II. Abteilung, Band 1

Nr. 92

1889 Oktober

Denkschrift1 des Geheimen Oberregierungsrats Karl Gamp2 für den preußischen Handelsminister Otto Fürst von Bismarck

Ausfertigung mit Randbemerkungen Bismarcks

Regierungsseitige Aufarbeitung des Bergarbeiterstreiks: die Ausstände lassen sich nur bedingt mit der materiellen Lage der Arbeiter erklären; zur Problematik der Kohlenvorräte; Gefahr der Wiederaufnahme der Streiks. Im wesentlichen konservative Vorschläge zur Pazifierung, die von Bismarck nur teilweise akzeptiert werden; im einzelnen: der Staat soll Bergwerke ankaufen; jugendliche Arbeiter sollen durch Lohnzahlung an die Eltern diszipliniert werden; erwachsene Arbeiter sollen durch Schaffung von Haus- und Grundbesitz von Streiks abgehalten werden; Förderung von Konsumvereinen; Einrichtung von Arbeiterausschüssen wird befürwortet; Forderung nach verschärfter strafrechtlicher Verfolgung Streikender und unterstützender Journalisten; Einsatz von Strafgefangenen in Bergwerken zur Sicherung der Produktion; Verbesserung der Ausbildung der Bergarbeiter

Denkschrift betreffend die Ausstandsbewegung der Grubenarbeiter (und die Maßregeln zu ihrer Bekämpfung)

Die Bergarbeiter haben von alters her eine privilegierte Stellung unter den Arbeitern eingenommen. Durch das Institut der Knappschaften sind ihnen früher als allen übrigen Arbeiterkategorien die Segnungen der Kranken-, Unfall-, Alters- und Invalidenfürsorge [ Druckseite 418 ] zuteil geworden;3 ebenso ist ihnen in den Knappschaften früher als den anderen Arbeitern eine, wenn auch nur beschränkte, Teilnahme an der Verwaltung dieser Wohlfahrtseinrichtungen eingeräumt worden. Durch die neuere sozialpolitische Gesetzgebung, insbesondere durch das Krankenkassengesetz, ist hierin eine Änderung zum Nachteil der Bergarbeiter eingetreten. Durch die Ausdehnung der Krankenfürsorge auf alle gewerblichen Arbeiter haben die Bergarbeiter den Vorzug, den sie in dieser Beziehung genossen, eingebüßt. Andererseits stehen sie seit dem Krankenkassengesetz in bezug auf die Teilnahme an der Verwaltung der Krankenkasseneinrichtungen schlechter wie die anderen Arbeiter. Denn während die Arbeitgeber von der Verwaltung der eingeschriebenen Hilfskassen ganz ausgeschlossen sind und die Verwaltung der Orts- und Betriebskrankenkassen gleichfalls überwiegend in den Händen der Arbeiter liegt, haben in den Knappschaften die Arbeitgeber die ausschlaggebende Stimme. Es ist daher erklärlich, daß die Bergarbeiter auf eine Erweiterung ihres Einflusses bei der Verwaltung der Knappschaftskassen drängten und daß dieselben namentlich die freie Wahl ihrer Vertreter in den Knappschaften verlangten. Besonders beschwert fühlten sich die Arbeiter durch die in vielen Knappschaftsstatuten des Kohlenreviers befindliche Bestimmung, daß die Werkbesitzer das Recht haben, die Vertreter der Arbeiter in den Knappschaften aus der von letzteren vorgeschlagenen doppelten Zahl auszuwählen.4

Diese zum Teil berechtigten Beschwerden über die Knappschaftsstatuten führten die Grubenarbeiter zuerst zusammen. Bereits zu Beginn des vorigen Winters traten Delegierte verschiedener Zechen öffentlich zusammen, um über die Reform der Knappschaftsstatuten und insbesondere über die Forderungen der Arbeiter auf eine bessere Vertretung in den Knappschaften zu beraten.5 Natürlich konnte es nicht ausbleiben, daß auf diesen Versammlungen bzw. im Anschluß an dieselben die sonstigen Verhältnisse des Bergmannsstandes, insbesondere die Höhe der Löhne und die Ausdehnung der Arbeitszeit, vertraulich erörtert wurden. Daß bei dieser Gelegenheit sehr viele vermeintliche und manche tatsächlich vorhandene Mißstände und Ungerechtigkeiten zur Mitteilung und Besprechung gelangten und die Unzufriedenheit anfachten und steigerten, liegt auf der Hand. Die Kohlenindustrie hatte sich seit über 10 Jahren in der denkbar ungünstigsten Lage befunden, die Rentabilität der meisten Gruben war weit unter den landesüblichen Zinsfuß gesunken; ein großer Teil der Gruben hatte mehr oder minder erhebliche Zubußen gebraucht, nur um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das Bestreben nach Verminderung der Produktionskosten war demgemäß ein allgemeines gewesen. Während ein Teil der Zechen diese Verminderung durch Verbesserung ihrer Anlagen erstrebten und erreichten, sahen sich andere Zechen mit weniger günstigen Förderungsverhältnissen und geringerem Kapitalvermögen zu einer Steigerung der Arbeitsleistung und vereinzelt auch zu einer Herabsetzung der Löhne veranlaßt.

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Diese natürlichen und unvermeidlichen Folgen der ungünstigen Lage vieler Zechen wurden von den Arbeitern ruhig ertragen, solange die Not, in der die Kohlenindustrie sich befand, eine offenkundige und allgemein bekannte war. Als sich jedoch im vorigen Herbst die Kohlenpreise zu heben begannen und diese Preissteigerung verbunden mit wesentlicher Steigerung der Nachfrage nach Kohlen in diesem Frühjahr weitere Fortschritte machte, hielten auch die Arbeiter die Zeit für gekommen, um einen größeren Anteil am Arbeitsvertrag unter gleichzeitiger Verminderung der Arbeitsleistung für sich beanspruchen zu können. Unterstützt wurden diese Ansprüche der Arbeiter durch eine maßlose Steigerung aller Kohlenwerte, die an den Börsen in diesem Frühjahr eintrat. Die Aktien der Kohlengruben schnellten plötzlich in die Höhe; Kuxe6, die im vorigen Jahr fast unverkäuflich und kaum mit 50─60 M. unterzubringen waren, erzielten an der Börse Preise von 1 3[00] ─ 1 400 M. Diese Steigerung der Kohlenwerte blieb den Arbeitern nicht unbekannt, und es war wohl begreiflich und entschuldbar, daß die Arbeiter, die den Werk- und Aktienbesitzern plötzlich Millionen an Kapital ohne Mühe und Arbeit in den Schoß fallen sahen, über die Berechtigung ihrer Forderungen getäuscht werden konnten, zumal eine gewissenlose demagogische Presse diese Täuschung absichtlich und mit den unlautersten Mitteln zu unterstützen sich bemühte. Die große Mehrzahl der Werkbesitzer verurteilte die Ausschreitungen der Börse ebenso wie die Unbeteiligten, sie war aber denselben gegenüber machtlos.

Im allgemeinen ließen sich die Forderungen der Arbeiter im April dieses Jahres durch die Lage der Kohlenindustrie und die Erwerbs- und sonstigen Verhältnisse der Arbeiter nicht rechtfertigen.

Seit dem Jahr 1877 bis Mitte 1888 haben die Kohlenpreise sich auf einem ziemlich gleichmäßigen und so niedrigen Niveau gehalten, daß das in den Gruben angelegte Kapital sich durchschnittlich kaum auf 2─3 % verzinst hat. Von der Mitte 1888 begonnenen und sich bis zum Frühjahr d. J. fortgesetzten Steigerung der Kohlenpreise hatten die Zechen noch keinen wesentlichen Vorteil, da sie ihre Produktion größtenteils auf ein Jahr und länger verschlossen hatten. Obwohl in den Jahren 1877─1888 nur ausnahmsweise eine Lohnreduktion eingetreten war, so wurde seitens mehrerer Zechenverwaltungen mit der Steigerung der Löhne bereits im Jahre 1888 begonnen und dieselbe im Frühjahr d. J. fortgesetzt. Daß diese Steigerung keine allgemeine und größere gewesen, lag daran, daß die Zechen im Jahre 1888 von der Steigerung der Kohlenpreise noch keinen wesentlichen Vorteil hatten und auch noch für dieses Jahr viele Zechen ohne namhafte Zubußen ihren Betrieb nicht aufrechterhalten konnten.

Eine graphische Darstellung der auf den Zechen Rhein-Elbe und Alma7 in den Jahren 1873 bis 1888 durchschnittlich gezahlten Löhne, der durchschnittlichen Verkaufspreise der Kohlen usw. ist gehorsamst beigefügt.8

Ebensowenig hatten die Preise der Lebensbedürfnisse im Frühjahr d. J. eine besondere Höhe erreicht und rechtfertigten den Anspruch der Arbeiter auf erhöhte [ Druckseite 420 ] Löhne. Es kosteten im allgemeinen: Butter 1,00─1,10 M. pro Pf[und]; Speck 25 Pf[ennig] ─ 80 Pf. pro Pf.; Rindfleisch 50 Pf. ─ 60 Pf. pro Pf.; Milch 16 Pf. ─ 18 Pf. pro Liter; Kartoffeln 3,00 M. pro Zentner; Roggen 7,00 M. pro Zentner.

Über die durchschnittliche Höhe der Löhne der Grubenarbeiter vermag ich natürlich einwandfreie Angaben nicht zu machen. Nach Einsicht einer großen Zahl von Lohnlisten der verschiedensten Zechen darf ich jedoch annehmen, daß vor dem Ausstand die Durchschnittslöhne der Kohlen- und Gesteinhauer 3,20 bis 3,80 M., die der Schlepper 2,30 bis 2,60 M. betragen haben, und daß geringere Löhne nur ausnahmsweise bezahlt worden sind entweder auf Zechen, welche besonders ungünstige Betriebsverhältnisse hatten, oder in Gebieten, in denen die Preise der Lebensbedürfnisse besonders billig waren. Außer diesen Löhnen erhielten die Arbeiter auf fast allen Zechen ihren Bedarf an Hausbrandkohlen unentgeltlich oder zu wesentlich ermäßigten Preisen.

Infolge des Ausstands sind die Löhne fast allgemein und durchschnittlich um 15 % erhöht worden.

Zur Charakterisierung der Arbeiterverhältnisse im Kohlenrevier erscheinen folgende Angaben von Wert:

In dem Kreis Hörde und dem Landkreis Dortmund werden im ganzen 3 822 Arbeiter als Grundeigentümer mit einer Grundsteuer von 6 700 M. aufgeführt, so daß 43 % aller Grundbesitzer als Arbeiter verzeichnet sind. Tatsächlich ist jedoch die Zahl der grundbesitzenden Arbeiter noch wesentlich größer, da auch ein beträchtlicher Teil der als Kötter9 bezeichneten Grundbesitzer ihre Arbeitskraft überwiegend in gewerblichen Unternehmungen verwertet.

In den genannten beiden Kreisen besitzen ferner 4 609 Arbeiter eigene Häuser und sind von sämtlichen Hauseigentümern derselben 53 % Arbeiter, die 26 000 M. an Gebäudesteuer bezahlen.

In den Kreisen Stadt- und Landkreis Dortmund und Hörde hatten 1887 in den Sparkassen 3 660 Berg- und Hüttenarbeiter ein Guthaben von 3 280 000 M., während im ganzen in diesen Kreisen 34 825 Einleger mit einem Guthaben von 41 335 000 M. vorhanden waren.

Nach der Zählung vom 10. Januar 1883 besaßen in den Kreisen Dortmund Stadt, Dortmund Land und Hörde 17 200 Haushaltungen Vieh, und zwar 10 780 Kühe, 6 600 Schafe, 18 365 Schweine und 15 785 Ziegen, und wird man im allgemeinen annehmen können, daß die Schafe, Schweine und Ziegen sich überwiegend im Eigentum von Arbeitern und kleineren Handwerkern befunden haben.

Ähnlich wie in diesen Kreisen liegen in bezug auf den Besitz von Grund und Boden sowie den Haus- und Viehbesitz seitens der Arbeiter die Verhältnisse in den anderen Gebieten des rheinisch-westfälischen Kohlenreviers und sind es überwiegend die auf dem Land und in kleineren Ortschaften wohnenden Grubenarbeiter, die ihre Ersparnisse in Grund und Boden und eigenen Häusern anlegen; besonders ist dies im Werdener und Steeler Gebiet der Fall, wo wohl die Mehrzahl der Grubenarbeiter Grund und Boden oder Wohnhäuser eigentümlich besitzt.

Außerdem haben die Zechen zum Teil sehr umfangreiche Kolonien für ihre Arbeiter geschaffen, in denen dieselben gute und auskömmliche Wohnungen meistens mit etwas Ackerland zu mäßigen Preisen erhalten.

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Überhaupt sind die Wohnungsverhältnisse im ganzen Kohlenrevier im allgemeinen sehr viel günstiger10 wie in den großstädtischen Zentren der Industrie. Derartige Zustände, wie sie in Berlin existieren, wo vielfach mehrere Familien in Wohnungen von einer Stube und einer kleinen Küche zusammengepfercht sind, bestehen dort nirgend[s]. Selbst kleine Arbeiterfamilien haben dort fast stets eine Wohnung von zwei geräumigen Zimmern. Die Mehrzahl der Grubenarbeiter besitzt aber Wohnungen von 3 Zimmern und darüber. Namentlich sind die Zechenwohnungen im allgemeinen sehr geräumig und bestehen dieselben meist aus 3, nicht selten aus 4 Zimmern und darüber.

Die Preise der Wohnungen sind natürlich nach Lage und Geräumigkeit derselben sehr verschieden; sie sind aber erheblich niedriger wie in den Großstädten.

Die Zechenwohnungen kosten meistens mit etwas Land 90─120 M., während die Preise für Privatwohnungen, von Dortmund abgesehen, wo die Mieten teurer sind, sich zwischen 100─140 M. bewegen.

Wo die Arbeiter nicht selbst Grund und Boden eigentümlich besitzen oder solchen von den Zechen mit den Wohnungen erhalten, haben dieselben sich fast ausnahmslos ein kleines Stück Acker gepachtet, auf dem sie Gemüse bauen und das sie in den Stand setzt, eine Ziege oder ein Schwein zu halten. Die Pachtpreise für dieses Land sind im allgemeinen nicht niedrig. Die Zechen nehmen meistens 30 Pf. pro Quadratrute11, der Preis steigt aber auch in der Nähe der Städte bis auf 50 Pf. und erreicht in Dortmund sogar die exorbitante Höhe von 70 Pf. pro Quadratrute. Aber auch bei diesen Preisen finden die Arbeiter noch immer ihre Rechnung, da sie mit ihren Familienangehörigen Bestellung und Ernte besorgen und das geerntete Gemüse im eigenen Haushalt mit Vorteil verwenden.

Geht aus diesen Tatsachen hervor, daß die ökonomische Lage der Bergarbeiter im allgemeinen keine ungünstige gewesen, so wird man auch aus dem Bestreben derselben nach Erwerb oder Pachtung von Grund und Boden den Schluß ziehen dürfen, daß eine übermäßige Arbeitsleistung von ihnen im großen und ganzen nicht beansprucht worden ist. Es geht dieses auch aus einem Vergleich der in den Jahren 1887, 1888 und I. Quartal 1889 durchschnittlich auf der Eisenbahn zum Versand gebrachten Kohlenmengen mit der Zahl der durchschnittlich beschäftigten Arbeiter hervor.

Anzahl der ab- gefahrenen Wagen Anzahl der durch- schnittlich beschäf- tigten Arbeiter Mithin durch- schnittlich per Arbeiter
1887
I. Quartal 612 309 98 500 6,22
II. Quartal 579 337 96 000 6,03
III. Quartal 645 702 96 200 6,71
IV. Quartal 697 905 100 000 6,98
1888
I. Quartal 672 698 101 300 6,64
II. Quartal 648 638 101 000 6,40
III. Quartal 718 761 102 100 7,04
IV. Quartal 752 469 109 100 6,90
1889
I. Quartal 731 748 112 200 6,52
[ Druckseite 422 ]

Die Schichten haben mit Ausschluß der Ein- und Ausfahrt vor dem Ausstand bei den meisten Zechen 8 Stunden betragen und die Überschichten sich in mäßigen Grenzen gehalten. Gleichwohl darf nicht verschwiegen werden, daß ausnahmsweise auch eine übermäßige Inanspruchnahme der Arbeiter stattgefunden hat, indem einzelne Zechen die Verminderung der Produktionskosten durch eine ungebührliche Steigerung der Arbeitsleistung zu erreichen suchten. Besonders war dieses auf den Gruben des verstorbenen Grillo12 der Fall, so daß diese Ausnutzung der Arbeiter im Kohlenrevier allgemein mit der Bezeichnung „System Grillo“ bekannt war. Die meisten Zechen haben sich jedoch diesem System nicht angeschlossen, sondern dasselbe entschieden verurteilt.

Wenn trotz der vorgetragenen, einen allgemeinen Ausstand in keiner Weise rechtfertigenden Verhältnisse der Bergarbeiter die Ausstandsbewegung so schnelle Fortschritte machen und eine so große Ausdehnung erfahren konnte, so lag der Grund meines Dafürhaltens vorzugsweise darin, daß die Zechenverwaltungen keine Fühlung mit den Arbeitern hatten und dadurch die unter der bergmännischen Bevölkerung allerdings nur vereinzelt vorhandenen sozialdemokratischen Elemente zur Herrschaft gelangen konnten. Diese sozialdemokratischen Elemente haben die Unzufriedenheit allgemein erzeugt und in weitere Kreise getragen und es mit Unterstützung der jugendlichen Schlepper und der polnischen Arbeiter bewirkt, daß die Ausstandsbewegung sich über den ganzen Bezirk ausgedehnt hat. Fast überall sind die Schlepper und die Polen die Hauptstützen der Ausstandsbewegung gewesen und haben durch maßlosen Terrorismus die ruhigen und besonnenen Arbeiter zum Anschluß an diese Bewegung und zum Fortbleiben von der Arbeit genötigt.

Wie wenig oft die Arbeiter selbst über ihre Forderungen und deren Berechtigung sich im klaren gewesen sind, geht daraus hervor, daß z. B. auf einer Zeche die Forderung erhoben wurde, die Vollhauer sollten einen Durchschnittslohn von 3,50 M. erhalten, während die Werkleitung sich in der Lage befand, den Delegierten sofort aus den Büchern nachzuweisen, daß die Vollhauer in der letzten Zeit nicht bloß die verlangten 3,50 M., sondern sogar 3,70 M. durchschnittlich verdient hätten. Auf einer andern Zeche verlangten die Delegierten die Überlassung der Hausbrandkohlen an die Arbeiter zu den Selbstkosten, obwohl diese die Kohlen seit langer Zeit völlig unentgeltlich erhalten hatten. Auf einer dritten Zeche verlangten die Schlepper einen Lohn von 2,60 M.; als dieser bewilligt war, erhöhten sie eine Stunde darauf ihre Forderung auf 3,00 M. und, als auch diese bewilligt war, sofort auf 3,50 M., setzten aber die Arbeit ruhig wieder fort, als ihnen auf die letzte maßlose Forderung eröffnet wurde, daß, wenn sie nicht zu 2,60 M. weiterarbeiten wollten, sie sofort ihre Abkehr erhalten könnten.

Meines Dafürhaltens wäre es gar nicht möglich gewesen, daß die wenigen im Bergmannsstand vorhandenen sozialdemokratischen Elemente einen maßgebenden Einfluß hätten erlangen und mit Unterstützung der polnischen und der jugendlichen Arbeiter die große Masse der verständigen Bergarbeiter hätten terrorisieren können, wenn die Zechenverwaltungen engere Fühlung mit ihren Arbeitern gehabt hätten. Die zahlreichen Arbeiter, mit denen ich in Rheinland-Westfalen in persönlichen Verkehr getreten, waren ausnahmslos ruhige verständige und allen sachlichen Gründen zugängliche Leute, die durchaus einsahen, daß von Zechen, welche noch mit [ Druckseite 423 ] Zubuße arbeiteten, eine Lohnerhöhung zu fördern unbillig sei, daß die von den Sozialdemokraten geforderte erhebliche Beschränkung der Kohlenproduktion den Arbeitern auf die Dauer sehr nachteilig sein müßte, weil dadurch andere Gewerbe geschädigt und die Exportfähigkeit der einheimischen Industrie beeinträchtigt würden, und weil ferner eine beträchtliche Steigerung der Kohlenpreise die Inbetriebsetzung neuer Gruben veranlassen und dadurch wieder zur Überproduktion mit ihren für die Arbeiter verderblichen Folgen führen würde.

Ich bin überzeugt, daß wenn die einzelnen Zechenverwaltungen, statt die im April ihnen von ihren Arbeitern übergebenen Forderungen einfach ad acta zu legen, sofort mit Vertrauensmännern derselben über diese Forderungen in Verhandlung getreten wären, es ihnen gelungen wäre, bei gleichzeitiger Befriedigung berechtigter Forderungen und Abstellung etwaiger tatsächlich vorhandener Mißstände die Arbeiter zur Verzichtleistung auf ihre unberechtigten Forderungen und zum ruhigen Fortarbeiten zu bestimmen. Es geht dieses daraus hervor, daß diejenigen Werkbesitzer, welche diesen Weg beschritten, entweder ganz vom Ausstand verschont geblieben sind oder daß derselbe nur kurze Zeit gedauert und meistens nur unter dem Druck der Arbeiter benachbarter Gruben begangen hat.

Nach Oberschlesien ist der Ausstand lediglich aus Westfalen übertragen worden.13 Die von den westfälischen Grubenarbeitern gestellten Forderungen wurden auch von den Leitern der oberschlesischen Bewegung erhoben, obwohl die Verhältnisse in Oberschlesien von denen Westfalens völlig verschieden sind. Auch in Oberschlesien lag im allgemeinen ein Grund zum Ausstand nicht vor. Die Durchschnittslöhne der Vollhauer betrugen dort ─ von dem Ratiborer Revier abgesehen ─ etwa 2,50 ─ 2,90 M., die der Schlepper und Tagearbeiter 1,60 ─ 1,90 M. Außerdem erhielten die Arbeiter fast ausnahmslos bis 120 Zentner Kohlen zum Hausbrand unentgeltlich. Diese Löhne werden mit Rücksicht auf die billigeren Lebensbedürfnisse in Schlesien und die geringeren Ansprüche der dortigen Arbeiter an die Lebenshaltung im allgemeinen als angemessen und auskömmlich erachtet werden müssen.

Es kosteten in Oberschlesien im großen und ganzen: Rindfleisch 50 Pf. pro Pf[und]; Speck 75 Pf. pro Pf.; Butter 1 M. ─1,10 pro Pf.; Weizenmehl 15 Pf. ─16 Pf. pro Pf.; Roggenmehl 10 ─ 11 Pf. pro Pf.; Milch 14 ─ 16 Pf. pro Liter; Kartoffeln 1,50 ─ 2,00 pro Zentner.

Gleichwohl befinden sich die Grubenarbeiter in Schlesien in einer wesentlich ungünstigeren Lage als die Arbeiter Westfalens. Zunächst sind die Wohnungsverhältnisse viel ungünstiger. Fast ausnahmslos bestehen die Arbeiterwohnungen nur aus einer Stube mit Alkoven oder nur aus einer Stube, in denen die meistens mit sehr zahlreicher Familie gesegneten Arbeiter nur notdürftig Unterkommen finden. Die Preise der Wohnungen sind verhältnismäßig hoch und betragen 60 ─ 80 M. für Wohnungen mit einer Stube und 90 ─ 110 M. für Wohnungen aus einer Stube und Alkoven bestehend.

Auf den fiskalischen Gruben14 liegen die Verhältnisse nicht wesentlich besser. Die mit Staatsunterstützung gebauten Wohnhäuser befinden sich meistens im Eigentum [ Druckseite 424 ] von Arbeitern, die ihre Mitarbeiter, welche von ihnen die Wohnungen gemietet, vielleicht noch schlechter behandeln als die sonstigen Hauseigentümer. Da die Wohnungen in der Nähe der Gruben nicht in ausreichendem Maß zu haben sind, so müssen die Arbeiter vielfach weite Wege zur Arbeitsstätte machen. Dieses ist besonders bei der Königin-Luise-Grube15 der Fall, deren Arbeiter zum Teil ein halb bis 1 {1/2} Meilen16 von derselben entfernt wohnen.

Da die oberschlesische Arbeiterbevölkerung wenig Interesse für die Bearbeitung von Grund und Boden hat, so haben bisher die von den Zechenverwaltungen und benachbarten Großgrundbesitzern unternommenen Versuche mit Landverpachtungen keinen großen Erfolg gehabt, obwohl die Pachtpreise verhältnismäßig niedrig gestellt waren (12─18 M. pro Morgen gegen 54 bis 126 M. pro Morgen in Westfalen). Infolgedessen besitzt auch nur ein kleiner Teil der Arbeiter Ziegen oder Schweine und sind die meisten genötigt, fast alle Lebensbedürfnisse auf dem öffentlichen Markt einzukaufen. Hierdurch und bei dem bekannten Leichtsinn der slavischen Bevölkerung ist ein großer Teil der Arbeiter in eine völlige Abhängigkeit von meist jüdischen Händlern geraten, die den Arbeitern an den Löhnungstagen den erhaltenen Lohn bis auf einen geringen Betrag abnehmen und ihnen die benötigten Waren weiter auf Kredit gewähren. Natürlich sind die Preise für dieselben exorbitant hoch und werden willkürlich vom Verkäufer festgesetzt. Außerdem werden die Arbeiter vielfach verleitet, völlig entbehrliche Gegenstände zu kaufen. Die Summen, welche die Arbeiter auf diese Weise den Händlern schuldig werden, sollen häufig den Betrag von mehreren hundert Mark erreichen und ist es denselben aus eigener Kraft nie möglich, sich dieser Ausbeutung zu entziehen.

Infolge des Ausstands sind die Löhne fast allgemein um 10 ─ 15 % erhöht worden. Eine fiskalische Grube hatte bereits vor dem Ausstand mit Lohnerhöhungen begonnen und ist infolgedessen von dem Ausstand ganz verschont geblieben.

Eine graphische Darstellung der Löhne und Kohlenpreise Oberschlesiens ist gehorsamst beigefügt.17

Auch in bezug auf die Beschäftigungsdauer stehen die Grubenarbeiter Schlesiens schlechter wie diejenigen Westfalens. Während auf den fiskalischen Gruben die Arbeitszeit vor dem Ausstand 12 Stunden mit Einschluß der Ein- und Ausfahrt betragen hat, ist auf den Privatgruben vielfach die Ein- und Ausfahrt in die 12stündige Arbeitszeit nicht mit eingerechnet worden. Wenn auch von dieser Zeit die Arbeitspausen in Abzug kommen und die westfälischen Arbeiter jedenfalls intensiver arbeiten wie die oberschlesischen, so war die Beschäftigungsdauer doch zweifellos eine zu lange, namentlich wenn die weiten Wege zu und von der Arbeitsstätte berücksichtigt werden.

Nach dem Ausstand ist auf den fiskalischen Gruben eine Arbeitszeit von 10 Stunden mit Ausschluß der Ein- und Ausfahrt eingeführt worden und hofft man, in dieser Zeit die gleiche Arbeitsleistung wie früher während der längeren Arbeitszeit zu erreichen. Die Privatgruben sind dem Vorgehen der fiskalischen noch nicht überall gefolgt. Übrigens besteht in Oberschlesien eigentlich keine Akkordarbeit; es wird vielmehr [ Druckseite 425 ] meistens von den Arbeitern eine bestimmte Leistung von 160 ─ 200 Zentnern verlangt, und wenn sie dieses Quantum gefördert, so brauchen sie nicht weiterzuarbeiten.

Sehr ungünstig liegen die Verhältnisse im Ratiborer Revier, wo vor dem Ausstand die Vollhauer meistens nur Löhne von 1,50 ─ 1,80 M., die Tagesarbeiter sogar nur von 90 Pf. ─ 1,20 M. durchschnittlich bezogen haben. Nach den mir gewordenen Mitteilungen sind jedoch die Löhne in dieser Gegend allgemein sehr niedrig und könnten, da die meist sehr kleinen Gruben ohnehin mit hohen Unkosten arbeiten, die Werkbesitzer erheblich höhere Löhne nicht zahlen.

Auch in Niederschlesien sind die Arbeiterverhältnisse keineswegs günstig.18 Die Löhne sind niedriger als in dem eigentlichen Kohlenrevier Oberschlesiens (Hauer erhielten etwa 2,20 ─ 2,60 M., Schlepper 1,50 ─ 1,80 M. durchschnittlich), die Preise der Lebensbedürfnisse mindestens ebenso hoch, die Wohnungen unauskömmlich und verhältnismäßig teuer (eine Stube kostet 80 ─ 100 M., in den Zechenhäusern 60─ 72 M., Stube mit Alkoven 100 ─ 120 M.).

Die Ernährung der Bevölkerung ist eine wenig kräftige. Während bei den Westfalen Erbsen, Bohnen und Speck die Hauptnahrung bilden, essen die Niederschlesier manchmal die ganze Woche nichts anderes als Weizenmehlklöße und Kompott und allenfalls ein Stückchen Rindfleisch dazu. Da im Waldenburger Revier mehrere große Fabriken liegen, welche junge Mädchen und Frauen in größerer Zahl beschäftigen, so ist die Unsittlichkeit eine große. Frühzeitige Ehen kommen sehr häufig vor und gehört es keineswegs zu den Seltenheiten, daß die Ehe abgeschlossen werden muß, noch bevor der Mann seiner Militärpflicht genügt hat. Diese Verhältnisse haben bereits eine so große Degenerierung der Bevölkerung herbeigeführt, daß in einem der letzten Jahre bei der Aushebung nur 6 % der Gestellungspflichtigen als diensttauglich haben erklärt werden können.

Das Borgsystem ist auch in Niederschlesien ziemlich verbreitet und besteht dort eine besondere Art der Ausbeutung der Arbeiter, indem die Hausbesitzer meistens Materialwaren und Kramläden haben und die bei ihnen wohnenden Arbeiter nötigen, alles von ihnen zu kaufen und natürlich mit teuren Preisen zu bezahlen.

Bis zum Ausstand war die Arbeitszahl nominell 10 Stunden mit Ausschluß der Ein- und Ausfahrt, tatsächlich dauerte sie aber wenigstens für die über Tage Arbeitenden meistens 12 Stunden, da diese in wechselnder Tag- und Nachtschicht beschäftigt wurden. Nach dem Ausstand ist die Arbeitszeit allgemein auf 10 Stunden mit Einschluß der Ein- und Ausfahrt, sonnabends auf 8 Stunden mit Ausschluß derselben festgesetzt.

Durch den Ausstand haben die Arbeiter wohl allgemein eine Lohnerhöhung von 10 % erreicht.

Der Ausstand der Bergarbeiter im westfälischen Kohlenbezirk kam allen Beteiligten im höchsten Maß überraschend. Weder die Zechenverwaltungen noch die Kohlenkonsumenten hatten an die Möglichkeit eines allgemeinen Ausstandes gedacht und demgemäß zur Abwendung oder Verminderung der durch einen solchen ihnen drohenden Gefahren keinerlei Vorkehrung getroffen. Da die Lagerung der westfälischen Kohlen mit einem nicht unerheblichen Wertverlust verbunden, so hatten die gewerblichen Konsumenten fast ausnahmslos sich so eingerichtet, daß die [ Druckseite 426 ] täglich zugeführten Kohlen in ihren Betrieben direkt verbraucht wurden und nennenswerte Vorräte nicht gehalten. In der gleichen Lage befanden sich die Eisenbahnen und die sonstigen öffentlichen Anstalten. Erstere hatten zwar ihren Kriegsvorrat von durchschnittlich etwa 3 Wochen, der jedoch in Friedenszeiten nicht angegriffen werden darf; für den laufenden Betrieb reichten jedoch ihre Vorräte auch nur für eine geringe Reihe von Tagen aus. Die kommunalen Gasanstalten und Wasserleitungsmaschinen waren so wenig mit Vorräten versehen, daß einzelne Städte in großer Gefahr schwebten, den Betrieb dieser Anstalten einstellen zu müssen. Die Kohlen für die Wasserhaltungsmaschinen der Gruben konnten nur mit äußerster Anstrengung dadurch beschafft werden, daß die Beamten derselben selbst in die Gruben stiegen und die Förderung bewirkten. Große industrielle Etablissements (z. B. Krupp) konnten nur mit äußerster Anstrengung ihren wesentlich eingeschränkten Betrieb aufrechterhalten, nachdem ihnen Kohlen aus Saarbrücken und Oberschlesien zugeführt waren; andere, die nicht sofort die wesentlich gestiegenen Preise für Kohlen bezahlen wollten, waren zur Einstellung des Betriebes genötigt; die ganze nationale Gewerbetätigkeit drohte ins Stocken zu geraten.

Diese Folgen traten ein, obwohl der Ausstand zu einer Zeit unternommen war, in der der Kohlenbedarf fast die niedrigste Grenze zu erreichen pflegt, obwohl die Halden der oberschlesischen Gruben reiche Kohlenbestände hatten und allein in den Rheinhäfen bei Ruhrort und Duisburg etwa 2 {1/2} Millionen Doppelzentner vorzugsweise zum Export nach Holland bestimmte Kohlen lagerten, während im Oktober die Bestände in diesen Häfen in der Regel nur ca. 600 000 Doppelzentner zu betragen pflegen. Der durch den Ausstand herbeigeführte Ausfall in der Steinkohlenförderung von etwa 12 Millionen Doppelzentner bei einer Jahresproduktion von 600 Millionen und einem Inlandsverbrauch von etwa 520 Millionen Doppelzentnern genügte bereits, um einer großen Anzahl von Gewerbetreibenden ernste Schwierigkeiten zu bereiten und alle Beteiligten mit schweren Sorgen für die Zukunft zu erfüllen.

Geht schon hieraus hervor, welche großen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gefahren ein allgemeiner und längere Zeit andauernder Ausstand der Kohlenbergarbeiter dem Staat bereiten muß, so wird nicht gehofft werden dürfen, daß der Verlauf, welchen der Ausstand genommen, eine Wiederholung desselben in weite Ferne gerückt hat. Einerseits haben die Kohlenbergarbeiter ihre Macht kennengelernt und dürfen mit größerer Zuversicht als dieses Mal auf einen Erfolg rechnen, namentlich wenn der Ausstand besser vorbereitet und zu einer günstigeren Zeit unternommen wird, anderseits hat sich die Sozialdemokratie überzeugen können, daß es kein geeigneteres Mittel gibt, um eine soziale Revolution herbeizuführen, als ein internationaler Ausstand der Kohlenbergarbeiter.

Dazu kommt, daß die maßlose Steigerung der Kohlenpreise, welche nach dem Ausstand eingetreten, die Begehrlichkeit der Arbeiter erwecken und in ihnen den Wunsch nach einer weiteren erheblichen Steigerung der Löhne rege machen muß. Die infolge des Ausstandes eingetretene Lohnerhöhung hat im allgemeinen 15 % betragen, würde also, da zur Zeit desselben etwa 50 % der Verkaufspreise der Kohlen durch die Förderungskosten derselben absorbiert wurden, eine Preiserhöhung der Kohlen um etwa 7 ─ 8 % rechtfertigen, während dieselbe bis jetzt bereits 70 ─ 80 und mehr Prozent betragen und noch nicht ihr Ende erreicht hat.

Ich vermag daher meinerseits die Befürchtung nicht zu unterdrücken, daß bereits im nächsten Frühjahr ─ im Winter ist ein Ausstand kaum zu befürchten, da unter demselben [ Druckseite 427 ] die Arbeiter selbst zu sehr leiden würden ─ sich der Ausstand der Bergarbeiter wiederholen und dann ein allgemeiner und längere Zeit andauernder sein wird.

Aber nicht allein durch Ausstände der Arbeiter kann die Zuführung der Kohlen an Staatsbetriebe und Gewerbetreibende unterbrochen werden, sondern die gleiche Gefahr kann aus Koalitionen der Grubenbesitzer erwachsen.

(Die zum Schutz des Staates und der vaterländischen Gewerbetätigkeit zu ergreifenden Maßregeln sind entweder allgemeiner Natur oder sie beschränken sich speziell auf den Bergarbeiterausstand und die im Bergbau beschäftigten Arbeiter.)

Nur insoweit als der Staat Gruben besitzt und betreibt, kann ich mit einiger Sicherheit darauf rechnen, die für den Betrieb seiner öffentlichen Anstalten und militärischen Etablissements nötigen Kohlen jederzeit zur Disposition zu haben. Größere Gruben besitzt der Staat nur in Oberschlesien und im Saarbrücker Revier; dagegen befinden sich die Gruben im rheinisch-westfälischen Revier ausschließlich im Privatbesitz.

Die Staatsbahnen beanspruchen jährlich für ihren Betrieb etwa 25 Millionen Doppelzentner Kohlen, welche nach den örtlichen Verhältnissen wohl überwiegend aus den westfälischen Gruben entnommen werden müssen. Noch wichtiger ist das westfälische Revier im Mobilmachungs- und Kriegsfall, weil die oberschlesischen Gruben sehr leicht und die Saarbrücker möglicherweise durch den Feind vorübergehend besetzt und durch Zerstörung der Wasserhaltungsmaschinen auf längere Zeit außer Betrieb gesetzt werden können. In einem solchen Fall würde die Versorgung der Eisenbahnen, Festungen und sonstigen militärischen Etablissements überwiegend den westfälischen Gruben zufallen, und wenn auch schließlich im Kriegsfall alle anderen Rücksichten den Interessen der Landesverteidigung weichen müssen, so kann der Ankauf der benötigten Kohlen von den Privatgruben doch erhebliche Schwierigkeiten bereiten und große finanzielle Opfer notwendig machen.

Der Privatbesitz hat vielfach zu einem unrationellen Betrieb geführt und bedingt stets erheblich größere Verwaltungskosten; außerdem hat derselbe oft eine große Vergeudung der Kohlenschätze verursacht und wird dieses auch in Zukunft namentlich bei beträchtlichem Rückgang der Kohlenpreise tun. Insbesondere in Oberschlesien sind viele Flöze von 1 ─ 2 Meter Mächtigkeit einfach zu Bruch getrieben, weil die Ausbeutung derselben bei den niedrigen Kohlenpreisen für die Privatbesitzer nicht lohnend war; ebenso sind auf den oberschlesischen Halden Millionen Zentner Staubkohlen verbrannt, da die Verarbeitung derselben zu Briketts aus dem gleichen Grund unterblieben ist.

aMeines Dafürhaltens würde es sich empfehlen, die etwa 3 Millionen betragende Bergwerksabgabe19 der Staatsregierung zum Ankauf von Bergwerken und zur ausgedehnteren Mutung20 zur Verfügung zu stellen mit der Maßgabe, daß die in einem Jahr nicht verwendete Summe auf das folgende Jahr übertragen wird.a 21

Nur durch einen großen Grubenbesitz im rheinisch-westfälischen Revier vermag der Staat einen bestimmenden Einfluß auf die Preise der Kohlen zu gewinnen.

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Von den Preisen der Kohlen hängt das Gedeihen und die Existenz vieler Gewerbe sowie deren Exportfähigkeit ab. Die Gefahr einer maßlosen und nicht lediglich vorübergehenden Preissteigerung dieses notwendigsten Rohmaterials ist für die Zukunft eine wesentlich größere, da das Großkapital sich der Gruben zu bemächtigen begonnen und einen großen Teil der Gruben bereits in seine Hände gebracht und namentlich auch viele Mutungen erworben hat.

Will der Staat einen maßgebenden Einfluß auf die Gestaltung der Arbeiterverhältnisse in Westfalen gewinnen, so läßt sich dieses ebenfalls nur durch größeren staatlichen Grubenbesitz erreichen. Zwar hat der Ausstand im Saarbrücker Revier und auf der fiskalischen Königsgrube22 dargetan, daß die Verwaltung der Gruben durch den Staat keinen Schutz gegen Arbeitseinstellungen bietet. Aber der Staat befindet sich in der Lage, durch rechtzeitige Erfüllung berechtigter Forderungen die Arbeiter in vielen Fällen von der Arbeitseinstellung abzuhalten.

Während aufgrund der französischen Gesetzgebung der Staat als Eigentümer der Saarbrücker Kohlengruben andere von der Mutung auf Kohlen in jenem Revier auszuschließen das Recht hat, ist im übrigen das Schürfen und Muten auf Kohlen völlig freigegeben. Eine Ausnahme besteht m[eines] W[issens] nur für einzelne Gebiete Schlesiens, wo die Standesherrn besondere Rechte an den Kohlen (Regalrechte, jus excludendi alios, Anteil am Gewinn etc.) besitzen.23 Der Grund für die Freigabe der Mutung scheint mir in der Befürchtung zu liegen, daß ohne die freie Konkurrenz die Kohlenschätze nicht gehoben und auf diese Weise der Nutzbarmachung für das Gemeinwohl entzogen werden könnten. Da die Verleihungen in Dezennien ungeheure Werte repräsentieren, so hat die sichere Aussicht auf erheblichen Gewinn in der letzten Zeit das Großkapital veranlaßt, die verliehenen Felder in seinen Besitz zu bringen. Namentlich ist dieses in Rheinland und Westfalen der Fall, wo der Staat, weil er dort keine Gruben besitzt, eine wesentliche Einwirkung auf die Preisgestaltung nicht auszuüben vermag.

Die Freigabe der Mutungen führt auch zu beträchtlichen Kapitalvergeudungen, da jeder ─ Staat oder Privatperson ─ der vielleicht erst nach vielen Dezennien auf dem gemuteten und verliehenen Feld ein Bergwerk errichten und in Betrieb setzen will, gleichwohl genötigt ist, die Kosten hierfür schon jetzt aufzuwenden, weil er sonst befürchten muß, daß ein anderer ihm im Erwerb des Bergwerkseigentums zuvorkommt. Aus diesem Grund haben zahllose Verleihungen stattgefunden ─ in Oberschlesien sind von 649 verliehenen Feldern noch 475, in Niederschlesien von 331 verliehenen noch 196 außer Betrieb ─, obwohl nach Lage der Verhältnisse vielleicht erst nach vielen Dezennien die Errichtung von Bergwerken auf den verliehenen Feldern möglich und rentabel ist.

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Dazu kommt, daß aufgrund der Bestimmungen des Berggesetzes vom 24. Juni 186524 über die Begrenzung der zu verleihenden Felder, namentlich infolge einer jetzt reprobierten Auslegung desselben seitens einzelner Oberbergämter, die verliehenen Felder vielfach in einer Weise abgegrenzt worden sind, daß auf denselben ein rationeller Bergbau überhaupt nicht betrieben werden kann, ja, daß manche Verleihungen augenscheinlich den Zweck haben, andere Besitzer von Feldern an der bergmännischen Ausnutzung derselben zu hindern. Da der Fundort in dem Feld keine bestimmte Lage zu haben braucht, so sind vielfach von einer Fundstelle eine große Anzahl von Verleihungen nachgesucht und erteilt worden, indem mehrere Stollen dicht nebeneinander getrieben und auf diese Weise künstlich mehrere Fundorte konstruiert worden sind.

aBisher hat sich der Staat an den Mutungen nur wenig beteiligt; in Niederschlesien und in Rheinland und Westfalen gar nicht, in Oberschlesien auch nicht erheblich, indem an private Felder in der Ausdehnung von 1 040 km2, an den Staat nur von 3 {1/4} km2 verliehen worden sind. In letzterer Zeit ist jedoch der Staat energischer vorgegangen, und es findet jetzt zwischen ihm und einzelnen Privatunternehmen ein förmliches Wettrennen statt, wer zuerst „fündig“ werden und somit den andern um die Erfolge seiner bisherigen Arbeiten bringen wird.a 25

Die Kohlenförderung kann nicht bloß wegen eines Ausstands der Arbeiter unterbrochen und eingestellt werden, sondern es können auch die Werkbesitzer es als in ihren Interessen liegend erachten, die Förderung zeitweise einzustellen oder wesentlich zu beschränken, um die Kohlenpreise in die Höhe zu treiben, ja es können sich Ringe bilden, welche dem ganzen Land dieses wichtigste Rohmaterial künstlich entziehen und maßlos verteuern. Derartige Maßnahmen haben für das Allgemeinwohl die gleichen nachteiligen Folgen und gefährden die gesamte vaterländische Gewerbetätigkeit in gleicher Weise wie Ausstände der Bergarbeiter. Zu ihrer Bekämpfung genügt die berggesetzliche Bestimmung nicht, daß der Werkbesitzer verpflichtet ist, das Bergwerk zu betreiben, wenn der Unterlassung oder Einstellung des Betriebes nach der Entscheidung des Oberbergamtes überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen,26 da das vorgesehene Verfahren, in welchem diese Frage zur endgültigen Entscheidung gelangt, ein sehr langwieriges ist und die Überweisung dieser Entscheidung an den ordentlichen Zivilrichter eine sachgemäße Würdigung der öffentlichen Interessen und der Bedürfnisse der Gewerbe nicht sichert.

Ebenso unwirksam ist dieses Mittel, um die Errichtung von Bergwerken auf den verliehenen Feldern zu erzwingen, wenn die Bedürfnisse der vaterländischen Gewerbetätigkeit eine Steigerung der Kohlenproduktion bedingen.

Die Notlage, in welcher die Kohlenindustrie sich über ein Dezennium befunden, hat in derselben den Wunsch und das Bestreben nach einer erheblichen Erweiterung ihres Exportes erweckt und die Staatsregierung veranlaßt, der Förderung desselben ihre energische Unterstützung zuteil werden zu lassen. Infolgedessen hat sich die Kohlenausfuhr seit dem Jahre 1875 von 4 {1/2} Millionen auf gegen 9 Millionen Tonnen im Jahre 1888 gehoben. In den Jahren 1875 bis 1887 haben die Preise der Kohlen kaum die unmittelbaren Selbstkosten gedeckt, so daß das Inland für die ausgeführten [ Druckseite 430 ] Kohlen eine dem eingetretenen Kapitalverlust einigermaßen entsprechende Gegenleistung vom Ausland nicht empfangen hat. Außerdem hat die Zuführung billigen Brennmaterials die Konkurrenzfähigkeit des Auslandes nicht unerheblich gesteigert. In diesen Verhältnissen ist seit dem Kohlenausstand eine Umwandlung eingetreten. Die inländische Kohlenindustrie befindet sich nicht mehr in der Lage, die einheimischen Konsumenten und ihre bisherigen ausländischen Abnehmer mit ihren Forderungen zu befriedigen, und haben viele Gruben sich veranlaßt gesehen, ihren inländischen Abnehmern gegenüber die vertragsmäßig übernommenen Kohlenlieferungen erheblich, teilweise bis zu 25 % herabzusetzen. Trotzdem die Kohleneinfuhr im ersten Semester von etwas über 16 Millionen im Vorjahr auf über 24 {1/2} Millionen Tonnen, also um mehr als 50 % in diesem Jahr gestiegen ist, so ist es der Industrie nur mit äußerster Anstrengung möglich, die für die Aufrechterhaltung ihres Betriebes notwendigen Kohlen von den inländischen Gruben zu erhalten. Dabei sind die Preise der Kohlen um 80 % und mehr, die des Koks um 150 ─ 200 % gegen das Vorjahr gestiegen und ist das Ende der Preissteigerung noch gar nicht abzusehen. Unter diesen Umständen wird in den beteiligten Kreisen der Fortfall der bisher zur Förderung der Kohlenausfuhr gewährten Erleichterungen gewünscht, um der inländischen Produktion die Deckung ihres Kohlenbedarfes zu erleichtern und der Preissteigerung für Kohlen entgegenzuarbeiten. aBesonders sind es die sehr niedrigen Ausnahmetarife nach den Niederlanden, welche große Kohlenquantitäten dem Inland entziehen.a 27

Nach den mir von sachverständiger Seite zugegangenen Mitteilungen ist der Kohlenvorrat Deutschlands keineswegs unerschöpflich und reicht derselbe, soweit die Flöze nach dem Stand der heutigen Wissenschaft und Technik abbaufähig und abbauwürdig sind, mit Rücksicht auf die eingetretene und ferner zu erwartende Steigerung des Bedarfs nur noch für etwa 150 Jahre aus.

England sieht unter der gleichen Voraussetzung bereits in einer sehr viel kürzeren Zeit, nämlich in 90 ─ 100 Jahren, der völligen Erschöpfung seiner Kohlenvorräte entgegen. Nach einem am 19. Februar d. J. an der Royal statistical Society zu London von R. Price Williams28 gehaltenen Vortrag sollen die in England noch vorhandenen 9 294 Millionen Tonnen Kohlen in etwa 94 Jahren völlig aufgebraucht sein: Große Gebiete wie von Südwales sind bereits in 50 bis 80 Jahren völlig abgebaut. Die Ausfuhr von Kohlen aus England betrug im Jahre 1888 27 Millionen Tonnen, also etwa dreimal soviel wie die Deutschlands.

Hieraus geht hervor, welche große Bedeutung die Kohlenfrage für Deutschland und Europa hat, und wenn der verstorbene Krupp bereits vor einer Reihe von Jahren den Untergang der gesamten europäischen Kultur wegen Erschöpfung seiner Kohlenvorräte in einer ausführlichen Denkschrift29 zu begründen unternommen hat, so wird man in der Tat die ernstesten Befürchtungen in dieser Beziehung hegen müssen. Sehr wohl informierte Großindustrielle, z. B. Freiherr von Stumm, nehmen übrigens an, daß die Kohlenfrage bereits nach 50 Jahren für Europa und Deutschland [ Druckseite 431 ] einen sehr ernsten Charakter annehmen wird, weil dann bereits große Distrikte völlig abgebaut und fast überall die am günstigsten gelegenen Flöze erschöpft sind.

Die Klagen über die stetig zunehmende Verwilderung der jugendlichen und unerwachsenen Arbeiter ist eine allgemeine. Dieselben werden nicht bloß von den Arbeitgebern erhoben, sondern ebensosehr leiden unter ihr die älteren Arbeiter selbst. Während der in der Lehre eines Handwerkmeisters befindliche Lehrling nach beendeter Schulpflicht für eine Reihe von Jahren unter ständiger Aufsicht steht und von den Lehrherrn zum Fleiß, gesitteten Benehmen und ordentlichen Lebenswandel angehalten und dadurch erst seine Erziehung vollendet wird, führen die jugendlichen Arbeiter, welche sich einem anderen Gewerbe widmen, ein viel freieres Leben und entziehen sich, sobald sie das Elternhaus verlassen, meistens einer jeden Aufsicht. Dieses führt zu einer Demoralisierung der Jugend, von welcher die Gerichtssäle erschreckende Beispiele liefern. Aber auch in denjenigen Fällen, in denen die jugendlichen Arbeiter im Elternhaus bleiben, reicht die Autorität der Eltern selten aus, um denselben einen maßgebenden Einfluß auf ihre Kinder zu sichern, namentlich, wenn die Kinder bereits selbst erwerben und ihr Erwerb größer ist, als die Kosten, welche ihr Unterhalt den Eltern verursacht. Von allen Seiten und nicht zum geringsten von den Arbeitern selber wird Beschwerde darüber geführt, wie alle elterliche Autorität solchen Kindern gegenüber vernichtet und wie die Kinder nicht mehr von den Eltern, sondern letztere vielmehr von ihren Kindern abhängen und sich von diesen alles gefallen lassen müssen. Wenn 17jährige Jungens als Schlepper 2,50 M. täglich und mehr verdienen, während sie überall gern für 30. M. für den Monat als Kostgänger aufgenommen werden, so bringt ihr Verbleiben im elterlichen Haus und die Zahlung eines derartigen oder vielleicht etwas höheren Kostgeldes den Eltern so erhebliche finanzielle Vorteile, daß dieselben ihre Autorität nie geltend zu machen wagen aus Furcht, sie könnten dadurch ihre Kinder veranlassen, das Elternhaus zu verlassen. Nur hierdurch läßt sich der große Einfluß erklären, den die jungen Schlepper auf die älteren Bergmannsarbeiter während des Ausstandes ausgeübt haben. Diese Verhältnisse bedürfen dringend der Änderung, und wenn eine starke, resolute Bergarbeiterfrau auf meine Frage, wieviel Kostgeld sie von ihrem Sohn, der 2,50 M. verdiente, erhielte, mir erwiderte: „Wir machen die neue Mode mit dem Kostgeld nicht mit, was der Sohn bis zum Soldatenwerden verdient, muß er abliefern, das gehört uns, die wir ihn bis dahin erzogen haben“, so ist das gewiß der allein richtige Standpunkt, der aber leider jetzt nur noch ausnahmsweise von den Eltern festgehalten wird. Der 17jährige Schlepper, der 2,50 M. verdient und 36 ─ 40 M. Kostgeld gibt, ist der reine Haustyrann, die ganze Familie muß ihn bedienen und ihm zu Willen sein. Namentlich ist dieses der Fall, wenn der Vater verstorben ist und er bei seiner Mutter wohnt. Seine Drohung, fortzugehen und die geringen Vorteile seiner Mutter zu entziehen, machen die letztere oft völlig zur Dienerin eines solchen Jungen.

Diese Übelstände werden auch von den Eltern eingesehen und empfunden und haben z. B. die Saarbrücker Bergarbeiter wiederholt den Antrag gestellt, auf dem Weg des Arbeitsvertrags die Bestimmung zur Einführung zu bringen, daß der von den Minderjährigen verdiente Lohn nicht an diese, sondern an die Eltern und Vormünder zur Auszahlung gelangen möchte. Diese Anträge sind von der Bergwerksverwaltung abgelehnt worden.

Mit der gesetzlichen Beschränkung der Minderjährigen in bezug auf die Verwaltung ihres Vermögens ist die Auszahlung erheblich größerer Summen an dieselben, als zu ihrem Lebensunterhalt notwendig ist, eigentlich unvereinbar und wird [ Druckseite 432 ] von vielen Seiten, namentlich aber von den Arbeitern selbst eine Bestimmung gewünscht, daß die Kinder bis zur erreichten Volljährigkeit im Elternhaus bleiben und unter der Aufsicht der Eltern bzw. der Vormünder stehen sollen, und daß der von den Minderjährigen verdiente Lohn an die Eltern und Vormünder gezahlt oder in öffentlichen Sparkassen niedergelegt wird.

Für diesen Zweck sind bereits im Bezirk der Regierung in Düsseldorf sog. „gesperrte Sparkassenbücher“ eingeführt, auf welche das Guthaben nicht gekündigt werden darf und erst bei Eintritt des vorher bestimmten Ereignisses, also in diesem Fall der Mündigkeit, zurückgezahlt wird. Derartige Sparkassenbücher sind z. B. für alle minderjährigen Arbeiter und Arbeiterinnen in der Fabrik von Franz Brandt[s] in Mönchengladbach eingeführt und haben sich dort außerordentlich bewährt. Bei jeder Lohnzahlung werden die Beträge in das Sparkassenbuch eingetragen und über dieselben bei der nächsten Auslöhnung vom Vater oder Vormund Quittung geleistet. Das Vorgehen der genannten Fabrik beweist die praktische Durchführbarkeit der vorgeschlagenen Bestimmungen.

Vielfach wird es als ein Widerspruch angesehen, denjenigen Personen, welche das allgemeine Gesetz für unfähig erklärt, ihre Interessen selbst wahrzunehmen, ihr Vermögen zu verwalten, sich durch Verträge unbeschränkt zu verpflichten, gleichwohl das Recht zu verleihen, Vereinbarungen zum Behufe der Erlangung günstigerer Arbeits- und Lohnbedingungen zu treffen und die für die Verwertung ihrer Arbeitskraft günstigsten Orte aufzusuchen.30 In dieser Beziehung die Rechte der Minderjährigen zu beschränken, wird für um so notwendiger gehalten, als die beim Ausstand gemachten Erfahrungen die großen wirtschaftlichen und politischen Gefahren dargetan haben, welche mit der Einräumung dieser Rechte an solche Personen, welche noch nicht das gehörige Alter erreicht haben, um die Folgen ihrer Handlungen richtig beurteilen zu können, verbunden sind. Fast überall haben die jugendlichen Arbeiter an der Spitze der Ausstandsbewegung gestanden, die älteren, ruhigen Arbeiter auf das maßloseste terrorisiert; die vorgekommenen Ausschreitungen, welche zahlreiche Familien ins Elend gebracht haben, sind zum größten Teil auf ihr Konto zu setzen. Es wäre sehr erwünscht, wenn die Minderjährigen im elterlichen Haus, und, wo dieses nicht angängig, wenigstens in der unmittelbaren Nähe der Eltern blieben, damit diese ihren Lebenswandel beaufsichtigen und sie zur Zucht und zur Ordnung anhalten können. Hierdurch würden die jetzt bereits bedenklich gelockerten Familienbande wieder befestigt, die Autorität der Eltern gestärkt werden.

Besonders wird auch der Erziehung der weiblichen Arbeiter durch Errichtung von Haushaltungsschulen usw. ein größeres Interesse zuzuwenden empfohlen. Dem Haushalt der Arbeiter ist es stets anzusehen, ob demselben eine Frau vorsteht, die ordentlich ist und gut kochen kann. Ist dieses der Fall, so können die Arbeiter mit einem mäßigen Lohn auskommen, während leichtsinnige und unwirtschaftliche [ Druckseite 433 ] Frauen selbst mit höheren Löhnen die Familie zweckentsprechend zu ernähren und zu bekleiden außerstande sind.

Endlich wird auf die Inkonsequenz aufmerksam gemacht, die darin liegt, daß diejenigen, welche nach der Ansicht der allgemeinen Gesetzgebung noch nicht das nötige Alter und die nötige Reife des Geistes besitzen, um ihre eigenen Privatangelegenheiten besorgen und verwalten zu können, gleichwohl das Recht haben, die Angelegenheiten der Staats- und Gesellschaftsgemeinschaft in öffentlichen Versammlungen zu beraten und darüber Beschlüsse zu fassen.31 In den während des Arbeiterausstands stattgefundenen öffentlichen Versammlungen sind oft 1/3 der Teilnehmer junge Burschen gewesen, die durch ihr wüstes Geschrei die ruhigen Elemente zum Schweigen gebracht und zum Rückzug genötigt haben.

aIn Rheinland und Westfalen ist vielfach die Erfahrung gemacht worden, daß die ansässigen Bergarbeiter sich weniger an dem Ausstand beteiligt und sich entweder wie im Werdener Revier von dem Ausstand ganz ferngehalten oder sich demselben erst sehr spät32, meistens aus Furcht vor den anderen ausständigen Arbeitern angeschlossen und die Arbeit wieder zuerst aufgenommen haben. Es wird dieses dadurch erklärt, daß zwischen den Arbeitgebern und den angesessenen Arbeitern ein ungleich besseres Verhältnis besteht und der Besitz von Grund und Boden33 es auch den letzteren ermöglicht, eine vorübergehende Einschränkung der Produktion und Verminderung der Lohnbezüge ohne erhebliche wirtschaftliche Nachteile leichter ertragen zu können. Da die angesessenen Arbeiter auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft in den benachbarten Gruben angewiesen34 sind, so ist bei ihnen eine schroffe oder gar feindselige Haltung diesen gegenüber nicht zu befürchten. Die Seßhaftmachung der Arbeiter wird vielfach als ein Mittel zur Verminderung der Ausstandsgefahren angesehen. Besonders hängen die Frauen sehr am Garten und der Scholle und wissen die Vorteile zu würdigen, die ihnen daraus erwachsen, daß sie ihren Bedarf an Gemüse, Kartoffeln etc. nicht zu kaufen brauchen, sondern denselben selbst zu erzeugen vermögen.a 35

aDie Industriellen Westfalens beschweren sich jedoch darüber, daß die Anforderungen36 der Gemeinden und besonders der Kirche bei der Errichtung neuer Ansiedelungen vielfach das berechtigte Maß übersteigen, daß keine einheitlichen Grundsätze bei der Behandlung dieser Fragen zur Anwendung kommen ─ einige Gemeinden verlangen z. B., daß die von den Grubenverwaltungen zu übernehmenden Kosten durch Einzahlung eines entsprechenden Kapitals sichergestellt werden, während [ Druckseite 434 ] andere sich mit der Verpflichtung der Grubenverwaltung zur dauernden Zahlung gewisser Summen begnügen ─ und daß namentlich der Geschäftsgang bei der Bearbeitung der Ansiedelungssachen ein sehr schwerfälliger und langsamer ist. Auch von mehreren Lokalverwaltungsbehörden ist mir gegenüber anerkannt worden, daß diese Beschwerden zum Teil nicht unberechtigt sind, und daß bei einer eingehenden Prüfung dieser Frage sich allgemeine Grundsätze für die Behandlung der Ansiedelungssachen würden aufstellen lassen, welche den berechtigten Ansprüchen der Gemeinden gerecht werden, und die Ansiedelung der Arbeiter, die auch von ihnen sehr gewünscht wird, wesentlich erleichtern würden.a 37

Die Haupthetzer und Schürer der Ausstandsbewegung sind die Kleinhändler und Schankwirte gewesen, nicht bloß deshalb, weil ihnen naturgemäß der Hauptvorteil einer jeden Lohnerhöhung zufällt, sondern auch, um die Arbeiter von der richtigen Erkenntnis der eigentlichen Ursache ihrer Notlage, die in der Ausbeutung beim Verkauf der Lebensmittel auf Kredit bestehen, abzulenken. Von diesen Leuten ist die Ausstandsbewegung sehr energisch unterstützt worden; sie haben den Arbeitern, welche bei ihnen Kredit genossen, die Verlängerung desselben und die Fortgewährung der Waren auf Kredit zugesagt, ja sogar in Schlesien die Reisekosten für die Deputation der Arbeiter zusammengebracht, welche nach Berlin gekommen war, um eine Audienz bei Seiner Majestät zu erbitten.

Zur erfolgreichen Bekämpfung dieser Mißstände wird die Gründung von Konsumvereinen empfohlen. Durch diese wird der Arbeiter durch Beseitigung des Borgsystems zur wirtschaftlichen Selbständigkeit erzogen und vor einer Ausbeutung durch den Kleinhandel wirksam geschützt. Die Errichtung von Konsumvereinen wird somit als ein Mittel zur Verminderung der Ausstandsgefahren bezeichnet, indem dieselben den Arbeitern die Beschaffung ihrer Lebensbedürfnisse zu billigeren Preisen ermöglichen und somit die Kaufkraft des von ihnen bezogenen Lohns erhöhen.

Wie mir mitgeteilt worden ist, hat eine unrichtige Auslegung der Bestimmung in § 115 der Gewerbeordnung38 seitens einzelner Staatsanwälte und Gerichte in Rheinland und Westfalen vielfach die Errichtung von Konsumvereinen seitens der Arbeitgeber gehindert. Es ist dort nämlich gegen solche Arbeitgeber, welche lediglich im Interesse der Arbeiter Lebensmittel eingekauft und an dieselben überlassen haben, strafrechtlich vorgegangen und gegen sie auch auf Strafe anerkannt worden, weil sie in die den Arbeitern in Rechnung gestellten Preise auch einen gewissen Prozentsatz für Generalkosten eingerechnet hatten, obwohl natürlich die Generalkosten sich für die einzelnen Artikel nicht genau berechnen lassen.

Von den Arbeitern wird allgemein eine staatlich organisierte Vertretung ihrer Interessen gefordert, nachdem alle übrigen Erwerbszweige, sei es durch den Staat oder wenigstens mit Zustimmung desselben, eine solche erhalten haben. Dieser Gedanke begegnet jedoch dem fast einmütigen Widerspruch der Industriellen, die von der Ausführung desselben eine Schwächung ihrer Autorität als Arbeitgeber und die Schaffung einer Nebenregierung, durch welche sie in der Ausübung ihrer Rechte beschränkt und gehindert werden würden, ernstlich befürchten. Meines Dafürhaltens kann diesen Bedenken jedoch bei dem heutigen Stand der Arbeiterbewegung eine [ Druckseite 435 ] durchschlagende Bedeutung nicht beigemessen werden. Alle Ausstände der letzten Jahre haben den Beweis geliefert, daß die Arbeitermassen schon jetzt unter dem bestimmenden Einfluß einer Nebenregierung stehen, die sich in den weitaus meisten Fällen in sozialdemokratischen, stets aber in solchen Händen befindet, die den berechtigten Interessen der Arbeitgeber alle Anerkennung versagen und den Kampf gegen dieselben auf ihre Fahne geschrieben haben. Durch die staatliche Organisation einer Arbeitervertretung kann also eine Nebenregierung nicht geschaffen werden, da eine solche bereits besteht. Daß die jetzige sozialdemokratische Nebenregierung den Interessen der staatlichen Ordnung und der Arbeitgeber so feindlich ist, wie keine andere es sein kann, erscheint zweifellos. Da nun die neu zu organisierende Vertretung einen maßgebenden Einfluß auf die Arbeiter nur dann zu gewinnen vermag ─ und nach diesem Einfluß wird und muß sie doch unbedingt streben ─, wenn es ihr gelingt, die sozialdemokratische Nebenregierung aus dem Feld zu schlagen, so ist ein Kampf zwischen den beiden Vertretungen unvermeidlich. Wer aus demselben als Sieger hervorgehen wird, läßt sich mit Sicherheit nicht voraussagen. Von den besonnenen, ruhigen Elementen unter der Arbeiterbevölkerung wird jedoch die Hoffnung gehegt, daß sie in dieser Bewegung die Oberhand gewinnen und daß, wenn sie durch ein vertrauensvolles Vorgehen des Staats auf dem Gebiet der Arbeitervertretung gegen die sozialdemokratischen und anarchistischen Strömungen gestärkt werden, es ihnen gelingen wird, die letzteren zurückzudrängen. Die Großindustriellen behaupten, daß eine derartige Arbeitervertretung in ruhigen Zeiten unnötig, in bewegten aber nutzlos sei, weil dann doch wieder die bei ruhigen Zeiten zurückgedrängten extremen Arbeiterelemente zur Herrschaft gelangen würden, die Arbeiter sind jedoch der Ansicht, daß in ruhigen Zeiten eine solche Arbeitervertretung sehr nützlich wirkt und daß sie in bewegten keineswegs schaden könne.

Die größten Bedenken haben die Arbeitgeber gegen die für einzelne größere gewerbliche Unternehmungen einzusetzenden Arbeiterausschüsse; wenn eine Arbeitervertretung sich nicht vermeiden läßt, würden sie sich noch lieber mit derartigen Organisationen für einen größeren Bezirk (Arbeiterkammern) einverstanden erklären. Aus Anlaß des Bergmannsausstands sind einzelne Arbeitgeber mit der Errichtung von Arbeiterausschüssen vorgegangen. Die vom Fürsten von Pleß39 in dieser Beziehung erlassene Anweisung ist als Anlage gehorsamst beigefügt.40 Nach Inhalt derselben sind nur diejenigen Arbeiter wahlberechtigt, welche das 21. Lebensjahr zurückgelegt und 3 Jahre auf den fürstlichen Gruben beschäftigt sind, wogegen das passive Wahlrecht die Zurücklegung des 25. Lebensjahres und eine 5jährige Beschäftigungsdauer voraussetzt. Nach der mir zugegangenen Mitteilung hat dieses Vorgehen des Fürsten von Pleß unter den Arbeitern allgemeine Anerkennung und Befriedigung hervorgerufen und sind bei den stattgehabten Wahlen nur ruhige, besonnene, ältere Arbeiter gewählt worden, die sämtlichen sog. „Deputierten“ des Ausstands aber durchgefallen.

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Der im Kreis der Industriellen zur Erörterung gelangte Vorschlag, zunächst für den Bergbau derartige Konferenzen für die Oberbergamtsbezirke oder gewisse wirtschaftlich selbständige Teile derselben zur Einführung zu bringen, hat bei denselben allseitige Zustimmung gefunden. Die Konferenzen würden unter der Leitung des Berghauptmanns stehen und auf denselben alle die Arbeiter berührenden, den ganzen Bezirk gemeinsamen Angelegenheiten zur Beratung gelangen, die nicht lediglich privatrechtlicher Natur sind. Als solche Gegenstände würden in Frage kommen: 1. Allgemeine Maßregeln für Gesundheit und Sicherheit; 2. Schichtdauer; 3. Art der Lohnzahlung und Dauer der Löhnungsperioden; 4. Grundsätze für das Nullen41; 5. Ausbildung der Bergmannsarbeiter; 6. Beschäftigung jugendlicher Arbeiter.

Ein besonderer Wert wird diesen Konferenzen seitens der Grubenbesitzer auch aus dem Grund beigelegt, um ihnen und den beteiligten Arbeitern einen größeren Einfluß auf die Entschließungen der Bergbehörden zu sichern, adie jetzt vielfach eine Berücksichtigung der realen Bedürfnisse vermissen ließen; vorzugsweise soll dieses bei dem Erlaß von Polizeiverordnungen, z. B. über die Seilfahrt, der Fall gewesen sein, die vielfach über das bei dem heutigen Stand der Technik berechtigte und notwendige Maß hinausgingen.a 42

Allgemein wird es als ein großer Übelstand empfunden, daß unsere Strafgerichte zu langsam arbeiten; dieser Übelstand tritt bei den Vergehen gegen die öffentliche Ordnung (Widerstand gegen die Staatsgewalt, gewaltsame Verhinderung an der Arbeit) besonders scharf hervor. Während in Frankreich derartige Vergehen in wenigen Tagen zur Aburteilung gelangen, vergehen bei uns viele Wochen und Monate. Dadurch verliert die Strafe den größten Teil ihrer Wirkung.

Zwar bestimmt § 211 der Strafprozeßordnung43: „Vor dem Schöffengericht kann ohne schriftlich erhobene Anklage ... zur Hauptverhandlung geschritten werden, wenn der Beschuldigte entweder sich freiwillig stellt oder infolge einer vorläufigen Festnahme dem Gericht vorgeführt oder nur wegen Übertretung verfolgt wird.“

Da aber selbst die Vergehen gegen § 153 der Gewerbeordnung (Zwang zur Arbeitseinstellung usw.) erst durch Beschluß des Gerichts den Schöffengerichten überwiesen werden müssen, so findet die Bestimmung im § 211 der Strafprozeßordnung nicht einmal auf diese Vergehen Anwendung. Gerade bei diesen Vergehen gegen die öffentliche Ordnung wird es aber für besonders notwendig erachtet, daß die Strafe denselben möglichst auf dem Fuß folgt.

Ferner ist die Bestimmung des Gerichtsverfassungsgesetzes44, nach welcher die Strafabteilungen für das ganze Jahr im voraus gebildet werden müssen, einer schleunigen Aburteilung der Vergehen sehr hinderlich, wenn dieselben ausnahmsweise sehr zahlreich vorkommen, wie solches bei dem Bergmannsausstand der Fall gewesen ist.

Über die Haltung der Gerichte bei der Untersuchung und Aburteilung der bei dem Bergarbeiterausstand vorgekommenen Ausschreitungen wird von keiner Seite Klage geführt, im Gegenteil anerkannt, daß die Gerichte durch ihr energisches Einschreiten die Verwaltungsbehörden in der Bekämpfung dieser Ausschreitungen sehr wirksam [ Druckseite 437 ] unterstützt haben. Sowohl in Rheinland-Westfalen wie in Schlesien haben die Gerichte diejenigen Arbeiter, welche sich am Ausstand beteiligt hatten und ohne Beschäftigung waren, für fluchtverdächtig erklärt und demgemäß die Zulässigkeit der Untersuchungshaft für dieselben anerkannt. Gleichwohl wird empfohlen, den § 231 der früheren Kriminalordnung45, nach welchem die Verhaftung auch ausgesprochen werden konnte, wenn bei der allgemeinen Störung und der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eines Bezirks zu besorgen ist, daß der Angeschuldigte seine Freiheit zur fortgesetzten Beleidigung seiner Mitbürger oder zur Verübung von Verbrechen und Vergehen mißbrauchen werde, wiederherzustellen.

Ebenso wird die strafrechtliche Ahndung der Verleitung zum Vertragsbruch für wünschenswert gehalten. Zwar haben die rheinisch-westfälischen Gerichte aufgrund des § 110 des Strafgesetzbuchs, welcher lautet:

„Wer öffentlich vor einer Menschenmenge oder durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag zum Ungehorsam gegen Gesetze ... auffordert, wird mit Geldstrafe bis zu 600 M. oder mit Gefängnis bis zu 2 Jahren bestraft“,

die öffentliche Verleitung zum Vertragsbruch für strafbar erklärt, weil das Berggesetz eine 14tägige Kündigung vorschreibt, die Verleitung zur Niederlegung der Arbeit ohne Kündigung mithin eine Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze ist. Aber diese Auslegung des § 110 wird von vielen Juristen für eine mindestens sehr anfechtbare erachtet. Außerdem gestattet der § 110 nur die öffentliche Verleitung zum Vertragsbruch, während die Verleitung für ebenso strafbar gehalten wird, wenn sie, was in der Regel der Fall, nicht öffentlich geschieht.

Endlich wird die Einführung von Rückfallstrafen bei Beleidigung, Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt und bei den durch die Presse begangenen Beleidigungen die subsidiäre Haftung des Verlegers für die wegen Beleidigung erkannten Geldstrafen wenigstens in dem Fall befürworten, daß gegen den Redakteur auf die Strafe des Rückfalls erkannt worden ist. Es ist bekannt, welchen hervorragenden Anteil die demagogische Zentrumspresse an dem Ausbruch des Ausstandes in Rheinland-Westfalen hat, und daß an der Spitze der ärgsten Hetzblätter ein Name steht (Fußangel [recte: Fusangel46]) der in einigen Jahren ein Dutzend Mal wegen Beleidigung bestraft worden ist.

Eine wesentliche Verschlechterung der allgemeinen Arbeiterverhältnisse wird in der Art des Strafvollzugs, insbesondere in der Art der Beschäftigung der Strafgefangenen gefunden, indem namentlich in den Zuchthäusern die ganze Behandlung und Beschäftigung der Gefangenen eine dem Zweck der Strafe so wenig entsprechende ist, daß tatsächlich ein großer Teil der Verbrecher diese Behandlung und Beschäftigung gar nicht als Strafe empfindet.

Nach den in anderen Ländern gemachten Erfahrungen begegnet die Beschäftigung der Strafgefangenen in den Gruben keinen wesentlichen Bedenken. Übrigens hat in Schlesien seit vielen Jahren eine Beschäftigung der Strafgefangenen im Bergbau stattgefunden und findet noch statt. Wenn die früher bestandene Beschäftigung [ Druckseite 438 ] derselben unter Tage aufgehoben worden ist, weil einige Gefangene durch schlagende Wetter getötet wurden, so ist es meines Erachtens eine sehr unberechtigte Humanität, die in der Verunglückung einer entsprechenden Anzahl freier Arbeiter ein geringeres Übel erblickt.

Die Beschäftigung der Gefangenen im Bergbau sichert der Staatsverwaltung bei ausbrechenden Ausständen unbedingt ihren Bedarf an Kohlen. Zum Betrieb einer Grube mit einer Jahresproduktion von etwa 500 000 Tonnen sind gegen 1 500 Arbeiter nötig, von denen etwa {1/4} über Tage und {3/4} unter Tage arbeiten, von den letzteren entfallen auf die Kohlengewinnung und Förderung ungefähr 750 Personen, und zwar annähernd je zur Hälfte Hauer und Förderleute. Da die Hauer durchweg, die Förderleute etwa zur Hälfte geschulte und mit ihren Verrichtungen vertraute Bergarbeiter sein müssen, so sind zu einer solchen Grube etwa 500 eigentliche Bergarbeiter notwendig. Da die Staatseisenbahnverwaltung jährlich etwa 2 {1/2} Millionen Tonnen Kohlen braucht, so würde ihr Bedarf durch 5 solcher mit Gefangenen betriebenen Gruben gedeckt und sichergestellt sein; hierzu würden also 7 500 Gefangene, von denen 2 500 bergmännische Ausbildung besitzen müßten, gehören. Bei dieser Gelegenheit darf ich erwähnen, daß ein humaner Grubenbesitzer in Essen die Anordnung getroffen hat, daß die aus der Strafhaft entlassenen Bergarbeiter auf einer seiner Gruben so lange beschäftigt werden, bis sie anderweit Arbeit gefunden, und daß diese Einrichtung, wie ich von Arbeitern dieser Grube selbst gehört, unter den anderen Arbeitern derselben keine Mißstimmung erweckt, sondern auch von diesen die edle Absicht des Werkbesitzers ganz anerkannt wird.

Von allen Seiten wird als ein sehr wirksames Mittel zur Verhütung von Bergarbeiterausständen die Ansammlung möglichst großer Kohlenvorräte betrachtet. Namentlich wenn die Halden der Gruben entsprechende Vorräte haben, würden die Arbeiter weniger geneigt sein, sich leichtsinnig an Ausständen zu beteiligen, weil der Erfolg derselben dadurch sehr erheblich in Frage gestellt wird. Nach dem Berggesetz ist die Staatsaufsichtsbehörde befugt, die zur Sicherung des Bergwerksbetriebs notwendigen Anordnungen zu treffen. Der letzte Ausstand hat dargetan, daß diejenigen Gruben, welche ganz von Kohlenvorräten entblößt waren, in großer Gefahr waren, die für ihre Wasserhaltungsmaschinen notwendigen Kohlen nicht beschaffen zu können, und daß diese Gefahr vielfach mit Aufbietung aller Kräfte kaum hat abgewendet werden können. Da eine Unterbrechung der Wasserförderung die Existenz des Bergwerks selbst gefährden würde, so gehört ein Vorrat an Kohlen, um die Wasserhaltungsmaschinen bei einem Ausstand längere Zeit in Tätigkeit halten zu können, wohl zur Sicherung des Betriebs und möchte demgemäß das dauernde Vorhandensein eines solchen Vorrats von der Aufsichtsbehörde angeordnet werden können.

Die öffentlichen Anstalten haben vielfach bei Ausbruch des Ausstandes ausreichende Vorräte von Kohlen nicht gehabt. Für die Eisenbahnverwaltung ist inzwischen Anordnung ergangen und ist dieselbe wohl schon völlig zur Durchführung gelangt, daß dieselben einen 6wöchentlichen Reservebestand außer dem 3wöchentlichen Kriegsvorrat halten sollen. Die gleiche Anordnung ist an die übrigen Staatsanstalten ─ Werften, Munitionsfabriken usw. ─ noch nicht erlassen.

Ebensowenig sind die Gemeinden, welche Gasanstalten und Wasserleitungen besitzen, angewiesen worden, die für einen längeren Betrieb notwendigen Kohlen dauernd in Reserve zu halten. Einzelne Gemeinden, namentlich solche in nächster Nähe des Kohlenreviers (z. B. Essen), wurden von dem Ausstand so völlig unvorbereitet überrascht, daß ihre Gasanstalten und Wasserleitungen nur für einige Tage Kohlen [ Druckseite 439 ] vorrätig halten und sie nur mit äußerster Anstrengung den Betrieb dieser Anstalten, zu dessen Einschränkung sie bereits zum Teil genötigt waren, notdürftig aufrechterhalten konnten. Nach der Anweisung des hiesigen Magistrats müssen die Gasanstalten stets einen 10wöchentlichen Kohlenvorrat haben, und diesen großen Beständen ist es mit zu verdanken, daß beträchtliche Quantitäten oberschlesischer Kohlen nach Ausbruch des Ausstandes nach Westfalen an Krupp und andere haben geliefert werden können. Die Anweisung des Magistrats beweist übrigens, daß die Befürchtungen wegen erheblicher Qualitätsverminderung bei längerer Lagerung sehr übertrieben sind, obschon die Gaskohlen mehr wie andere Kohlensorten durch eine solche leiden.

Im rheinisch-westfälischen Kohlenrevier waren die bei Ausbruch des Ausstands auf den Halden der Gruben lagernden Kohlenvorräte sehr gering, dagegen hatten Saarbrücken und namentlich Oberschlesien größere Bestände. Überhaupt ist die Lagerung auf den Halden eine beschränkte und namentlich in Westfalen verhältnismäßig kostspielig, da der Grund und Boden schwer und nur zu hohen Preisen zu haben ist. Außerdem macht die Lagerung auf den Halden stets eine doppelte Be- und Entladung notwendig, wodurch Kosten verursacht werden und Qualitätsverschlechterung eintritt. Vorteilhafter ist es, die Lagerung möglichst an solchen Orten zu bewirken, an denen die Preise des Grund und Bodens billig und die ohnehin als die natürlichen Lagerplätze der großen Kohlenmassen anzusehen sind, nämlich an den großen Wasserstraßen. Allein in den Rheinhäfen von Ruhrort und Duisburg haben zu Beginn des Ausstands lediglich zur Befriedigung der laufenden Bedürfnisse des Konsums und ohne daß die Bestände des Ausstands wegen etwa erhöht worden sind, gegen 5 Millionen Zentner Kohlen gelagert. Diese Tatsache allein beweist, welches die natürlichen Lagerstätten für große Reservevorräte sind. Da die Schiffahrt nirgends eine regelmäßige ist und die Schiffsfrachten beträchtlichen Schwankungen unterliegen, so werden die Kohlen an den großen Wasserstraßen in erheblichen Quantitäten gelagert, um die für ihre Versendung günstigsten Zeiten auswählen zu können; die Kosten, welche die doppelte Be- und Entladung sowie die Lagerung der Kohlen verursachen, werden mehr als reichlich aufgewogen durch die Vorteile, welche die Ausnutzung der günstigsten Transportgelegenheit bietet. Die Lagerung an den großen Wasserstraßen bietet außerdem den Vorteil, daß die Kohlen bei Ausständen ohne Vermehrung der Transportkosten dorthin gebracht werden können, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

Neben den großen Wasserstraßen eignen sich diejenigen Orte besonders zur Aufspeicherung von Reservebeständen, welche selbst große Kohlenmassen verbrauchen wie die Zentren der Industrie und der Großstädte. Auch an diesen Orten pflegt der Großhandel große Quantitäten auf Lager zu haben, um sie jederzeit an den Konsum abgeben zu können. Da jedoch in den Großstädten der Grund und Boden sehr teuer ist, so würde die Lagerung an gewissen günstig gelegenen Bahnkreuzungspunkten den Vorzug verdienen, welche ohnehin von den großen Kohlentransporten berührt werden müssen.

Von fast allen Bergarbeitern ist mir gegenüber die Herbeiführung einer besseren Ausbildung des Bergmannstandes dringend befürwortet worden. Während früher die Ausbildung der Bergarbeiter handwerksmäßig geregelt war, dergestalt, daß die jugendlichen Arbeiter als Schlepper eintreten mußten, dann nach einer mehrjährigen Beschäftigung zu Lehrhauern ernannt wurden und nach einer weiteren längeren Beschäftigung und nachdem sie ihre Qualifikation vor dem Revierbeamten dargetan hatten, ihre Ernennung zu Vollhauern ausgesprochen und ihnen durch ein Attest [ Druckseite 440 ] bescheinigt wurde, findet jetzt ─ außer in Niederschlesien ─ eine Kontrolle über die Ausbildung der Grubenarbeiter seitens der Bergbehörden nicht mehr statt. Hierdurch sind mannigfache Nachteile entstanden. Zunächst hat die Beschäftigung ungenügend vorgebildeter Grubenarbeiter in verantwortlichen Stellen eine erhebliche Steigerung der Unfälle im Gefolge gehabt. Außerdem wird durch eine mangelhafte Ausbildung die Arbeitsleistung der Grubenarbeiter wesentlich beeinträchtigt und dadurch unter denselben vielfach Unzufriedenheit erweckt und befördert, die sie den Einflüssen gewissenloser Agitatoren leichter zugänglich macht und somit die Ausstandsgefahr vergrößert. Endlich ist durch die Aufhörung jeder Kontrolle über die Ausbildung die Autorität der älteren Bergarbeiter den jüngeren gegenüber erschüttert und das Eindringen fremder, unzufriedener Elemente in den Bergmannsstand erleichtert und dadurch die soziale Stellung des Bergmannsstandes herabgedrückt, was von den älteren Bergarbeitern besonders beklagt wird. Namentlich in Rheinland-Westfalen, wo die beträchtliche Steigerung der Kohlenproduktion durch den natürlichen Nachwuchs von Arbeitern nicht befriedigt werden konnte, sind in erheblichem Umfang fremde, vorzugsweise polnische Arbeiter herangezogen worden, so daß man, wie mir ein Knappschaftsarzt versicherte, in manchen Orten Westfalens mit Polnisch besser fortkomme wie mit Deutsch. Durch diese Umstände ist die Autorität der älteren erfahrenen Arbeiter geschwächt; nicht sie, sondern die halberwachsenen Jungen „kommandieren“, und die alten Vollhauer müssen sich alles mögliche von ihren Schleppern und Lehrhauern gefallen lassen und werden bestraft, wenn sie besonders naseweises und ungebührliches Benehmen einmal mit einer körperlichen Züchtigung ahnden. Die Folge davon ist, daß der alte Bergmannsstand immer mehr und mehr verschwindet, die Knappschaftstracht kaum noch getragen wird und niemand mehr stolz auf seine Zugehörigkeit zu diesem Stand ist. Eine Änderung dieser Verhältnisse wird von den eigentlichen Bergarbeitern dringend gewünscht und die Wiedereinführung der früheren Bestimmungen über die Ausbildung der jungen Arbeiter und die Verleihung des Vollhauergrads durch die Bergbehörde erbeten. Außerdem halten sie es zur Stärkung der Autorität der älteren Arbeiter für geboten, daß die den Vollhauern zur Ausbildung überwiesenen Arbeiter (Lehrhauer) ihrer väterlichen Zucht nach Analogie der in der Gewerbeordnung für das Lehrlingsverhältnis erlassenen Bestimmungen unterstellt werden.

Die Werkbesitzer sind in der günstigen Beurteilung einer derartigen Ausbildung der Grubenarbeiter für die Hebung des Standesbewußtseins mit den älteren Bergarbeitern völlig einig. Die Werkbesitzer in Rheinland-Westfalen halten jedoch eine derartige Beschränkung in der Annahme und Verwendung der Grubenarbeiter für nachteilig, weil ihnen dadurch die Erlangung der nötigen Arbeitskräfte in Zeiten gesteigerter Nachfrage nach Kohlen wesentlich erschwert werden würde. Letzteres Bedenken ließe sich dadurch abschwächen, daß der Bergbehörde die Befugnis beigelegt wird, in solchen Zeiten vorübergehend die Beschäftigung nicht hinlänglich ausgebildeter Grubenarbeiter für Arbeiten, welche besondere Erfahrung und technische Fertigkeiten nicht bedingen, gestatten zu dürfen.

Bei dieser Gelegenheit darf ich erwähnen, daß vielfach über eine Überbürdung der Revierbeamten geklagt wird, die es denselben erschwert, sich derjenigen Interessen in wirksamer Weise anzunehmen, zu deren Vertretung sie vorzugsweise berufen sind.

Die Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter haben in Rheinland-Westfalen die Beschäftigung derselben beim Bergbau [ Druckseite 441 ] wesentlich erschwert, in Oberschlesien fast unmöglich gemacht. Der Bundesrat hat zwar einige Erleichterungen nachgelassen, aber nur für Gruben, deren Betrieb auf doppelte tägliche Arbeitsschicht eingerichtet ist.47 Dieses genügt nicht, da die Mehrzahl der Gruben sich nicht in dieser Lage befindet. In Rheinland-Westfalen können die jugendlichen Arbeiter noch in ausgedehnterem Maß bei den Aufbereitungsarbeiten Verwendung finden, besonders, da die Kohlen sehr unrein sind. In Oberschlesien fällt diese Arbeit vielfach fast ganz fort und sind die Beschränkungen der Gewerbeordnung so hinderlich, daß bei einer Gesamtbelegschaft von 41 900 Personen nur 147 jugendliche Arbeiter und z. B. auf der fiskalischen Königin-Luise-Grube bei etwa 6 000 Arbeitern nur 3 jugendliche Arbeiter beschäftigt werden. Dadurch wird den heranwachsenden Kindern der Bergarbeiter nicht nur eine lohnende Erwerbsquelle entzogen, sondern der Nachwuchs wird nicht selten zum Nachteil des Bergbaus dem Gewerbe der Väter ganz entfremdet. Die meisten jugendlichen Arbeiter finden aber in den Bezirken, die fast ganz von Bergleuten bewohnt sind, überhaupt keine Beschäftigung; die Folge davon ist, daß die mit dem 14. Lebensjahr aus der Schule entlassene und bis zum 16. Lebensjahr ohne Beschäftigung bleibende Jugend, welche von den ihrer Arbeit nachgehenden Vätern nicht beaufsichtigt werden kann, ganz verwildert, durch Sachbeschädigungen und Diebstähle die Gegend unsicher macht und das Deutsch, was sie in der Jugend gelernt, in diesen beiden Jahren wieder fast ganz verlernt.

In bergmännischen Kreisen hält man die Beseitigung der Hindernisse, welche einer ausgedehnteren Verwendung der jugendlichen Arbeiter im Wege stehen, für dringend geboten.48 Man ist der Ansicht, daß die jugendlichen Arbeiter unter Ausschluß von schweren und anstrengenderen Arbeiten auch unter Tage und in Nachtschichten mit Vorteil für die Eltern und das Gewerbe und ohne Nachteil für ihre Gesundheit und körperliche Entwicklung beschäftigt und daß namentlich die Ruhepausen bei 6- und 8stündiger Schicht fortfallen und bei 10- und 12stündiger Schicht auf eine Stunde beschränkt werden könnten.

Sehr wirksam hat sich beim letzten Ausstand das sofortige Schließen der Schankstätten, in denen Arbeiter verkehren, erwiesen. Die Ausstandsbewegung hatte zunächst in den Schankwirten ihre eifrigsten Förderer, weil der Vorteil der Lohnerhöhung namentlich der jugendlichen Arbeiter vornehmlich ihnen zugute gekommen wäre. Nachdem die Schankstätten geschlossen waren, änderte sich sofort die Haltung der Schankwirte und sie mahnten zur Verständigung und zur Ruhe. Bei dem Einfluß, den erfahrungsgemäß die Schankwirte auf die bei ihnen dauernd verkehrenden Arbeiter haben, ist diese Ermahnung nicht ohne Wirkung gewesen.

[ Druckseite 442 ]

Die Schankwirte würden von vornherein zur Unterstützung des Ausstandes wenig geneigt gewesen sein, wenn sich in der Gewerbeordnung eine Bestimmung befände, daß bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung die Schließung der Schankstätten ohne Entschädigung gefordert werden kann. Jetzt wird dieses Recht der Verwaltungsbehörde von manchen Seiten streitig gemacht, und es sollen sogar Prozesse auf Gewährung einer Entschädigung wegen Schließung anhängig gemacht sein. Ein Landwirt soll sogar die Schankwirte direkt aufgefordert haben, ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen, um deren Erstattung von den Gemeinden als Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung zu veranlassen.

Endlich wird eine Vermehrung und Verbesserung der Polizei in den Ausstandsgebieten für erforderlich erachtet. Selbst in Städten wie Essen hat es an geeigneten Polizeibeamten zur Überwachung der Versammlungen mit Rücksicht auf die große Zahl derselben gefehlt und wird es wesentlich diesem Umstand zugeschrieben, daß die Behörden sich nicht über den Fortgang der Bewegung hinreichend haben informieren können. Man hält es für erforderlich, daß bei einem derartigen Ausstand einige Regierungssekretäre sofort den betreffenden Polizeibehörden für diesen Zweck überwiesen werden.

Zur Verstärkung der Polizeimacht hat man im Essener Revier vielfach die besseren Arbeiter als Hilfsorgane der Polizei vereidigt, was sich als sehr zweckmäßig erwiesen haben soll.

Schließlich erlaube ich mir noch, dem einstimmigen Wunsch der Industriellen des rheinisch-westfälischen Reviers auf Errichtung einer eigenen Regierung für dasselbe Ausdruck zu geben. In diesen Kreisen ist man allgemein von der Notwendigkeit der politischen Vereinigung der beiden, jetzt verschiedenen Provinzen angehörigen Teile dieses großen einheitlichen Wirtschaftsgebietes überzeugt.

Registerinformationen

Regionen

  • Dortmund, Landkreis
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Orte

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  • Zaborze (Kreis Zabrze)

Personen

  • Bismarck, Otto Fürst von (1815–1898) , Reichskanzler, preußischer Ministerpräsident, preußischer Handelsminister
  • Brandts, Franz (1834–1914) , Textilfabrikbesitzer in Mönchengladbach
  • Fusangel, Johannes (1852–1910) , Redakteur der „Westfälischen Volkszeitung“ in Bochum
  • Grillo, Friedrich (1825–1888) , Bergwerksbesitzer in Essen
  • Krupp, Alfred (1812–1887) , Stahlindustrieller in Essen
  • Lohmann, Theodor (1831–1905) , Geheimer Oberregierungsrat im Reichsamt des Innern
  • Pleß, Hans Heinrich XI. Fürst von (1833–1907), Freier Standesherr auf Schloß , Fürstenstein (Kreis Waldenburg)
  • Stumm, Karl Ferdinand (1836–1901) , Eisenhüttenwerkbesitzer in Neunkirchen/Saar (Kreis Ottweiler), MdPrHH, MdR (Deutsche Reichspartei)
  • Wilhelm H. (1859–1941) , Deutscher Kaiser und König von Preußen
  • Williams, Richard Price (1827–1916) , englischer Ingenieur

Firmen

  • Königin-Luise-Grube in Königshütte (Królewska Huta)
  • Königsgrube in Königshütte (Królewska Huta)
  • Königshütte in Königshütte (Królewska Huta)
  • Krupp, Gußstahlfabrik in Essen
  • Zeche Alma, Ückendorf bei Gelsenkirchen
  • Zeche Rhein-Elbe, Ückendorf bei Gelsenkirchen

Sachindex

  • Agitation
  • Aktien
  • Anarchisten
  • Arbeiterschutz
  • Arbeiterschutz – internationaler
  • Arbeitervertretung, Ältestenkollegien
  • Arbeitgeber
  • Arbeitsvertrag
  • Arbeitszeit
  • Arzt
  • Beamte
  • Begehrlichkeiten
  • Börse
  • Bundesrat
  • Demagogie
  • Dienstboten
  • Eisenbahn
  • Fabrik
  • Familie
  • Frauenarbeit
  • Freizügigkeit
  • Gastwirtschaften
  • Gefängnis, Gefängnisarbeit
  • Gefahrenschutz
  • Gemeinden, Kommunen
  • Gerichtsverfassungsgesetz (27.1.1877)
  • Gesetz, betreffend das Alter der Großjährigkeit (17.2.1875)
  • Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung (17.7.1878)
  • Gesetz, betreffend die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger und die Aufhebung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Minderjährigkeit (12.7.1875)
  • Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung (22.6.1889)
  • Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter (15.6.1883)
  • Gesetz über das Paßwesen (12.10.1867)
  • Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund (21.6.1869)
  • Strafgesetzbuch (25.5.1870)
  • Strafprozeßordnung (1.2.1877)
  • Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten (24.6.1865)
  • Gesetz, die Bergwerksabgaben betreffend (20.10.1862)
  • Kriminal-Ordnung (11.12.1805)
  • Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechtes (Vereinsgesetz) (11.3.1850)
  • Großgrundbesitz
  • Handel, siehe auch Freihandel
  • Handwerk, Handwerker
  • Hausbesitz
  • Haushaltungsschulen
  • Heirat, Ehe
  • Hilfskassen
  • Juden
  • Jugendliche Arbeiter
  • Knappschaften
  • Kohlen
  • Konsumvereine
  • Kontraktbruch
  • Kostgänger
  • Kündigung des Arbeitsverhältnisses
  • Kultur
  • Landwirtschaft
  • Lehrlinge
  • Lohn
  • Maschinen
  • Nachtarbeit
  • Parteien
  • Parteien – Sozialdemokraten
  • Parteien – Zentrum
  • Polizei
  • Polnische Arbeiter
  • Presse
  • Presse – Kölnische Zeitung
  • Presse – Westfälische Volkszeitung
  • Regierung, siehe auch Bundesregierungen
  • Regierung, siehe auch Bundesregierungen – Preußen
  • Regierung, preußische Bezirksregierungen
  • Regierung, preußische Bezirksregierungen – Düsseldorf
  • Reichsregierung
  • Revolution
  • Sittlichkeit der Arbeiter
  • Soldaten
  • Sonntagsruhe
  • Sparkassen
  • Stadt, Großstadt
  • Trucksystem
  • Vereine und Verbände
  • Vereine und Verbände – Märkischer Knappschaftsverein
  • Wohnung, siehe auch Hausbesitz
  • Zinsen
  • 1GStA Berlin I. HA Rep. 120 BB VII 1 Nr. 3 Bd. 8, fol. 21─59.Karl Gamp hatte Bismarck bereits am 27.5.1889 eine Denkschrift zu „Maßregeln gegen Kohlenstreiks und deren gemeinschädliche Folgen“ vorgelegt (Ausfertigung mit Randbemerkungen Bismarcks: BArch R 43 Nr. 444, fol. 264─293 Rs.). Anfang Juni wurde Gamp in das Ruhrgebiet und nach Schlesien entsandt, um vor Ort weiteres Material über die Bergarbeiterstreiks zu sammeln. Ergebnis dieser Reise, die am 7.7. abgeschlossen war (Meldung Gamps an Bismarck: BArch R 43 Nr. 445, fol. 74), war die hier abgedruckte Denkschrift Gamps. Bismarck empfing Gamp erst am 15.10. (fol. 145). Die offizielle Übersendung der Denkschrift durch das Handelsministerium an Bismarck erfolgte am 5.11.1889 (Ausfertigung: GStA Berlin I. HA Rep. 120 BB VII 1 Nr. 3 Bd. 8, fol. 1─2).Auf Grundlage der Streichungen und weiteren Anweisungen Bismarcks (vgl. Anm. 20, 24, 26, 32─37 u. 42; vgl. BArch R 43 Nr. 445, fol. 266─267, fol. 268─268 Rs.) wurde eine zweite Fassung der Denkschrift Gamps erstellt (Metallographie: GStA Berlin I. HA Rep. 120 BB VII 1 Nr. 3 Bd. 8, fol. 66─90 Rs.), die von Handelsminister Bismarck mit Schreiben vom 28.11.1889 dem Minister der öffentlichen Arbeiten v. Maybach und dem Innenminister Herrfurth zugeleitet wurde (Entwurf Magdeburgs mit Paraphe Bismarcks: fol. 19─20).Parallel zu Gamps Aktivitäten untersuchten der preußische Innenminister und der Minister der öffentlichen Arbeiten den Streik. Beratungen von Kommissarien des Ministers der öffentlichen Arbeiten, des Handels- und des Innenministers, an denen auch Gamp beteiligt war, führten zu der 1890 als besondere Beilage zum Reichsanzeiger veröffentlichten „Denkschrift über die Untersuchung der Arbeiter- und Betriebs-Verhältnisse in den Steinkohlen-Bezirken. Bearbeitet im Auftrage der Minister der öffentlichen Arbeiten und des Innern, Berlin 1890“. Vgl. Otto Pflanze, Bismarck. Der Reichskanzler, München 1998, S. 571─592. »
  • 2Karl Gamp (1846─1918), seit 1882 auf Veranlassung Bismarcks im preußischen Handelsministerium tätig, seit 1883 nebenamtlich auch im Reichsamt des Innern, seit 1886 Geheimer Oberregierungsrat, seit 1884 MdR (Deutsche Reichspartei). »
  • 3Zu den Knappschaften vgl. Bd. 5 der I. Abteilung dieser Quellensammlung. »
  • 4Vgl. z. B. Statut des Märkischen Knappschafts-Vereins zu Bochum vom 17. August 1887, Bochum 1887; danach konnte der Knappschaftsvorstand einen Knappschaftsältesten aus einer Vorschlagsliste von drei von den Arbeitern gewählten Kandidaten auswählen (§ 118). Der Knappschaftsvorstand wurde zur Hälfte von den Knappschaftsältesten bestimmt (§ 123). »
  • 5So fand bereits am 29.8.1886 in Essen ein Bergarbeiterdelegiertentag mit präzisen Forderungen zur Reform der Knappschaften statt (vgl. Otto Hue, Die Bergarbeiter. Zweiter Band, Stuttgart 1913, S. 338 f.). »
  • 6Bergbauliche Eigentumsform mit Immobiliarqualität; vgl. Nr. 17 Anm. 11 Bd. 4 der I. Abteilung dieser Quellensammlung. »
  • 7Die Zechen Rhein-Elbe (in Betrieb seit 1860) und Alma (in Betrieb seit 1871) in Ückendorf bei Gelsenkirchen wurden von der 1873 gegründeten Gelsenkirchener Bergwerksaktiengesellschaft betrieben. Sie beschäftigten (1886) zusammen 2468 Arbeiter. »
  • 8Anlage A, fol. 60. »
  • 9Dörfliche Hausbesitzer („Kotten“) ohne landwirtschaftliche Nutzfläche. »
  • 10Bismarck: ? »
  • 11Flächenmaß, eine preußische Quadratrute entsprach 14,186 Quadratmeter. »
  • 12Friedrich Grillo (1825─1888), Bergwerksbesitzer in Essen. »
  • 13Mitte Mai griff die Streikbewegung auf oberschlesische Gruben über. Bei einer Gesamtbelegschaft von 41 000 Arbeitern streikten insgesamt 13 300 Mann. Lohnerhöhungen führten nach wenigen Tagen zum Ende des Streiks. »
  • 14Staatsgruben waren in Schlesien die „Königin-Luise-Grube“ in Zaborze (Kreis Zabrze) und die „Königsgrube“ in Königshütte (heute: Królewska Huta, Polen). »
  • 15Die 1791 gegründete oberschlesische „Königin-Luise-Grube“ in Zaborze (Kreis Zabrze) war der größte Kohlenbergwerksbetrieb des europäischen Kontinents. Die 6 582 Arbeiter dieser Staatsgrube beteiligten sich nicht am Streik. »
  • 16Das sind 3,77 bis 11,30 Kilometer. »
  • 17Anlage B, fol. 61. »
  • 18In Niederschlesien begannen die dort von Krawallen begleiteten Ausstände am 13.5.1889 Insgesamt streikten zwischen 10 000 und 12 000 Bergarbeiter (etwa 75 Prozent der Belegschaft). »
  • 19Die Bergwerksabgabe betrug in Preußen (seit 1865) gemäß dem Gesetz, die Bergwerksabgaben betreffend, vom 20.10.1862 (PrGS, S. 351) ein Prozent des Bruttoertrags. »
  • 20Antrag auf Verleihung des Bergwerkeigentums, faktisch Rechtsform der Aneignung eines Grubenfelds zum Abbau von Flözen, da die Mutung einen Rechtsanspruch begründete. »
  • 21 a-a von Bismarck gestrichen. »
  • 22„Königsgrube“ in Königshütte (heute Chorzów, Polen). Die Industriesiedlung Königshütte (heute: Królewska Huta) entstand neben der 1791 gegründeten Kohlengrube „König“ (heute: Barbara-Chorzów) und der im Jahre 1802 gegründeten „Königshütte“ (Królewska Huta, heute: Kościuszko). »
  • 23Privatbergbauregale bestanden in den Provinzen Westfalen und Schlesien: Ein Vorzugsund Ausschließungsrecht (jus excludendi alios) für bestimmte Mineralien, Erze und Kohlen hatten nur der Fürst Pleß, der Herzog von Ratibor und Graf Henkel v. Donnersmarck-Neudeck in Oberschlesien sowie die Grafen von der Schulenburg in der Herrlichkeit Oefte (Regierungsbezirk Düsseldorf); vgl. dazu im Detail: H. Brassert, Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten vom 24.6.1865, Bonn 1888, S. 612 ff. »
  • 24§§ 12─38, insbesondere §§ 26─27 Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 (PrGS, S. 705). »
  • 25 a-a von Bismarck gestrichen. »
  • 26§ 65 des preußischen Allgemeinen Berggesetzes. »
  • 27 a-avon Bismarck gestrichen. »
  • 28Richard Price Williams (1827─1916), englischer Ingenieur. »
  • 29Gemeint ist wohl eine Denkschrift Krupps vom 18.4.1886 mit dem Titel „Die Steinkohle in England“, die Krupp anläßlich eines Artikels der „Kölnischen Zeitung“ vom 18.4.1886 mit dem Titel „Die Steinkohlenfrage in England“ verfaßt hat (Historisches Archiv Krupp, Essen, Briefe und Niederschriften Alfred Krupps 1826─1887, Bd. 20, S. 196─201). »
  • 30Das Gesetz, betreffend das Alter der Großjährigkeit, vom 17.2.1875 (RGBl, S. 71) hatte das Alter der Großjährigkeit im gesamten Reich auf das 21. Lebensjahr festgelegt. Die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit Minderjähriger war geregelt im Gesetz, betreffend die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger und die Aufhebung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Minderjährigkeit, vom 12.7.1875 (RGBl, S. 518). Dessen § 6 lautete: Hat der Vater oder Vormund seine Genehmigung erteilt, daß der Minderjährige in Dienst oder Arbeit trete, so ist letzterer selbständig zur Eingehung und Auflösung von Dienst- oder Arbeitsverhältnissen der genehmigten Arbeit befugt. »
  • 31Das preußische „Vereinsgesetz“ verbot in § 8 für Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern, die Aufnahme von Frauenspersonen, Schülern und Lehrlingen, nicht jedoch die Aufnahme jugendlicher Arbeiter (Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechtes, vom 11.3.1850 [PrGS, S. 277]). »
  • 32Bismarck: aber doch »
  • 33Bismarck: Die Freizügigkeit mindert und dem Arb(eiter) ratsam macht. »
  • 34Bismarck: sie bleiben aber nicht Arbeiter oder doch ihre Söhne nicht. Sie werden Handwerker u. a., Gärtner, Gastwirte, u. der Arbeitgeber muß für jede Generation neue Grundstücke schaffen. Mietshäuser mit Garten für mäßigen Satz u. lange Termine sind vorzuziehen. In Pommern kostet eine Arbeitswohnung mit Garten 36 bis 48 Mark jährlich zu mieten. »
  • 35 a-a von Bismarck gestrichen. »
  • 36Bismarck: welchen gesetzlichen Titel haben die Gemeinden zu solchen Anforderungen und welchen die Kirche »
  • 37 a-a von Bismarck gestrichen. »
  • 38Dieser Paragraph enthielt das sog. Truckverbot. Danach durften von den Arbeitgebern an Arbeiter nur dann Waren ausgegeben werden, wenn der Preis die Anschaffungskosten nicht überstieg. »
  • 39Hans Heinrich XI., Fürst von Pleß (1 833─1907), freier Standesherr auf Schloß Fürstenstein, Oberstjägermeister, erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses, Besitzer großer Kohlegruben in Schlesien. »
  • 40Anlage C, fol. 63─65 Rs. Diese Anweisung vom 10.7.1889 ist abgedruckt als Anlage 22 zu: Denkschrift über die Untersuchung der Arbeiter- und Betriebs-Verhältnisse in den Steinkohlen-Bezirken. Bearbeitet im Auftrage der Minister der öffentlichen Arbeiten und des Innern, Berlin 1890. »
  • 41Gemeint ist die Nichtanrechnung fehlerhafter Kohlenwagen auf das geleistete Arbeitspensum. »
  • 42 a-avon Bismarck gestrichen. »
  • 43Strafprozeßordnung vom 1.2.1877 (RGBl, S. 253). »
  • 44Gemeint ist das nur einmal im Jahr stattfindende Verfahren zur Bestimmung von Schöffen gemäß § 36─44 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27.1.1877 (RGBl, S. 41). »
  • 45Kriminal-Ordnung vom 11.12.1805 (Allgemeines Criminalrecht für die Preuß. Staaten, Th. 1, Kriminal-Ordnung, Berlin 1806). »
  • 46Johannes Fusangel (1852─1910), katholischer Journalist und Bergarbeiterführer, seit 1884 Redakteur der „Westfälischen Volkszeitung“ in Bochum; Fusangel gründete 1886 den „Rechtsschutzverein für die bergmännische Bevölkerung im Oberbergamtsbezirk Dortmund“. »
  • 47Gemeint ist die Bundesratsverordnung vom 10.7.1881 (Central-Blatt für das Deutsche Reich Nr. 28 von 15.7.1881, S. 275), mit der in Steinkohlenbergwerken, die in doppelter Schicht arbeiteten, für über Tage beschäftigte jugendliche Arbeiter die Arbeitszeit auf acht Stunden begrenzt wurde. Im Gegenzug erhielten sie jedoch nur noch eine Stunde Pause. »
  • 48Nachdem durch die Novelle zur Gewerbeordnung vom 18.7.1878 die Bestimmung gestrichen worden war, daß die Arbeitspausen von Kindern und Jugendlichen eine Möglichkeit zur „Bewegung in freier Luft“ beinhalten mußten, war die Untertagearbeit der 14- bis 16jährigen durch die Reichsgewerbeordnung nicht mehr eingeschränkt. Allerdings galt weiterhin das Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit und eine Arbeitszeitbeschränkung auf 10 Stunden täglich. Die Pausen mußten mittags eine Stunde sowie vor- und nachmittags je eine halbe Stunde betragen. Vgl. jedoch Anm. 47. »

Zitierhinweis

Abteilung II, 1. Band, Nr. 92, in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, 1. Band: Grundfragen der Sozialpolitik. Die Diskussion der Arbeiterfrage auf Regierungsseite und in der Öffentlichkeit, bearbeitet von Wolfgang Ayass, Florian Tennstedt und Heidi Winter. Digitale Version unter Mitarbeit von Hans-Werner Bartz, Anna Neovesky und Torsten Schrade.

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