseitigung der Privatversicherungsgesellschaften verzichtet116 und statt dessen auf eine gesetzliche Regelung ihres Betriebes Bedacht genommen würde, welche für die Sicherheit der bei ihnen Versicherten möglichst starke Garantien böte.

Die in dem hohen Erlasse Eurer Durchlaucht angeregte Frage bedarf ohne Zweifel noch weiterer gründlicher Erwägungen, ich habe aber geglaubt, Eurer Durchlaucht die Vorschläge für die neue Bearbeitung des bisherigen Gesetzentwurfs nicht vorlegen zu sollen, ohne gleichzeitig auf die vorgedachte Frage soweit einzugehen, als es ohne größeren Zeitverlust möglich war.117

Registerinformationen

Personen

  • Adickes, Franz (1846─1915) Bürgermeister von Altona
  • Ausfeld, Dr. Karl (1814─1900) Oberappellationsgerichtsrat a.D., MdR (Fortschritt/Deutsche Freisinnige Partei)
  • Bismarck, Herbert Graf von (1849─1904) Legationsrat im Auswärtigen Amt
  • Bödiker, Tonio (1843─1907) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Boetticher, Karl Heinrich von (1833─1907) Staatssekretär des Innern
  • Bosse, Robert (1832─1901) Direktor der II. Abteilung für wirtschaftliche Angelegenheiten im Reichsamt des Innern
  • Freund, Wilhelm (1831─1915) Jurist, MdR (Fortschritt)
  • Heym, Prof. Dr. Karl Friedrich (1818─1889) Versicherungsmathematiker
  • Koenigs, Dr. Gustav (1845─1896) Regierungsrat in Düsseldorf
  • Lasker, Dr. Eduard (1829─1884) Jurist und Politiker, MdR (nationalliberal/Liberale Vereinigung)
  • Lohmann, Theodor (1831─1905) Geheimer Oberregierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Magdeburg, Eduard (1844─1932) Geh. Regierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Molt, Karl Gottlob (1842─1910) Versicherungsdirektor
  • Richter, Eugen (1838─1906) Jurist und Politiker, MdR (Fortschritt) und MdAbgH
  • Rottenburg, Dr. Franz von (1845─1907) Geheimer Regierungsrat, Chef der Reichskanzlei
  • Rüdiger, Dr. Wilhelm von (1826─1907) Gewerberat
  • Schäffle, Dr. Albert (1831─1903) Nationalökonom, ehem. österr. Handelsminister
  • Schulze, Julius (1836─1888) Hilfsarbeiter im Reichsamt des Innern
  • Wagner, Prof. Dr. Adolph (1835─1917) Nationalökonom, Mitbegründer der christlich-sozialen Partei
  • 1BArchP 15.01 Nr. 381 fol. 99─170 Rs.; eigenhändiger Entwurf Lohmanns: ebd., fol. 64─ 93, mit geringfügigen Abänderungen Bosses. Der Entwurf der Nachschrift wurde am 17.10.1881 von Lohmann fertiggestellt, von Bosse am 18.10., von Eck am 20. und v. Boetticher am 24.10.1881 abgezeichnet. »
  • 2Vgl. § 1 des Entwurfs v. 7.1.1881, Abdruck in Bd. 2 der 1. Abt. dieser Quellensammlung, S. 492. »
  • 3Kritisiert wurde dieses vor allem von den liberalen Abgeordneten, u.a. Eugen Richter (Sten.Ber.RT, 4. LP, IV. Sess. 1881, Bd. 1, S. 701 ff.). »
  • 4Diesen Grundgedanken Lohmanns vertraten im Reichstag vor allem Eduard Lasker und Wilhelm Freund (Sten.Ber.RT, 4. LP, IV. Sess. 1881, Bd. 1, S. 725 ff. u. 1443 ff.), die Liberalen hatten auch einen entsprechenden Alternativentwurf (Ausfeld und Genossen, ebd., Bd. 4, Aktenstück Nr. 191) eingebracht.Bismarck bemerkte hier am Rande: Haftpflicht der Corporation, der jeder angehören muß und auf welche die entstandenen Schäden nach Ablauf des Jahres umgelegt werden, nach Maßgabe von Zahl und Lohn der von jedem beschäftigt gewesenen Arbeiter. ─ Soweit ersichtlich, ist dieses die erste Direktive Bismarcks für ein Umlageverfahren zur Finanzierung der Unfallversicherung; die Grundidee dazu dürfte er Albert Schäffles Artikel in der Augsburger “Allgemeinen Zeitung” vom 7.10.1881 entnommen haben (vgl. Nr. 9 und die Einleitung). »
  • 5Vgl. zu diesem Vorgang den am 20.7.1881 beginnenden Schriftwechsel in: BArchP 15.01 Nr. 406. »
  • 6B: resp. ihm bei der Repartition ex post als Basis seiner Beitragspflicht anzurechnen. »
  • 7B: Anmeldungs- resp. Buchungs-(pflicht) »
  • 8Aus Anlaß und bei Gelegenheit seines Auftrags zur Revision der Unfallversicherungsvorlage hatte Lohmann die Initiative zu einer Revision der Hilfskassengesetzgebung ergriffen, die er für vordringlicher hielt: Die Krankenversicherung ist für die wirtschaftliche Lage des Arbeiterstandes im Ganzen noch wichtiger als die Unfallversicherung, wenn sie so geregelt ist, daß sie dem durch Krankheit zeitweise erwerbsunfähigen Arbeiter nicht bloß ein kümmerliches Almosen gewährt, sondern wirklich die Aufrechterhaltung des geordneten Haushaltes ermöglicht. Grundzüge für eine diesem Gedanken Rechnung tragende Revision der Hilfskassengesetzgebung von 1876 hatte er bereits am 5.7.1881 vorgelegt (BArchP 15.01 Nr. 797, fol. 21─27 Rs.). Nach weiteren internen Beratungen fanden dann am 26.9.1881 die erwähnten vertraulichen Beratungen mit den erfahrenen Praktikern statt. Diesen ─ es handelte sich dabei um den Gewerberat Dr. Wilhelm v. Rüdiger, Frankfurt/O., den Düsseldorfer Regierungsassessor Dr. Gustav Königs und den Altonaer Bürgermeister Franz Adickes ─ wurde eine Kurzfassung der Denkschrift vom 5. Juli 1881 zugesandt (ebd., fol. 99, 105─109 Rs. [Denkschrift] u. 121─ 121 Rs.). Seitens des Reichsamts des Innern nahmen an den Beratungen teil: v. Boetticher, Bosse, die Regierungsräte Tonio Bödiker und Eduard Magdeburg sowie der Hilfsarbeiter Julius Schulze, der seinerseits auch eine Denkschrift (ebd., fol. 57─97 Rs.) ausgearbeitet hatte; Bismarck war über die geplante Besprechung mit Schreiben vom 5.9. 1881 informiert worden (Entwurf ebd., fol. 99─100). Danach wurde von Lohmann bis zum 28.10.1881 die hier erwähnte ausführliche Denkschrift ausgearbeitet, die Bismarck Anfang November zuging (BArchP 07.01 Nr. 524, fol. 2─59 Rs.; Entwurf: 15.01 Nr. 797, fol. 127─149 Rs.). Bismarck lehnte diese Eigenintiative Theodor Lohmanns bzw. des Reichsamts des Innern zunächst strikt ab. Am 4.12.1881 vermerkte der Chef der Reichskanzlei Franz von Rottenburg: Die Krankenversicherung soll vorläufig nicht in Angriff genommen werden, wovon Herr von Boetticher mündlich in Kenntnis gesetzt worden ist (07.01 Nr. 524, fol. 60─62 Rs.); gleichwohl wurden dann am 22.2.1882 erneut regelrechte “Grundzüge” dazu ausgearbeitet (ebd., fol. 63 ff.); vgl. Nr. 42 u. Nr. 54 Anm. 3. »
  • 9B.: gut »
  • 10B.: 14 T(age) ─ Dieser Zeitraum entsprach dem Vorschlag des Reichstags für Abkürzung der Dauer der Karenzzeit der Unfallversicherung. »
  • 11B.: mir nicht annehmbar, entweder Staat 1/3 oder Arbeitgeber ganz. »
  • 12B.: n(et) [in kyrillischer Schrift; nein] »
  • 13B.: ja, aber damit hat die Zeit der Carenz nicht notwendig zu tun, es können alle Geschäfte unter gewissem Betrage den Corporationen selbst unter Oberaufsicht überlassen werden »
  • 14B.: orfèvre! (hier wohl im Sinne von: Sippschaft) ─ vgl. zu Karl Gottlieb Molt Nr. 1 Anm. 5. »
  • 15Vgl. Nr. 1 Anm. 6. »
  • 16B.: täglich 350? »
  • 17B.: 1─3 Corporationssache, 4 bis 5 Anstalt? »
  • 18B.: Corporat(ion) »
  • 19B.: ja »
  • 20B.: sie wird Beschwerdeinstanz »
  • 21B.: Die Verteilung ex post auf die Corporation nicht zu fürchten. »
  • 22B.: Ich halte die Ziffer für zu hoch gegriffen. Was geschieht, wird auch jetzt schon “festgestellt”. »
  • 23B.: doch nie für die Centralstelle, sondern für Hunderte von Localstellen, vielleicht für Tausende. »
  • 24B.: Die zahlende Corporation hat eigenes Interesse an der Höhe. »
  • 25B.: unmöglich könnten alle diese Dinge an die höchste Instanz gehen. Jede Provinz, jeder Bundesstaat würde (für) Sachen bis zu gewisser Höhe entscheidende Stellen haben, wie in allen anderen Ressorts. »
  • 26B.: Darum scheint die corporative Einrichtung unabweislich. »
  • 27B.: gewiß »
  • 28B.: sehr richtig. »
  • 29B.: durch die zunächst interessierte Corporation. »
  • 30B.: “Krankenkassen” eingeklammert, darüber: Corporation »
  • 31B.: jedenfalls »
  • 32B.: !!, “Gemeinde” doppelt unterstrichen »
  • 33B.: ja »
  • 34B.: reicht nicht, gegen Lügen besonders nicht »
  • 35Vgl. zu dieser für Bismarck entscheidenden Grenze für Beitragsfreiheit bei bestehender Versicherungspflicht Bd. 2 der I. Abteilung dieser Quellensammlung, S. 365, 377, 611, 617 ff. »
  • 36B.: der kann sehr gering ausfallen »
  • 37B.: Darum keine Arbeiterbeiträge überhaupt. Der Arbeitgeber trägt die Umlage nach Maßgabe der Arbeitstage, die er für sein Geschäft im Schadensjahre benutzt hat. »
  • 38B.: irgendwo wird die Scheidelinie liegen müssen »
  • 39B.: Alles einleuchtend auf den letzten 8 Seiten (fol. 127 Rs.-131 Rs., hier: 42─43). »
  • 40B.: ja »
  • 41B.: bedenklich für Exportfähigkeit »
  • 42B.: nein »
  • 43B.: die Mitte, um die sie schwanken würde aber tiefer gelegt »
  • 44B.: 50 Wochen 22 1/2 Mark »
  • 45B.: 50 W(ochen) 4,50 (Mark) »
  • 46Vgl. Bd. 2 der I. Abteilung dieser Quellensammlung, Nr. 167. »
  • 47B.: ja »
  • 48B.: auf dem würde der Arbeiter durch Lohnherabsetzung in Mitleidenschaft gezogen »
  • 49B.: ernährt muß er doch werden; die Ungerechtigkeit trifft in einem Falle den Annenverband, im anderen den Staat. »
  • 50B.: !?. »
  • 51B.: glaube ich kaum »
  • 52Am Rande zweifacher Randstrich. »
  • 53Diesen für ihn zentralen Gedanken hat Lohmann bereits in seiner Denkschrift vom 17.2. 1880 entwickelt, vgl. Bd. 2 der I. Abteilung dieser Quellensammlung, S. 133. »
  • 54B.: davon besorge ich eher Gefahr »
  • 55Vgl. den 7. Titel (§§ 165─186) des preuß. Allg.BergG v. 24.6.1865 (PrGS S. 705). »
  • 56B.: noch complizierter »
  • 57B.: dafür geben sie den Schein der Haftpflicht nicht hin »
  • 58B.: compliziert »
  • 59B.: ? schon eher so: Beitrag zahlt kein Arbeiter, die Zwangsversicherung geht nur bis 750 (1000) M, darüber freiwillig auf eigene Kosten? Nach Abkommen mit Arbeitgeber, unter dessen Zuschuß oder ohne? »
  • 60B.: keine polit(ische), nur finanz(ielle) Frage »
  • 61Reinschrift: BArchP 15.01 Nr. 381, fol. 171─183 Rs., eigenh. Entwurf Lohmanns: ebd., fol. 94─98 Rs. B. hat diese ihm vorgelegten “Grundzüge”, auf die sich die nachstehend aufgeführten römischen Ziffern I bis XVIII beziehen, nicht marginalisiert. »
  • 62B.: richtig »
  • 63B.: ja »
  • 64B.: Reorganisation »
  • 65B.: mut(atis) mut(antis) bei Corporationszwang »
  • 66B.: Sequestration »
  • 67B.: Der Text von S. 86 (hier S. 47, ab “Die Organisation und Verwaltung soll...”) bis hier wird auch bei Corporationszwang im wesentlichen anwendbar sein. »
  • 68Vgl. Nr. 10. »
  • 69B.: ja »
  • 70B.: ja »
  • 71B.: ja »
  • 72B.: doch die Controlle, Aufsicht, Recurs »
  • 73B.: doch »
  • 74B.: unter Reichsgarantie »
  • 75B.: doch nicht »
  • 76B.: ? »
  • 77Vgl. dazu auch Nr. 69. »
  • 78B.: sie stellt sich durch die Praxis jedes Jahr richtiger »
  • 79B.: gewiß »
  • 80B.: ich denke, sie steht in Aussicht? »
  • 81B.: in erhöhtem Maße? »
  • 82B.: in beiden Systemen mit mindestens gleicher Sicherheit »
  • 83B.: willkommen, gerade darüber muß Reichskontrolle sein »
  • 84B.: bundesrät(liche) Entscheidung »
  • 85B.: warum? »
  • 86B.: erst Berufsstatistik »
  • 87B.: cfr. S. 86 (hier S. 47) u. sqq. (sequentes; bis S. 104, hier S. 50, vgl. Anm. 67) »
  • 88B. ja »
  • 89B.: Präclusivtermin, bei dessen Ablauf Statut oktroyiert wird »
  • 90B.: geht zur Not auch »
  • 91B.: wieso? »
  • 92B.: die Gefahr ist bei den Systemen gemein u(nd) durch die gleichen Mittel zu beschränken »
  • 93B.: zunächst alle im Reich, dann Zus(ammen)legung in Bezirke »
  • 94B.: ? »
  • 95B.: gewiß; noch mehr bei Einrichtung der Gefahrenklassen »
  • 96B.: darüber entscheiden Reichsbehörden, resp. Bundesrat »
  • 97B.: gewiß »
  • 98B.: vielleicht mitunter; Recurs an Centrum »
  • 99B.: was ist Polizei? »
  • 100B.: Beschwerde, Recurs »
  • 101B.: ist bei allen Versicherungen der Fall »
  • 102B.: Fabrikinspectoren wirken noch unvollkommner ─ Hier wird angedeutet, daß B. die Unfallversicherung auch auf dem Hintergrund der von ihm abgelehnten staatlichen Fabrikinspektion bzw. Arbeiterschutzregelung sah, vgl. auch Nr. 36. Siehe zu Bismarcks Ablehnung der staatlichen Fabrikinspektion Bd. 3 der I. Abteilung dieser Quellensammlung (1995), der Zusammenhang war zuletzt in der Unterredung zwischen Bismarck und Lohmann am 28.12.1880 thematisiert worden, vgl. dazu Nr. 178 in Bd. 2 der I. Abteilung dieser Quellensammlung (1993) und den aufgeführten Bd. 3. »
  • 103B.: Beschwerde, Controlle »
  • 104B.: Repartition ex post ergibt von selbst das Maß »
  • 105B.: (für) Beschwerde »
  • 106B.: gewiß »
  • 107B.: glaube ich nicht. »
  • 108B.: Mitwirkung eines Syndikats der Beteiligten »
  • 109B.: doch nicht ganz »
  • 110B.: auch der kann bei Zwang viel Spielraum zur Richtigstellung gelassen werden »
  • 111B.: aber nicht vollständig »
  • 112B.: haftpflichtmäßige »
  • 113B.: ultra posse nemo obligatur, auch das Reich nicht »
  • 114B.: Warum nicht? Ich will lieber “zurückverfallen”. »
  • 115B. hat diesen Halbsatz unterstrichen, am Rande n(et) [in kyrillischer Schrift: nein; nicht] »
  • 116B. hat den vorstehenden Teil des Halbsatzes angestrichen, am Rande n(et) [in kyrillischer Schrift] »
  • 117B.: Die Ansichten der Nachschrift teile ich nicht. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 2. Band, 1. Teil, Nr. 14, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 2. Band, 1. Teil. Von der zweiten Unfallversicherungsvorlage bis zum Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

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